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| Ich entscheide, nicht das Heim | |
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felixx Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 22 Feb 2018, 18:53 © felixx | |
| Falls du die Tabletten gegen schlechtes Gewissen findest - ich nehme auch welche, Preis relativ egal! Und: Du gehst jeden Tag zu deiner Mutti, das ist viel mehr, als andere leisten können oder halt wollen. Leb auch ein bisschen dein Leben, du hast nur eines!
Felixx
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 23 Feb 2018, 03:35 © Aggi | |
| Liebe Felixx, kannst Du Gedanken lesen? Grad nach dem Aufwachen hatte ich wieder im Kopf, ob ich nicht öfter zu Mutti sollte... - felixx schrieb:
- Du gehst jeden Tag zu deiner Mutti, das ist viel mehr, als andere leisten können oder halt wollen.
Meine Macke ist, ob ich will oder nicht, ich vergleich mich ja immer gleich. Grad hab ich jetzt mit dem Tagebuch von Astrid angefangen, wie sie nachmittags Stunden um Stunden bei ihrer Mutter im Krankenhaus ist. - O.k., das war ich damals, als Mutti im Krankenhaus war, ja auch. Jeden Tag, bis mir der Po weh tat, da hab ich mir sogar ein Kissen mitgebracht, um länger an ihrem Bett sitzen zu können. Dies Vergleichen ist mein Fehler. Schätze, mein Selbstbewusstsein ist nie bereit, aus dem Keller raus zu kommen. - felixx schrieb:
- Leb auch ein bisschen dein Leben, du hast nur eines!
Jo. Sobald ich mein Leben wiederfinde. Seit ich hier in meinem eigenen zuhause wieder eingezogen bin, such ich es eigentlich immer noch. Das ging ja alles so schnell, keine Ahnung, wo ich das im letzten Oktober verbaselt hab. Hab gestern aber immerhin schon mal meinen geliebten Fusselrasierer wieder gefunden. Bleibe also optimistisch, das ich mein Leben auch noch wiederfinde! - felixx schrieb:
- Falls du die Tabletten gegen schlechtes Gewissen findest - ich nehme auch welche, Preis relativ egal!
Felixx, you make my day! Im Moment hab ich noch nix, kann nur Fusselrasierer-Medidation anbieten, das erdet mich momentan: Nehme täglich eins von Muttis dicken Nachthemden mit nachhause und bearbeite die Innenseite mit dem Fusselrasierer. Die ganzen Wollflusen, die sich auf dem Poly-Stoff festgeknüddelt haben rausoperieren ... Zentimeter für Zentimeter mit Barhocker am Bügeltisch ... hat für mich was von ganz viel "Ommm!" ... entspannt mich ... und ein schönes Gefühl, wenn so ein "olles" Nachthemd hinterher wieder fei schick ist!!! Auch wenn Mutti heut morgen sagte, ob sie nicht bald wieder kurzärmelig anziehen kann?! ... ach schön, Felixx, ich sitze hier und lächel über das ganze Gesicht! - Deine Schuld! LG, Aggi
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| | | felixx Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 23 Feb 2018, 08:51 © felixx | |
| Liebe Aggi!
Du schreibst, dass du dein Leben erstmal wiederfinden musst. Falls es dich tröstet: Ich versuche das seit zwei Jahren ( genau am 30 03. werden es zwei Jahre, seit Mutti ins örtliche Pflegeheim eingezogen ist) Jeder Außenstehende denkt, dass das ja nun genug Zeit gewesen sei, um einen neuen Lebensrhythmus, eine neue Zeiteinteilung zu finden! Jeder - außer ich. Ich muss mich immer noch zwingen, wenigstens einen Wochentag nicht im Heim vorbei zu schauen. Ich lege Termine immer noch so, dass ich spätestens 16:30 bei Mutti bin und meine schwer erkämpften Massagetermine liegen grundsätzlich ab 18:30 - da habe ich ihr das Abendessen gereicht und sie döst noch ein wenig vorm Fernseher. ... Aber wir kriegen das hin, wir beide. Irgendwann schaffen wir das. Und die Tabletten gegen das schlechte Gewissen wollen wir eigentlich nicht, nur schwache Mensch schütteln ihre Verantwortung für andere einfach ab und schreiten über die Leichen am Wegesrand großzügig hinweg. Wir haben das nicht nötig! Wünsch dir einen schönen Tag! Viele Grüße Felixx
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| | | Aggi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 23 Feb 2018, 13:01 © Aggi | |
| Liebe Felixx, Du kannst mich grad nicht sehen, aber ich guck grad wie ein Autobus ... völlig perplex ... und glücklich ... dafür gibts kein Smiley, aber wenn ich nicht glücklich verheiratet wär und eigentlich auf Männer stehe, würde ich jetzt um Deine Hand anhalten, so glücklich machen mich Deine Zeilen! - felixx schrieb:
- Falls es dich tröstet: Ich versuche das seit zwei Jahren ( genau am 30 03. werden es zwei Jahre, seit Mutti ins örtliche Pflegeheim eingezogen ist)
Jeder Außenstehende denkt, dass das ja nun genug Zeit gewesen sei, um einen neuen Lebensrhythmus, eine neue Zeiteinteilung zu finden! Jeder - außer ich. Ich hab mich noch nie so verstanden gefühlt wie in der Sekunde, wo ich diese Deine Zeilen gelesen hab. Und rehabilitiert-dings! - felixx schrieb:
- Aber wir kriegen das hin, wir beide.
Irgendwann schaffen wir das. Jau ... ... und ich warte auch gerne auf Dich, keine Sorge, da ich den Krebsgang gehe, bin ich höchstens mal zwei Schritte vor und komm dann ja eh wieder einen zurück! - felixx schrieb:
- Und die Tabletten gegen das schlechte Gewissen wollen wir eigentlich nicht, nur schwache Mensch schütteln ihre Verantwortung für andere einfach ab und schreiten über die Leichen am Wegesrand großzügig hinweg.
Wir haben das nicht nötig! Genau. Schließlich müssen wir morgens in den Spiegel gucken und mein Spiegelbild hatte heute morgen Popcorn auf der Wange kleben, ich dachte eine Schrecksekunde lang, ich hab ne Eiterpustel ... Felixx, ohne-Scheiß, ist Dir klar, dass DU für den Moment meine Tablette gegen das schlechte Gewissen geworden bist? Und Du wirkst binnen einer Sekunde - unbezahlbar! Dankeschön, Du Gute! Das Gefühl, nicht die einzige zu sein... mit Gold nicht aufzuwiegen! Alles Liebe, Aggi ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180223 Freitagmorgen: Bevor ich zu ins Heim fahre, schaff ich wirklich, Mutti's Nachthemd zu entfusseln. Ist so eine Aufgabe für einen, „der Vater und Mutter erschlagen hat“. Aber ich mag solche Aufgaben und danach ist das Nachthemd von innen nicht mehr „knubbelig“ und von außen schön. Mutti mag eigentlich lieber reine Baumwolle, aber diese hier sind von der wunderbaren Freundin vom kleinen Bruder und jetzt, wo’s so kalt ist, sind sie einfach das Richtige. Dann mach ich noch mein kleines Dankeschön für die gute Seele Elisabeth fertig. Hatte ihr Mittwoch bei Kik ein paar fingerlose Wollhandschuhe gekauft. (Radler-Handschuhe-Dings?!). Damit kann sie draußen rauchen, ohne dass die Kippe in den Handschuh brennt. Und sie hatte neulich so kalte Hände. Einziges Risiko, dass sie mit Gegengeschenken kontert. Ich schreib auf das „Dankeschön“-Kärtchen, „weil Du mich immer so zum Lachen bringst“. Häng ich im Heim an ihre Türklinke. Und duck-und-wech… Bei Mutti ist schon Sr. L. bei der Morgenwäsche. Zwei Frauen, die mich zur Begrüßung anstrahlen, besser geht nicht! Ich übernehm nach kurzer Rückfrage wieder das Zähneputzen. Helf dann noch mit Nachthemd anziehn undCo. – Ja, Augentropfen mach ich auch (dann kann Sr. L. in Ruhe einpacken). Bis morgen! Mutti hatte eine gute Nacht. Nur zu kurz. Das ist so so so so soooooooo viel besser geworden, als es damals zu hause war. Wie oft war ihr erstes immer die Angst, die Verwirrung, depressive Gedanken, Traurigkeit, morgens als erstes Mutti aus ihrem tiefen Loch wieder herausholen! Das Heim tut ihr gut, auch wenn sie manchmal über was meckert, aber wer meckert nicht mal über was, tut doch jeder?! Wieder nichts mit Sitzen zum Frühstück, sie legt sich direkt auf die Seite, als wolle sie verhindern, dass ich sie hochziehe, was ich nie tun würde. Guckt mich wie ein unwiderstehliches, süßes Hundchen von der Seite an mit diesem Dackelblick – manchmal möchte ich sie wirklich hinter den Ohren kraulen, meine Mutti!!! Während sie dann frühstückt, wandert auf einmal ihr Blick an mir vorbei, suchend… sie sagt: „Bin ich jetzt bekloppt??“ – Ich ganz trocken: „Nö, Mutti, das wüßte ich.“ Da muß sie lachen und meint, sie hätte grad doch tatsächlich den L. (kleiner Bruder) gesucht. Sag ich: „Ist doch normal, den sucht man doch gerne!“ – „Ja.“ meint sie, lächelt und sagt: „L. hab ich gerne.“ Mein Herz hüpft – das muß ich ihm erzählen, das ist besser als 6 Richtige im Lotto! In dieser Frühstückszeit hören wir oft durch die verschlossene Zimmertür aus dem Nachbarzimmer, wenn sich da der Nachbarbewohner mit seinem Besucher unterhalten. Sein Neffe kommt täglich, wir grüßen uns inzwischen auch schon vertraut, wenn wir uns auf dem Flur begegnen. Naja, und zwei tiefe Männerstimmen hallen ja auch noch mal anders, als Frauenstimmen (hoffe ich jedenfalls.. ). Irritiert Mutti immer wieder. Dann kommen schon mal so Kommentare von ihr: „Er redet auch schon wieder ganz schön.“ Leicht missbilligend. Ich weiß, dass sie das irritiert, etwas beängstigt. Zuhause hat sie manchmal Personen im Raum gesehen. Auch Vögel. Vögel = gut. Personen, wenn weiblich = gut. Wenn männlich = nicht gut. Einmal war es ihr ältester Sohn = ganz böse, daraufhin hab ich die Türschlösser gewechselt, was sie sehr beruhigt hat (mich übrigens auch). Jedenfalls erzähl ich ihr dann jedesmal, wenn wir die „Nachbarn“ hören, wie schön das doch ist, dass ihr lieber Nachbar (Mutti, der immer so freundlich zu mir ist!) Besuch bekommt. Heute komm ich mal auf die verrückte Parallele RAF-Terroristen, Andreas Bader, Ulrike Meinhoff, Isolationshaft, wie man damals noch nicht wußte, dass diese beiden Frauen ECHT darunter gelitten haben, monatelang nicht mal fremde Stimmen zu hören. Mutti ist voll dabei. Eine Erinnerung, die funktioniert. „Ja, nichts mehr hören ist nicht gut.“ Als ich gehe, sag ich wie so oft, ich hab Dich lieb, Mutti. Heute sagt sie mir ganz betont, daß sie mich auch lieb hat.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Sa 24 Feb 2018, 12:33 © Aggi | |
| 20180224 Samstagmorgen: Sternklare Nacht, ich seh sogar zwei Flugzeuge, genauso klein wie die Sterne, als würden die Flugzeuge gleich gegen die Sterne prallen. Minus vier Grad. Als ich dann zehn vor acht bei diesen Gefriergraden am Heim ankomme, steht meine gute Seele Elisabeth draußen in der Kälte und wartet schon auf mich. Sie öffnet gleich ihre Handtasche, die vorne an ihrem hohen Gehwagen hängt, da liegen die neuen Handschuhe. Sagt sofort, dass sie das wieder gutmachen will – ich hab’s doch geahnt. ^^ Ich umarme sie ganz lieb und sag ihr, dass das ein Dankeschön ist, weil sie mir gut tut! Sie strahlt über das ganze Gesicht und meint, so was hätte sie noch nicht erlebt, dass ein Geschenk an ihrer Türklinke hängt. Sie sei so perplex gewesen, dass sie im ersten Moment nicht mal gewußt hätte, wer „Aggi“ ist. War schon verzweifelt, ob sie jetzt tüdelig wird, dann ist es ihr aber wieder eingefallen. Sie freut sich. Hätte extra hier draußen auf mich gewartet, um sich zu bedanken! Glücklich weiter zu Mutti, die so wunderschön und entspannt im Bett liegt: „Mutti, siehst Du heute gut aus!“ (Wäsche war schon und Mutti ist gut gelaunt.) Am liebsten würde ich ein Foto von ihr machen, so schön, wie sie da liegt, aber das will sie nicht. Verzieht gleich das Gesicht. Alles gut, kein Foto. Ich erzähl Mutti, wie schön ich gestern durchs Dorf gewandert bin, wie familiär das bei uns auf dem Dorf ist, alle duzen sich, als wär’s eine einzige große Familie. Mutti mag solche Geschichten. Zum Frühstück bleibt sie wieder liegen. Wird wohl nichts mehr mit sitzen. Seit einigen Tagen hat sie auch dies fürchterliche „Lätzchen“ auf dem Tablett-Tisch liegen. Mutti fand es am ersten Tag „unmöglich“, aber ich denke, die Schwestern wissen sich nicht anders zu helfen. Vorne im Demenz-Frühstücksraum trägt auch immer mal einer der Bewohner so eine Latz-Schürze (mit Druckknopf im Nacken zu schließen, halt ein Lätzchen für Erwachsene). Heute gibt’s einen großen Teller mit anderthalb Scheiben Brot, eine ganze Scheibe mit Marmelade und ne halbe mit Käse. Mutti schafft etwas über eine Scheibe, ich glaube, heute vergißt sie zwischendurch, dass sie schon satt war. Als sie mit Essen fertig ist – ich erzähl dabei halt wie täglich so meine Geschichten, sag ich Mutti, ich hab noch extra was für Dich mitgebracht. Hab das Gedicht von Peter Rosegger, das kamia neulich hier eingestellt hat ( https://www.demenzforum.net/t7532-lied-gedicht-gebet-wunsch), für Mutti ausgedruckt und mit Band in einer Klarsichttüte, das ich es an ihre Wand hängen kann. „Mutti, das ist ein Gedicht, das mir eine Freundin geschickt hat. Wollte ich Dir gerne vorlesen.“ (Mutti kann ich nicht immer so en detail erklären – denke, so ist das eine legale Notlüge?!). Leg mich neben Mutti aufs Bett, zeig ihr die DIN-A-4-Seite, aber die Schrift ist doch zu schwer für Mutti. Vorlesen hatte ich, als sie noch zuhause war, immer mal probiert. Aber das war immer nicht so gut für sie, höchstens mal ein paar Zeilen aus der Tageszeitung, wenn sie ein Artikel interessierte. Aber sie konnte und mochte nie lange zuhören – hab ich immer bedauert, aber Mutti „nerven“ geht schon gar nicht. Aber heuer das Gedicht ist eine gute Idee. Entweder, weil Mutti eh gut drauf ist, oder weil das Gedicht so gut ist? – Ich kann es schon fast auswendig und kann bei jeder Zeile Mutti’s Gesicht beobachten. Sie ist entzückt!!! Am Ende sag ich noch, das es von Peter Rosegger ist, kaum ausgesprochen, sagt Mutti: „Peter Rosegger kenn ich. Den haben wir in der Schule gelesen!“ – Whow, Treffer versenkt! Mutti’s Schule in Pommern war eine dieser klitzekleinen Dorfschulen mit elf Schülern, von denen fünf Geschwister waren (Mutti und meine Onkel und Tanten). Mutti hat viel aus dieser Zeit erzählt, ich wünsche mir oft, ich könnte eine Zeitreise dahin machen… Und jetzt weiß ich von ihr, dass sie damals in der Schule viele Gedichte von Peter Rosegger auswendig gelernt haben. Mutti weiß nicht mehr, welche, aber sprang sofort auf seinen Namen an. Eine Stunde vorher, als ich kam, konnte sie sich nicht erinnern, wie ihr Vortag gewesen war. Ich frag öfter, wie der vorherige Tag war. Wenn nicht mein kleiner Bruder zu Besuch war (Schön!!) oder etwas echt schreckliches war, kann sie sich nie an den Vortag erinnern. Aber mit dem Gedicht, das ihr SEHR gut gefallen hat, war sie gleich wieder Schulkind in Pommern und erinnerte Peter Rosegger. Sie hatte immer schon ein Elefantengedächtnis für gewisse Details aus ihrem Leben, also vorher, bevor die Demenz begann. Und dies Elefantengedächtnis – was ich als absolutes Kompliment meine – dringt immer noch durch. Für dies Erinnerungsvermögen habe ich sie immer schon bewundert und tu es heute noch.
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| | | felixx Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Sa 24 Feb 2018, 18:53 © felixx | |
| dafür gibts kein Smiley, aber wenn ich nicht glücklich verheiratet wär und eigentlich auf Männer stehe, würde ich jetzt um Deine Hand anhalten, so glücklich machen mich Deine Zeilen! I love you
Jo, da die gleichgeschlechtliche Ehe ja nun auch in Deutschland durch ist, sollte das kein Problem darstellen! Muss das jetzt nur noch irgendwie meinem Mann beibringen😋
Felixx
PS: Felixx hieß ein heiß geliebter Streunerkater, den ich verletzt am Straßenrand aufgelesen habe und der nach einer sündhaft teueren Not - OP zwölf Jahre lang ein sehr bequemes Leben bei mir geführt hat!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 25 Feb 2018, 05:38 © Aggi | |
| Liebe Felixx, jetzt ist schon so weit, dass ich schon strahle, wenn ich nur sehe, dass Du geantwortet hast! - felixx schrieb:
- Jo, da die gleichgeschlechtliche Ehe ja nun auch in Deutschland durch ist, sollte das kein Problem darstellen!
Muss das jetzt nur noch irgendwie meinem Mann beibringen😋 Wir können ja mal gucken, ob unsere Männer sich verstehen.. - felixx schrieb:
- PS: Felixx hieß ein heiß geliebter Streunerkater, den ich verletzt am Straßenrand aufgelesen habe und der nach einer sündhaft teueren Not - OP zwölf Jahre lang ein sehr bequemes Leben bei mir geführt hat!
Kiek, bist Du auch so eine Seele: Unsere letzte Hündin war 7 Jahre alt, als wir sie im Tierheim entdeckten. Ich wollte NIE einen Schäferhund - sie war Liebe auf den ersten Blick! Ihr Vorbesitzer hatte dem Tierheim vorgeschlagen, sie töten zu lassen. Stellte sich dann, als wir sie zuhause hatten, heraus, dass sie ein Angsthund war (Misshandlungen in der Vorgeschichte) und zu Aggressionen neigte. Dazu im ersten Jahr schon horrende Tierarztkosten bis hin zur Gebärmutter-Total-OP. - Mein Mann und ich guckten uns in der Tierarztklinik nur kurz an, zuckten mit den Achseln und sagten uns, so what, die eigenen neuen Zähne können ruhig noch warten und gingen zur Kasse, bezahlen. Die Maus hat dann noch glückliche sieben Jahre bei uns gelebt (für eine Schäferhündin mit vielen Vorerkrankungen ein heiliges Alter). Und Dein Felixx - der war dann in echt der Glückliche! LG, Aggi
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| | | Aggi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 25 Feb 2018, 10:16 © Aggi | |
| 20180225 Sonntagmorgen: Brrr-kalt – minus 6 Grad, aber strahlend blauer Himmel, als ich kurz vor acht beim Heim ankomme. Draußen steht meine gute Seele Elisabeth am Rauchen, an ihren Händen die neuen Handschuhe! Elisabeth strahlt mich an, morgen bekomme ich ein Geschenk von ihr. Was zu Naschen für mich und meinen Mann. Ich geh lachend in die Knie vor ihr: „Dir kann man auch nicht einfach so was schenken?!“ – „Aggi, ich schenke doch gerne!“ ( O.k., so ist das also, wenn ich mir selbst begegne, bin doch kein Deut besser. ^^) Wir unterhalten uns noch über die Grippewelle. Im Heim, meint sie, geht es reihum und fängt dann wieder von vorne an. Und ihre Tochter hätte ihr gestern am Telefon erzählt, dass bei ihr in der Firma so viele erkältungsbedingt ausgefallen sind, das sie z.Z. nichts mehr ausliefern können. Leider würden die Kunden jetzt sauer reagieren – ihre Tochter hätte Freitag schon Angst gehabt, überhaupt noch ans Telefon zu gehen. ( Die Arme, sie kann sich doch nicht neue Kollegen aus den Rippen schneiden.) Ich bin heilfroh, dass diese Grippewelle Mutti nicht getroffen hat – toi-toi-toi! – Und bei Mutti war die Wäsche heut auch schon wieder durch. Mutti: „Bin schon frisch gewaschen und gebügelt.“ Aber schlapp heute. Macht nix. Als ich diesmal rausgeh, um das Frühstück zu holen ( alles immer mit Ansage) spricht Mutti mir noch ganz viel hinterher. Ich dreh um und komm zurück, Mutti redet immer noch, als würd ich noch bei ihr sitzen. Das ich auch frühstücken und Kaffeetrinken soll, Frühstück ist wichtig. Ich bestätige Mutti, jo, ohne Kaffee morgens könnte man mich mit der Kneifzange nicht anpacken! – Mutti grinst. „Genau.“ Heute schafft sie nur eine dreiviertel Scheibe. Schnauft beim letzten Happen, der noch geht, so wie eine Dampflok. Aber ich kann sie nach und nach zum ganzen Becher Kaffee animieren. Von alleine würde sie wohl nur drei kleine Schlucke trinken. Beim ersten Mal greift sie manchmal noch selbst zum Becher. Danach „vergißt“ sie oft das Trinken. Ich erzähle Mutti von dem Tierfilm, den ich gestern gesehen hab. Von Wasserläufern und den putzigen Ottern. Das gefällt Mutti. Besser als Fernsehen. Sie kann ja kaum noch was sehen und das sind vermutlich viel zu viele Reize für sie. Jedenfalls wehrt sie die Option Fernsehen immer so ab, als würd ich ihr vorschlagen, auf ne heisse Herdplatte zu packen. Bloß nicht! Als ich dann gehe, sitzt eine mondäne Dame, superchic gekleidet, geschminkt und frisiert, ca. Anfang 70 im Rollstuhl nahe der Ausgangstür. Als ich auf sie zugehe (weil sie Richtung Ausgang sitzt), guckt sie kurz ängstlich. Ich grüße sie freundlich und sie fragt: „Kenne ich Sie?“ „Nein, ich habe hier meine Mutter besucht.“ „Wer ist das?“ „Frau …, aber meine Mutter liegt nur noch im Bett, sie kann nicht mehr aus dem Zimmer.“ „Wie alt ist ihre Mutter?“ „87.“ „Ich bin drei Jahre älter.“ ( Ich bin völlig perplex – unglaublich!) „Nein! Das kann ja nicht! Ich hab sie mindestens für zehn Jahre jünger als meine Mutter gehalten!“ „Oh, das ist aber ein schönes Kompliment! Ich bin Jahrgang 27.“ Wir unterhalten uns über das Heim. Sie sagt, wie schön es ist. Ich sag, deshalb habe ich das Heim für meine Mutter ausgewählt, weil hier alle so nett und freundlich sind. Sie: „Das Heim hier ist das beste Pflegeheim in der Bundesrepublik. Es gibt in Deutschland über 200 Heime, aber das hier ist das Beste.“ „Ja, das glaube ich sofort!“ Sie erzählt mir noch, das sie froh ist, noch ihren Verstand beieinander zu haben. Ich erzähle von Mutti, die wegen ihrem Herz leider teilweise so verwirrt ist, aber jetzt, seit sie im Heim ist, endlich keine Angst mehr hat. Bei dem Wort „Angst“ hebt die Dame den Finger: „Ja, das ist wichtig!“ Ja, ist es auch. Wir verabschieden uns lächelnd. Ich sag ihr noch, ich hoffe, wir sehen uns jetzt öfter! Diese Menschen hier im Pflegeheim gehen mir ans Herz – in positivem Sinne. In den ersten Tagen, Wochen hatte ich Momente, wo ich so einiges abschreckend und beängstigend fand. Inzwischen nehme ich Details wahr, die mir diese wundervollen Menschen so liebenswert machen, das ich immer öfter denke, hier bin ich gerne! Auch wenn es an manchen Tagen traurig ist. Seit vorgestern liegt wieder das Trauerbuch aus. Wieder eine Dame, die ich immer sah, wenn ich ging und die ich auch ins Herz geschlossen hatte. Sie erinnerte mich an eine Frau aus meiner eigenen Jugend. Wirkte noch völlig frisch, fit, auch gar nicht dement. Und so lieb! Ich grüßte sie immer, wenn ich sie sah - ich mein, ich grüße inzwischen längst alle, die ich sehe, aber die war mir besonders aufgefallen, weil sie der Frau aus meiner Jugend ähnelte. – Als ich vorgestern ihr Bild im Trauerbuch sah, dachte ich nur, nein, das muß wer anders sein. Das kann nicht. – Ist aber so. Ich kann nur hoffen, sie war nicht allein.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mo 26 Feb 2018, 14:03 © Aggi | |
| 20180226 Montagmorgen: Heut morgen zehn vor acht seh ich im Flur zu Mutti schon Elisabeth, meine gute Seele draußen stehen. Ihr Zimmer ist schräg gegenüber von Muttis. Sie strahlt mir schon entgegen. Erst, nachdem wir uns begrüßt haben seh ich an Mutti’s Türklinke ihr Geschenk hängen. „Oh ist das schön! JETZT weiß ich auch, wie sich das anfühlt, wenn man ein Geschenk an der Türklinke hängen hat!!!“ – Ich freu mich total und Elisabeth freut sich, wie ich mich freue. Sie entschuldigt sich, weil sie gar keine Geschenkpapier hat, hätte meins benutzt, hat ja gar nichts da. Und statt Karte ein Herz ausgeschnitten… Ich biete ihr sofort an, ich bin doch jeden Tag da, ihr was zu besorgen. Zack, hab ich wieder 5 Euro von ihr in der Hand. Diese Frau wird noch auf ihrer eigenen Beerdigung ihren Sargdeckel öffnen und mir Geld für die Blumen, die ich mitbringe, in die Hand drücken!!! Kleine Grußkarten und ein paar Bögen Geschenkpapier. Nicht viel, sie braucht ja gar nicht viel. In meinem Kopf rattert es gleich weiter, Notiz an mich selbst: „Und Tesafilm, und eine Schere. Und den 5 Euro-Schein in der Tüte verstecken!“ Elisabeth richtet noch liebe Grüße für Mutti aus, dann geh ich erstmal weiter, nachdem wir uns lieb umarmt haben. Bei Mutti war die Wäsche wieder durch. Sie wirkt erschöpft, freut sich aber, mich zu sehen. Ich frag, ob gestern, Sonntag Besuch da war? Mutti meint, wir seien ja schon weiter. Richtig, heut ist Montag. „Ich brauch keinen. Die haben ja so mit sich zu tun.“ ( Es versetzt mir einen Stich.) Aber ich lächel Mutti an, hauptsache, Du bist zufrieden. Und das ist sie. Wenigstens kann ich vom kleinen Bruder erzählen, der hat heut morgen schon um 4:25 Uhr eine SMS geschickt, ist mit seiner Freundin unterwegs, deren Mutter in England besuchen. Die ist 2 Jahre jünger als Mutti, liegt aber auch schon seit Jahren nur noch im Bett und ist komplett blind... Mutti freut sich, dass er sich schon gemeldet hat. Diese Reisen "begleiten" wir immer in Gedanken, wo sie jetzt wohl grade sind. Und dank Handy kann ich dann auch immer ein bißchen erzählen - vor allem, das nix passiert ist! Beim Frühstück erzähl ich wieder vom Vortag. Wie mein Mann mich verwöhnt hat. Ist dann für Mutti, als hätte sie mit uns beiden bei uns im Wohnzimmer gesessen. Es gab einfach nur Pommes – Mutti strahlt. Mit fett Mayonnaise! Mutti lacht. Und hinterher einen Eisteller. Mutti macht Kulleraugen. „Möchtest Du auch ein Eis?“ – „Nein, bloß nicht.“ Aber sie hört solche Geschichten gerne. Schafft heut keine Scheibe Brot aber den Kaffee. Wirkt sehr müde. Die Augen sehen so „blind“ aus. So farblos. Aber als ich gehe, ermahnt sie mich, vorsichtig zu fahren! Das versprech ich ihr immer. Sie lächelt, als ich gehe. ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180226 Montagmittag: Mittags fahr ich nochmal rüber. Erst in den Edeka, noch einen Smoothie für Mutti kaufen. Hatte ich Samstag schon überlegt, ob das was für sie wäre, aber ich selbst mag die Dinger nicht… Aber nachdem ich heut früh Christine gelesen hab, hab ich gedacht, probier’s mal ( https://www.demenzforum.net/t7303-grunde-fur-eine-mangelernahrung-bei-demenz#160580). Und noch Geschenkpapierbögen für Elisabeth. Wir hatten zuhaus nur Rollen mit Weihnachtsmuster. Aber ich hab schon eine Tüte mit Karten, Bändern, eine Schere, ein Kuli und den 5-Euro-Schein mit Zettel, sie möge den bitte… ^^ Im Heim erstmal zu Mutti. Eine Helferin ist schon da, freut sich, das ich übernehme. Mutti liegt ganz fahl, saft- und kraftlos winzig klein im Kissen. Ich erklär ihr mein „Geschenk“: „Mutti, wollt ich mal ausprobieren, teil ich mit Dir. Fifty-Fifty, o.k.?“ Inzwischen ist Mutti nur noch Trinken aus Schnabelbecher gewöhnt, ich wußte von morgens, das da noch ein zweiter auf ihrem Nachttisch steht, ihr eigener, hatte ich damals von zuhause mitgebracht. Das merken sich die Schwestern. Erstmal Suppe. Klösschensuppe. Mutti schafft ungefähr zwei Drittel, ich frag immer, magst Du noch. Am Ende sagt sie dann: „Den noch.“ – Dann ist gut. „Möchtest Du mal den Smoothie probieren?“ (Becher hinhalten). Meinen hatte ich schon getrunken, immer wieder zwischendurch und erstaunlicherweise finde ich den lecker (Obstmischung, dominant Banane, yammi!). Mutti trinkt ungefähr drei Schluck. Verzieht wenigstens nicht das Gesicht. Ist einfach nur satt. Noch ein halber Teelöffel Nachttisch, dann geht gar nichts mehr. – Alles gut, Mutti. Essen soll doch nicht zur Qual werden! Lange klönen wir nicht mehr, mittags ist Mutti noch schneller müde. Ich geh dann noch in Elisabeths Zimmer, dekorier ihre „Geschenke“ auf ihrem Tisch, kann sie nicht übersehen und gehe. Ich hoffe, Elisabeth nimmt das an. Oder morgen hängt wieder was an der Türklinke. So eine selbstlose gute Seele! Und jetzt hab ich Kopfschmerzen… tse, da trink ich mal was Gesundes, also nee…
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Di 27 Feb 2018, 14:01 © Aggi | |
| 20180227 Dienstagmorgen: Zehn vor acht im Heim treff ich im Flur die gute Seele Elisabeth. Sie lacht mich gleich an, sie müsse mir erstmal das Geld wiedergeben. ^^ Ich schaffe es, dass sie die Sachen von gestern als Geschenk akzeptiert und freue mich, wie sie sich freut. Wir verabschieden uns wieder mit einer Umarmung. Mutti erzähl ich dann, wie wichtig es ist, sich solche guten Menschen vor Augen zu halten. Meist denkt man doch mehr an die doofen, denen man den kleinen Finger reicht und die einem dann gleich den ganzen Arm abreissen. Aber es gibt genauso auch die Guten! Vorher hatte ich noch Sr. Name-vergessen getroffen. Die hatte mir schon erzählt, dass sie Mutti heut früh die Haare gewaschen hat. (Was haben die nur mit dem Haare waschen??? Als ob es dafür Sonderpunkte gibt, wichtiger wäre eigentlich Fingernägel schneiden, aber wurscht, Ärgern macht nur hässliche Falten.) Ich erklär also auch ihr, dass Mutti wg. ihrem Herz das am besten nur noch einmal im Monat und nicht mehr im Bad. War aber eh im Bett, das ist gut! … jeder Schwester einzeln erkären … ich hab die Geduld! Mutti ist müde, aber schafft die Scheibe Brot. Das Waschen heut morgen fand sie auch nicht schlimm. „Ging ja so liegend im Bett. Mit einem Handtuch.“ – Wenn es für sie o.k. ist, ist es für mich auch o.k. Beim Reinkommen hatte Mutti noch ihren Wasserbecher in der Hand. Kein Wunder, dass sie heute den Kaffeebecher nicht schafft, mehr als trinken kann man nicht. Aber die ganze Scheibe Brot. Zum Schluß gehen ihre Augen zu, als schliefe sie schon beim Essen ein. Meint, ich könne ruhig schon gehen. „Ist doch so schön gemütlich, Mutti.“ Da klingelt eine Schwester und ruft schon beim Reingehen: „Ist sie noch da?“ – Ich weiß, dass ich gemeint bin und ruf fröhlich: „Nö, ich bin schon weg.“ – Die Schwester hat drei Unterteller mit Kostproben Kaiserschmarrn. Duften verführerisch. Mit Zimt und Zucker. Und Rosinen. Ist für mich und Mutti. Ich bin ganz perplex. Die Schwester freut sich über mein Gesicht. Mutti hat uns Kindern früher immer so auf einem Unterteller Kostproben ihrer Backkünste gereicht. Als sie dann Pflegefall wurde, haben mein kleiner Bruder und ich ihr dann immer Kostproben auf einem Unterteller in ihr Schlafzimmer gebracht. Ihre Augen haben dann immer so schön und hell geleuchtet. Zwar ist Mutti heut schon satt und müde, aber sie freut sich, wie sich mal die Aggi freut. Mutti ist nur ein winziges Stück – einfach nur satt und müde. Ich den ganzen Rest! (Frühstücke nie – mega-Kompliment an den Koch!!!). Leg extra noch einen Dankeschön-Zettel aufs Tablett, soviel Zeit muß sein. „Guck mal, Mutti, das leg ich der Praktikantin aufs Tablett.“ – Mutti lächelt und schläft beim Lächeln fast ein. Als ich gehe, höre ich aus dem Demenz-Frühstücksraum noch, wie dort die Schwester auch erklärt: „Das ist Pannekauken … nennt man auch Kaiserschmarrn …“ – Super-Idee!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 28 Feb 2018, 11:49 © Aggi | |
| 20180228 Mittwochmorgen: Ich bin so durchgefroren, daß meine Finger gar nicht tippen wollen und ich hab das Gefühl, wenn ich noch einmal mit den Füßen wackel, fallen die Zehen ab. Und das kam so: Heut morgen im Heim war alles schön! Im Flur wieder erst meine gute Seele Elisabeth getroffen, kurz geklönt, da gesellte sich Sr. M. dazu. Sagt Elisabeth zu Sr. M.: „Dich wollen wir gar nicht dabei haben.“ Bierernst. – Während ich noch große Augen mache, brechen beide in Lachen aus und umarmen sich. Herrlich!!! Sr. M. ist noch mit Mutti’s Wäsche zugange. Ich plauder mit Mutti, die sich freut, dass der kleine Bruder gestern angerufen hat. (Also bei mir, Mutti hat ja kein Telefon am Bett, will und kann sie nicht mehr.) Heute schafft sie sogar anderthalb Scheiben Brot und den ganzen Becher Kaffee. Sieht aber wieder so müde aus. Irgendwie wird sie jeden Tag weniger – oder werde ich jeden Tag wehleidiger? Ich wünsch mir letzteres. Zu Beginn des Frühstücks ist Mutti irritiert, weil für … wie heißt er noch? … meinen Mann nicht mitgedeckt ist. „Du, der schläft noch tief und fest. Das wäre Verschwendung.“ Da ist dann gut. Dann klingelt mein Handy. Die Nachbarin aus dem Heimatort. In Muttis Haus brennt noch die Dachbodenlampe. So lieb und ich werde heute diese vermaledeite Lampe erschiessen, die hat mich in all den Jahren schon mehrfach zur Weissglut getrieben! Wenn sie an soll, bleibt sie aus und umgekehrt… Also fahr ich nach dem Besuch bei Mutti weiter in den Heimatort, dann kann ich auch gleich mal wieder die Zähler ablesen. Wer weiß, wann es überhaupt mit dem Hausverkauf weitergeht, wahrscheinlich lauf ich am Rollator, wenn es so weit ist… Erstmal dreh ich die Glühbirne auf dem Dachboden raus, hab gleich die ganze Fassung in der Hand, wenigstens kein Dachbalken dabei, dieses Haus ist so morsch… und eise-kalt … ein seltsames Gefühl, da wieder durchzugehen. Ein Gefühl von … Nichts … nein, Nichts-mit-Gänsehaut trifft es besser … Will noch zu den Nachbarn, die sind leider nicht da. Inzwischen hat meine eigene Körpertemperatur gefühlte 30 Grad erreicht. Noch eben einkaufen. Zurück in mein eigenes zuhause, wo ich dringend noch Schneefegen muß, während mir der Wind durch die Klamotten bläst, dass ich mir ein Grizzlyfell wünsche. Meine Körpertemperatur liegt danach bei gefühlten 23 Grad. In den Fingerspitzen allerdings nur noch knapp über Null. In den Zehenspitzen knapp drunter. Eines Tages muß ich nicht mehr in dieses Haus fahren. Ich bilde mir nur ein, dort Nichts-mit-Gänsehaut zu empfinden. Am liebsten würde ich den ganzen Ort nicht wiedersehen. Für lange Zeit jedenfalls. Dabei kann weder das Haus noch der Ort was dafür, was da alles passiert ist… Nachtrag (als hätt ich’s im Urin…): Grad ruft die Betreuerin an, nächste Woche ist endlich der Termin für die Hausbesichtigung. Es geht voran mit dem Hausverkauf.
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| | | felixx Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 28 Feb 2018, 18:14 © felixx | |
| Hallo Aggi!
Siehste, manchmal lächelt auch das Universum oder der liebe Gott und es löst sich ein Problem von allein! Ich weiß sehr gut, dass das viel zu wenig passiert und man oft sich wie der Ritter von der traurigen Gestalt mit ( bürokratischen) Windmühlen herumschlagen muss.
Ich lese jeden Tag deine Berichte über deine Mutti: Nimm es mir nicht übel, aber ich wünschte, du würdest ab und an doch mal ( sehr, sehr vorsichtig und behutsam) versuchen, sie aus dem Schneckenhaus ihres Zimmers/ Bettes zu lotsen. Um Gottes Willen nicht bei dem Wetter, aber wenn die Tage wieder heller und wärmer werden - ich stelle mir dieses Nur- im- Bett- liegen grauenvoll vor. Das ist keinerlei Vorwurf! Weißt du, ich habe dieses ständige Nachgeben: Nein, Mutti, wenn du das nicht möchtest, dann musst du das auch nicht! Komm her, lass es! - auch immer gemacht! "Was? Du verstehst dich mit der Physiotherapeutin gar nicht? Die ist eine Schreckschraube? Dann gehen wir dort nicht mehr hin! Ich mach die Übungen mit dir zu Hause!" ( die Übungen fielen dann wegen: zu kalt, zu warm, Bodennebel, keine Lust, du warst heute so lange auf Arbeit aus - such dir was aus) Oder: "Was? Die Gehtrainerin lässt dich zu lauter Marschmusik straff gehen und das ist soooo anstrengend? Natürlich musst du das nicht mehr machen!" Das ganze noch durch ein paar Tränchen unterstützt und voila - schon konnte man in seinem sicheren Sessel sitzen bleiben. Bis dann die absolute Katastrophe passierte. Sicher ist vieles an der Situation bei euch anders, aber wenn im Heim schon Angebote sind, dann sollte man die auch nutzen. Meine Mutter hasst allles Laute und wenn zu viele Leute um sie herum sind ( eben weil sie es die letzten Jahre nicht mehr gewohnt war), also meide ich Faschingsfeiern, Tanztees, etc. Wellness- Tage hingegen, wo sanfte Massagen, Fußbäder, Packungen angeboten werden, liebt sie. Musste ich ( wir) auch erst ausprobieren, für mich immer ein Erlebnis, dass ich eben noch mit meiner Mutter haben kann, sodass sie nicht gänzlich aus meiner "realen" Lebenswelt verschwunden ist. Schwierig auszudrücken, was ich dabei fühle, ganz schwierig. Ich hoffe, du fühlst dich nicht gemaßregelt oder so, das wollte ich keinesfalls.
Liebe Grüße Felixx
Nur weil es gerade schwer ist, darfst du nicht gleich aufgeben. Es wird nicht einfacher, wenn du davor wegläufst. |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 01 März 2018, 04:47 © Aggi | |
| Liebe Felixx, keine Sorge, ich bin Dir dankbar für Deine Zeilen - jedes einzelne Wort! - felixx schrieb:
- Ich lese jeden Tag deine Berichte über deine Mutti: Nimm es mir nicht übel, aber ich wünschte, du würdest ab und an doch mal ( sehr, sehr vorsichtig und behutsam) versuchen, sie aus dem Schneckenhaus ihres Zimmers/ Bettes zu lotsen.
Um Gottes Willen nicht bei dem Wetter, aber wenn die Tage wieder heller und wärmer werden - ich stelle mir dieses Nur- im- Bett- liegen grauenvoll vor. Das ist keinerlei Vorwurf! Gestern, noch beim Waschen am Bett, meinte auch Sr. M. zu Mutti, als ich Mutti wieder die Grüße von Elisabeth ausrichtete, dass sei doch eine tolle Möglichkeit, mit dieser Freundin "draußen" mal was gemeinsam zu unternehmen. "Natürlich nicht bei dieser Kälte." - Ich hätte Sr. M. küssen können, für diesen Vorstoß. Mutti lächelte nur. Das Damoklesschwert über Mutti ist ihr Herz... 2015 malte mir der Chefarzt der Kardiologie auf einem gelben A4-Blatt eine Skizze zu ihrer Herzklappenverengung. Während der Durchlass bei gesunden Menschen 2,5 bis 4 cm ist, ist er damals bei Mutti nur noch 0,5 cm gewesen. Weshalb ihr auch so schnell so viel schwindelig wird. Sie immer so müde ist. Wenn es wärmer wird, will ich es nochmal versuchen. Ich hatte ihr ja längst auch Anziehklamotten für den Rollstuhl mitgebracht, es ist alles da, was sie dazu bräuchte. Ein guter Anschupser von Dir, liebe Felixx, auch wenn ich ehrlich zugebe, jetzt hab ich zugleich wieder Hoffung UND Angst - ist einfach nur ehrlich. Ich hab ihr versprochen, dass sie nie mehr etwas gegen ihren Willen machen muss, denn das mußte sie ihr Leben lang ... ein Drahtseilakt, vor dem ich sogar GROSSE Angst habe. Allein die hässlichen Gefühle, die mich gestern überrannten, bloss, weil ich wieder in dem Haus war, wo so hässliche Dinge passiert sind ... der Mutti ... mir ... aber Du hast Recht, Felixx. Und wie schön wäre es, würde es endlich wärmer werden. Einmal, nur einmal mit Mutti im Rollstuhl durch diesen schönen Innenhof rollern, ich würde das soooo gerne mal. Müssen wir nicht mal aussenrum, geht direkt durch ihre Terrassentür... Danke, liebe Felixx, ich brauch sowas! Aggi
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 01 März 2018, 12:17 © Aggi | |
| 20180301 Donnerstagmorgen: Minus 10 Grad heut morgen, nicht mal mein Auto hat Lust, anzuspringen, läßt sich aber überreden. Ein Isländer würde sich wahrscheinlich über mein wehleidiges Gesicht kaputtlachen… Bei Mutti ist noch die Wäsche zugange und ( mein Herz hüpft) Mutti sitzt auf dem Nachtstuhl! ( Auf ihrem eigenen, der nicht wegrollen kann – ich freu mich so, daß auch die Schwestern ihn benutzen, ist doch praktischer als der mit den Rollen!). Ich kann dann helfen, Mutti wieder aufs Bett zu bugsieren ( der Nachtstuhl steht direkt neben dem Bett, aber auch das ist ein Akt, Mutti kriegt die Beine, Füße gar nicht mehr bewegt), aber zu zweit geht das ganz gut. Die Schwester lacht, sie weiß von Mutti, dass Mutti Krankenschwester war. Während der Restwäsche erzähl ich von Muttis Staatsexamen, wo Mutti und ihre Freundin zwei Wochen vorher die Lehrbücher mit Geschenkband umwickelt und dann weggelegt haben. „Was wir bis jetzt nicht gelernt haben, lernen wir auch nicht mehr.“ Es wurde ein Staatsexamen mit Eins! – Mutti strahlt, die Schwester freut sich. Dann sind wir allein und ich erzähl von der jüngsten SMS vom kleinen Bruder. Schneechaos in England, er hatte so kalte Finger, dass er nur A (mich), Mi (meinen Mann) und Mu (Mutti) grüssen ließ. Mutti lacht. Mit dem kleinen Bruder kann ich sie immer glücklich machen. Zum Frühstück frag ich wieder mal: „Du Mutti, wo Du so schön auf dem Nachtstuhl gesessen hast – möchtest Du nicht mal wieder auf der Bettkante frühstücken?“ – Schon beim Wort „Bettkante“ kommt wieder Muttis Mikroausdruck, voll von Abwehr, sagt mit Worten: „Ach, lass mich liegen.“ – Der Ausdruck sagt alles. Also liegend frühstücken, aber heute klaubt Mutti selbst jedes Stück Brot vom Teller. Ist zwar mehr ein Ertasten und hinterher mach ich ihr die Finger und Fingernägel sauber, aber egal, jede Bewegung zählt. Während das Tablett, der Tablettwagen noch vor ihr steht, weil sie viel Zeit braucht, um auch noch den Kaffee aufzutrinken, frag ich ca. 5 Minuten, nachdem sie das letzte Stück Brot hatte, ob ihr das Brot denn gereicht hat. „Oder soll ich nochmal in die Küche laufen?“ – Mutti: „Nein, gibt ja bald schon wieder mittag.“ Und fügt dann hinzu: „Ich lieg ja nur noch. Ich kann gar nicht mehr so viel. Was die mir heut morgen gebracht hatten, hab ich gar nicht geschafft.“ Dergl häuft sich jetzt. Auch, dass sie, wenn ich mit dem Tablett aus dem Dienstzimmer komme, jetzt seit ca. 3 (?) Tagen fragt, ob „für die andern“ – mal meinen Mann – heute fürs Personal, auch was dabei ist. Ich sag dann ganz ruhig, heute ist für Dich, Mutti, alles Deins, eine Scheibe Brot und Kaffee. Dann ist gut. Ich hab Mutti noch gefragt, sag mal, ist Dir eigentlich auch langweilig, wenn Du den ganzen Tag nur im Bett liegst? – „Nein, überhaupt nicht.“ Und das es gut ist, dass sie nichts tun muss. Das hat sie noch betont. So gelassen und zufrieden. Hauptsache, nichts tun.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 01 März 2018, 16:50 © gisela | |
| liebe aggi - Zitat :
- (der Nachtstuhl steht direkt neben dem Bett, aber auch das ist ein Akt, Mutti kriegt die Beine, Füße gar nicht mehr bewegt),
für solche transfers gibt es drehscheiben. die werden auf den boden gestellt, und wenn der bewohner die füße drauf stellt, kann die hilfsperson den bewohner drehen, ohne das dieser seine füße bewegen muss. erleichtert solche transfers ungemein. vielleicht hat das heim so eine scheibe, wenn nicht vielleicht die krankengymnasten . https://www.claravital.de/Drehscheibe?gclid=EAIaIQobChMIw9e94r3L2QIVBjwbCh3fMAq8EAQYASABEgI0QvD_BwE
lieben gruß gisela mein Vorbild ?....der Löwenzahn...wenn er es schafft durch Asphalt zu wachsen...kann auch ich scheinbar unmögliches schaffen |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 01 März 2018, 18:58 © Lina | |
| Ich bekomme meinen Mann nicht auf die Drehscheibe. Obwohl er sonst nicht die Füße hebt, sieht er die Scheibe als etwas Fremdes an und steigt darüber. Genau so geht es mit der Waage. Wir können nur noch die Oberarmmessung machen. Ich kenn mich da nicht so gut aus. Was bedeutet 22,5cm bei ihm ?
Lina |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 02 März 2018, 05:22 © Aggi | |
| Liebe Gisela, - gisela schrieb:
- für solche transfers gibt es drehscheiben. die werden auf den boden gestellt, und wenn
der bewohner die füße drauf stellt, kann die hilfsperson den bewohner drehen, ohne das dieser seine füße bewegen muss. erleichtert solche transfers ungemein. Whow, jetzt weiß ich endlich, wofür DIESE Drehscheiben sind! Bislang kannte ich nur die für den Stuhl, hab Mutti in den letzten Jahren immer welche gekauft, weil sie früher damit vom Stuhl besser hochkam, bis sie dann halt leider nur noch lag. Hab Deinen Link gespeichert und frag heut mal nach. Und liebe Lina, andere können das bestimmt besser erklären, aber vielleicht kann ich auch ein bißchen weiterhelfen: - Lina schrieb:
- Ich bekomme meinen Mann nicht auf die Drehscheibe.
Obwohl er sonst nicht die Füße hebt, sieht er die Scheibe als etwas Fremdes an und steigt darüber. Genau so geht es mit der Waage. Wir können nur noch die Oberarmmessung machen. Ich kenn mich da nicht so gut aus. Was bedeutet 22,5cm bei ihm ? (dort aus Tabelle 1:) Alternative Messungen für Körpergrösse und Körpergewicht - Zitat :
- Weder Größe noch Gewicht können gemessen werden:
Messung des Oberarmumfangs (OAU) links auf halber Höhe zwischen Acromion und Olecranon. Ein OAU < 23,5 cm spricht für einen BMI < 20 kg/m (Untergewicht), ein OAU > 32,0 cm für einen BMI > 30 kg/m
Gewichtsverlauf kann nicht bestimmt werden: Oberarmumfang (OAU) im Verlauf messen. Ändert sich der OAU um mindestens 10 %, haben sich Gewicht und BMI wahrscheinlich um ungefähr 10 % oder mehr verändert. Wieviel genau das bei Deinem Mann jetzt ausmacht, hab ich jetzt nicht raus, nur diesen Link gefunden, aber ich denke, wichtiger ist, im Auge zu behalten, ob und wie die Schwankungen sind?! Falls Du noch einen BMI-Rechner suchst: http://www.bernhard-gaul.de/BMI-Rechner/bmi-rechner.php Aber nicht von den Zahlen verrückt machen lassen... Alles Liebe Euch beiden, Gisela und Lina, Aggi
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 02 März 2018, 12:54 © Aggi | |
| 20180302 Freitagmorgen: Den ganzen Morgen denk ich, wir haben schon Samstag und wunder mich, dass mein Mann nicht aufsteht, der wollte heute Freunde besuchen. Naja, wir haben immer noch minus zehn Grad, da wollt ich auch nicht fahren. Im Heim treff ich im Flur meine gute Seele Elisabeth mit Muttis Zimmernachbarn und bibber den beiden schon von weitem lachend entgegen: „Brrrr, wir haben minus zehn Grad!“ – Muttis Zimmernachbar lacht mich charmant an und sagt, da sei ja noch gar nichts. Er hätte noch die Kriegswinter mitgemacht. Sein Opa hätte ihm da gesagt, es waren minus 30 Grad! – Ich schlag meine Hände vors Gesicht und gestehe, ich geh zum Schämen mal ne Runde in die Ecke. Wir lachen zusammen. Mutti liegt mit glänzend rotem Gesicht im Bett. Ich bewunder ihre „Rotbäckchen“. Mutti: „Ja, die waren schon da zum waschen.“ – „Du siehst so schön aus mit den roten Wangen, Mutti!“ Mutti freut sich. Als ich sie zuhause noch pflegte, hat sie mir nie erlaubt, sie einzucremen, dabei hatte sie immer so eine furchtbar trockene Haut. „Laß mal, Kind.“ – Und Kind ließ mal… Die Schwestern sind da rigoroser und das ist gut so! Daher grad die gesunde Gesichtsfarbe. Also wie immer erstmal klönen, neue Nachricht vom kleinen Bruder aus England. Die Wetterlage war da so bescheiden, dass sie vorzeitig nach Hause gefahren sind. Hoffentlich liegen sie grade im Bett und schlafen sich aus. Diese Behördengänge dort für die Mutter seiner Freundin sind das Gegenteil von einem Zuckerschlecken! Zum Frühstück heute trinkt Mutti nicht nur den Kaffeebecher leer, möchte danach auch noch Wasser. Gut. Ich hätte ihr auch noch Kaffee geholt, aber da hat sie immer Angst, sie kann dann Nachts nicht schlafen. Kurz vor Ende der Scheibe Brot kommt die Pflegedienstleiterin. Begrüßt uns beide sehr lieb, meint, sie hätte sich die Woche leider rar gemacht, weil sie soviel Papierkram aufarbeiten musste. Geht wie immer ums Bett, um dicht bei Mutti mit ihr zu reden. Jetzt begreif ich endlich, dass wir noch Freitag haben, sonst wär die PDL nicht da… Bei der Gelegenheit kann ich sie gleich wegen dem Drehteller fragen. Ja, so einen haben sie, allerdings würden die wenigsten Bewohner damit klarkommen (weil der sich dreht, würden sich die meisten noch unsicherer fühlen. Das hab ich schon geahnt, aber wer nicht wagt…). Sie legt eine Notiz ins Fach für die Schwestern. Mal ausprobieren. Grad, wo ich Mutti das erklären will, klingelt es wieder. Heuer ist Taubenschlag. Da kommt doch tatsächlich Elisabeth zu Besuch!!! Läßt einen Moment auch ihren Gehwagen los und geht, sich am Bettgitter abstützend, zu Mutti, um ihr die Hand zu schütteln. Und drückt mir ein Holzherz in die Hand. Ich kann sehen, das Elisabeth das schwer fällt. Mein ganzer Körper besteht aus Gänsehaut – vor Glück! Elisabeth ist auch schnell wieder raus. Mutti ist ganz verdattelt. Aber ich erklär Mutti „flüsternd“, was das bedeutet. Und Mutti freut sich. Während ich ausprobiere, wie ich das schöne Herz für Mutti sichtbar an die Wand bringen kann, klingelt es schon wieder. Mei, ist denn heute Feiertag?! Schwester S. kommt mit einer dicken Glaskumme und Gläsern. Ob wir Buttermilch mit Banane mögen? Mutti verzieht gleich das Gesicht und ich sag auch sofort, für mich nicht. Dann korrigier ich mich: „Doch, laß mich mal probieren, neulich hab ich erst gelernt, dass ich auch Smoothie mag. Weißt Du noch, Mutti, wo wir Smoooooooothie getrunken haben?“ – Mutti verzieht wieder das Gesicht, wir lachen, Mutti auch. – Ich bin froh, dass ich doch probiere, denn es schmeckt lecker. Frag Mutti, ob sie mal riechen möchte, es riecht so gut. Riechen ja, probieren nein. Sr. S. erzählt, dass sie jetzt zweimal die Woche auch Mutti und den anderen Bewohnern Pfannekuchen, Kaiserschmarrn bringen. Hätte Mutti so gut geschmeckt. – Mutti lächelt. Und ich kann Sr. S. erzählen, wie uns Mutti früher immer dergl auf dem Unterteller als Kostproben brachte (so wie neulich Sr. G. uns das brachte), schöner als jede Süßigkeit der Welt. Sr. S. versteht gleich, ja, das sind diese besonderen Erinnerungen. Und Mutti strahlt. Und kaum ist Sr. S. draußen, klingelts schon wieder, Mutti und ich lachen – nü kommt noch eine Küchenschwester, das Tablett abholen. Rein und raus, aber nicht, ohne herzlich zu grüßen. Mutti meint, die sind immer so schnell. Sag ich, naja, die mit den weißen Schürzen, Mutti, kommen aus der Küche. Die müssen doch so schnell, weil sie doch ihre Zeitpläne fürs Essen haben. Das versteht Mutti. Sie hat gefühlt jahrhundertelang für 7 Personen gekocht. Das geht nicht ohne straffe Organisation. Und dann ist Mutti richtig uppe. Kann ich nachvollziehen, mir rauschen auch die Ohren. Heute war was los – aber sooooooo lustig! Zuhause angekommen, den Wagen grad in die Garage gestellt, seh ich gegenüber unsere Vermieterin und grüße sie gleich: „Wie geht es Dir, Maria?“ – Als hätt ich einen Knopf gedrückt, schüttet mir Maria ihr Herz aus. Am Ende nehm ich sie in den Arm, sie drückt mich so fest, ich hab einen Kloß im Hals. Sie mußte mal ne Menge rauslassen. Wird immer nur gefordert und gefordert und gefordert. Was mich neben der Sorge um Maria berührt, war, dass sie nur in einem Zwischensatz sagte, "und da hab ich den ganzen Tag nur geheult". Ansonsten war es eigentlich die Aufzählung der Sorgen ihrer erwachsenen Kinder und ihres Mannes, um die sie sich kümmert. Und für sie selbst bleibt der Nebensatz, "und da hab ich den ganzen Tag nur geheult, warum weiß ich auch nicht."
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 02 März 2018, 21:09 © Admin | |
| - Lina schrieb:
- Obwohl er sonst nicht die Füße hebt, sieht er die Scheibe als etwas Fremdes an und steigt darüber.
Wenn die Scheibe dunkel ist, dann könnte es sein, das dein Mann diese als schwarzes Loch wahrnimmt. Und wer würde schon in so ein Loch treten wollen. Vielleicht würde es funktionieren, wenn die Scheibe hell wäre, oder den sonstigen Bodenfarben angepasst? Wäre auf jeden Fall ein Versuch wert Liebe Aggi, da geht mir immer wieder das Herz auf, wenn ich von deinen Besuchen bei deiner Mutter lese
Liebe Grüsse
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| | | Aggi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Sa 03 März 2018, 04:37 © Aggi | |
| - Admin schrieb:
- Liebe Aggi, da geht mir immer wieder das Herz auf, wenn ich von deinen Besuchen bei deiner Mutter lese
Danke, liebe Ursula, das tut mir grad gut! LG, Aggi
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| | | gisela Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Sa 03 März 2018, 13:35 © Aggi | |
| 20180303 Samstagmorgen: Bei uns auf der Terrasse heut früh minus 8 Grad, also zwei Grad weniger als gestern. Aber ein Dorf weiter, wo Mutti im Heim ist, sind’s immer noch minus 10. Sollte es nicht wärmer werden???Im Flur im Heim grüßt mich schon freundlich eine Schwester, ob ich das Tablett für Mutti schon mitnehmen möchte? Ich sag wie immer, ich klön erst noch mit ihr. „Sie wissen ja, wo es steht.“ Mutti ist ganz erstaunt, dass ich jetzt erst komme. Es ist zehn vor acht, meine Eintreffzeit, aber wurscht. Ich freu mich, dass sie sich auf mich freut! – Sie sagt mir, Frühstück müsste auch gleich kommen! „Hast Du schon Hunger, Mutti.“ – „Nein.“ Hab schon gesehen, dass heut morgen ein Drehteller auf Muttis Nachtstuhl an der Wand liegt: Da Mutti noch kein Hunger hat, zeig ich ihr erstmal den Drehteller. Erklärbär ihr die Funktion. Leg ihn auf den Boden, steig drauf und mach den wilden Twist: „Guck mal, Mutti, der rutscht kein Zentimeter. Und der hält richtig Gewicht. Selbst wenn Du doppelt soviel wiegen würdest.“ Mutti lacht, weil ich twiste. Bleibt natürlich skeptisch. „Für mich ist das nichts.“ ( Hätte mich gewundert, hätte Mutti jetzt gesagt, oh prima, das möcht ich auch mal… aber ich hoffe auf die „Macht“ der Schwestern und jetzt hat Mutti das Ding immerhin schon mal gesehen!) Als ich dann im Dienstzimmer das Frühstückstablett hole, kommt eine Praktikantin rein: „Das ist so schön, dass sie ihrer Mutter das Tablett bringen!“ – Sag ich: „Och, das mach ich doch jeden Morgen, mach ich doch gerne.“ – „Aber heute sind wir eine weniger. Und ich bin nur die Praktikantin.“ – Die Grippewelle hat wieder zugeschlagen… Ich werde heut mittag nochmal hinfahren. Eine Hand wäscht die andere. Außerdem schafft Mutti heute anderthalb Scheiben Brot!! Sie sagt natürlich, ich muß heut Mittag nicht wiederkommen. „Mutti, ich bin doch so gerne bei Dir.“ Da lächelt sie wieder. Drum bitten tät sie aber wohl nie. Aber sie ist heut so schön klar, ihr einziger „Versprecher“ ist einmal eine Wortverwechselung. Mehr nicht. Ein guter Tag. ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180303 Samstagmittag: Bin zwanzig nach elf im Heim. Draußen in der Flursitzgruppe ist richtig was los. Alle Augen gleich auf mich gerichtet. Sag ich laut: „Moin! Draußen weht soooo ein scharfer Wind (geh dabei bibbernd in die Knie), aber die Sonne lacht.“ Allseits interessierte Gesichter. Ich winke und geh zu Mutti. Hätte doch nicht kommentarlos da vorbeigehen können, viele kennen mich schon vom Sehen, haben schon mit mir Worte gewechselt. Mutti freut sich, mich zu sehen. Ob ich … na, wo denn … schon geschlafen habe? – „Mutti, ist jetzt kurz vor halb zwölf, gleich gibt’s wohl Mittagessen. Dachte, ich komm nochmal, wo doch heute eine Schwester krank ist.“ Etwas später fragt mich Mutti, ob ich … na, wo denn … da mit dem Personal, also die Personalakte schon besprochen habe. Auch das krieg ich mit harmlosen Sätzen in die Kurve. Irgendwie geht das immer. Mutti ist mittags abgebauter als am Morgen. Ich sag, ich will mal in die Heimzeitung schaun, die seit gestern oder vorgestern auf ihrem Wohnzimmertisch liegt. Beschreibe Mutti, was so drinnen ist. Zwischendurch auch mit Zeigen, aber die Fotos kann sie kaum erkennen. Mag aber, wie ich die Inhalte („Kiek, hier werden mit schönen Fotos die neuen Schwestern vorgestellt.“) beschreibe. „Ach nee, da hat die Nachtschwester geheiratet. Großes Bild, sie im Brautkleid. – Obwohl, Mutti, ich glaub kaum, dass die jemals zu Dir im Brautkleid kommt.“ Mutti lacht. „Und hier ist eine Liste mit den kommenden Geburtstagen der Bewohner. Isses denn, Dein Zimmernachbar hat heute Geburtstag!“ Dann kommt schon die Praktikantin mit dem Essenstablett. Heute gibt’s Eintopf und Schoko-Caramell-Pudding. Im Eintopf, auf dem Teller eine halbe Bockwurst, kleingeschnitten. Grad so eben schafft Mutti dann auch, die aufzuessen. Den Eintopf fütternderweis durch mich. Die Koordination geht nicht mehr. Morgens beim Brot kann sie ja mit den Fingern essen. Sie hat kaum Hunger aber ich freu mich, dass ich sie überreden kann, immerhin soviele Löffel, wie Bockwurststücke auf dem Teller sind zu essen. Immerhin. „Guck mal, da ist noch Schokopudding.“ Ich halte ihr die Schale hin. Bei dergl und auch bei anderen Dingen frage ich mich immer wieder, was sieht sie eigentlich noch. So, wie sie die Schale anfasst und dreht, eigentlich so gut wie nichts. Will dadurch aber einen Löffel probieren. Aber nur einen. Es werden dann fünf Teelöffel, bis dann endgültig gut ist. Nach dem Tisch abräumen und dem täglichen jetzt-das-Kopfteil-wieder-runter und jetzt noch das Bett wieder auf Meereshöhe bringen (ganz runter fahren), ist Mutti restlos zufrieden. Ich schlag noch vor, ihrem Zimmernachbar ( wir hören ihn ja täglich, ich sehe ihn fast täglich – das wächst ans Herz) noch die eine geschlossene Packung Mini-Rittersport zu schenken. Findet Mutti gut, das Geschenk ist dann von uns beiden. Da klingelt es noch. Eine mir unbekannte Schwester stellt sich vor. Ist sonst oben, macht heute unten Vertretung, weil Sr. V. krank ist. Sieht selber aus, als käme sie grade aus dem Krankenbett, ist aber wahnsinnig lieb. Räumt erst das Tablett raus, ich hatte mich schon von Mutti für heute verabschiedet und bin schon im Gehen, da bekomme ich noch mit, wie die Schwester noch wieder zu Mutti reingeht und sie lieb fragt, ob sie nach was braucht. Mutti's Zimmernachbar finde ich im Speisesaal. Das er da mittags ist, hatte ich früher schon mitgekriegt. Geh mit der Schoko-Packung auf ihn zu. Er sitzt da ganz in sich gekehrt. „Hallo, Herr S., ich hab gehört, dass Sie heute Ihren 50.Geburtstag feiern. Ich wollte gratulieren.“ Grins ihn an. Erst verdattelt, dann strahlt er. Meint, heut früh hätt er noch gedacht, er müsste ins Krankenhaus. Meine gute Seele Elisabeth mit ihrer herzlichen, rauhen Stimme gleich: „Nix da, bei Dir ist alles in Ordnung. Du musst heut nachmittag zwei Geburtstagstorten essen!“ Ich schenke Herrn S. die Schoki-Packung von Mutti und mir. Er meint, dass müsse doch nicht sein. Sag ich, wenn so ein gutaussehender junger Mann Geburtstag hat, machen meine Mutter und ich von Herzen gerne Geschenke. Er lacht über sein ganzes Gesicht und fragt, ob meine Mutter denn auch hier sei ( zeigt so im Speisesaal in die Runde). Noch bevor ich antworten kann, dröhnt Elisabeth: „Nein, H., das kann sie nicht, aber sie ist auch hier im Haus.“ ( Die beiden kennen sich gut.). H. freut sich richtig über das Geschenk. Ich soll auch Mutti seinen Dank ausrichten. Im Gehen seh ich, dass Elisabeth, an ihrem hohen Gehwagen eine Mitbewohnerin im Rollstuhl rausschieben will. Ich halte beiden die Tür auf. Was wird nur aus den Bewohnern, wenn Elisabeth mal nicht mehr ist – sie kümmert sich um alle!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 04 März 2018, 09:38 © Aggi | |
| 20180304 Sonntagmorgen: Heureka, heut morgen nur knapp minus 3 Grad und das trifft sich gut! Als ich zehn vor acht beim Heim ankomme, bleibt nämlich die Tür verschlossen… Ich benutze immer die Haupteingangstür, die schwingt von alleine auf, wenn man drauf zugeht. Heute nicht. Hat sich schon angekündigt, seit den kalten Tagen mackte sie so vor sich hin. Auf-zu, auf-zu. Durch ein Fenster seh ich meine gute Seele Elisabeth, die schon mit dem Kopf schüttelt und mit den Schultern resignierend zuckt. Ich mach ihr ein Zeichen, dass ich außen rum gehe. Den Seiteneingang, den ich immer die Schwestern benutzen sehe. Elisabeth empfängt mich da schon. Sie hätte heut früh schon eine halbe Stunde draußen ausgesperrt gestanden. Von innen geht die Tür nämlich noch auf. Als sie aufgeraucht hatte, und wieder reinwollte, ging dann nichts mehr. Mußte sie mit ihrem großen Gehwagen aussen rum. Eine Schwester hätte sie aber auch noch nicht drauf ansprechen können. Kunststück, um diese Zeit haben die Schwestern Hauptkampfzeit. Bewohner wecken, waschen, anziehen, Medikamentenausgabe. Ich leg am Pflegestützpunkt einen (hoffentlich) freundlichen Zettel hin mit soundso und Liebem Gruß. Weiß ja, dass die Schwestern den Haupteingang gar nicht benutzen, können das also noch gar nicht mitbekommen haben. Bei Mutti war die Wäsche schon durch. Mutti wirkt matt heut morgen. Ich erzähl ihr von der Tür und richte das Dankeschön aus, dass gestern ihr Zimmernachbar ausrichten ließ. So vergehen auch schnell zehn Minuten. „Was meinst Du Mutti, dann hol ich mal Frühstück.“ – Mutti meint, das hatte sie schon, aber ich sag, ich geh mal nachschauen. Heute gibt’s Weißbrot mit Kochschinken, sieht total lecker aus und Mutti schafft die ganze Scheibe Brot. Neuerdings achtet wer in der Küche drauf und schneidet Mutti die Brotkanten ab. Kaut sich leichter für sie. Aber den Kaffee schafft sie nicht ganz. Klimpert schon bei den letzten Stücken Brot so mit den Augen, als schliefe sie gleich ein. Und dann kommt doch echt noch die liebe Schwester von gestern extra zu uns, um zu sagen, dass mit der Tür sei erstmal soweit behoben, im Moment bleibt die äußere Tür jetzt vorläufig ganz offen stehen, so dass man wenigstens rein und rauskann. Ich sag der Schwester, dass es mir aber gar nicht um mich ging, sondern um die Bewohner – mei, kommt die extra noch zu uns… Ich klöne noch mit Mutti, sie schläft schier beim Zuhören ein und hänge noch neue Nachthemden auf Bügel. Dabei fällt mir auf, das eins fehlt, das finde ich im Bad, benutzt. Nehm das dann beim Gehen mit, draußen sind um die Uhrzeit noch die Wäschekörbe. Als ich vor denen stehe und noch nachlese, in welchen von den vieren jetzt das Nachthemd gehört, meint hinter mir dieselbe liebe Schwester von vorhin: „In den gelben.“ Die Sekunde, wo wir auseinander gehen, kann ich mich nochmal bedanken, wie lieb und hilfsbereit alle immer sind. Sie meint lächelnd, wir tun unser Bestes. Ja, das sehe ich jeden Tag, wenn ich von Mutti gehe und sie mir noch hinterher lächelt. Würde sie sich dort nicht wohlfühlen, würde sie nicht lächeln.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mo 05 März 2018, 10:57 © Aggi | |
| 20180305 Montagmorgen: Zehn vor acht beim Heim – die Tür funktioniert wieder. Beim Eintreten strahlt mir schon meine gute Seele Elisabeth entgegen, sie hätte gestern noch geschimpft, dass ginge ja man gar nicht, dass die Tür den ganzen Tag offen steht. Sie kann auch sehr energisch, aber immer mit einem Augenzwinkern. Und dann fragt sie zaghaft, ob ich ihr heute vielleicht einen Gefallen tun könnte. Aber wenn nicht, wäre auch gut… Heute hat wieder wer Geburtstag, ob ich ins Dorf komme und ihr Blumen besorgen kann? – Kein Problem, mach ich gerne. Und noch Haferflocken, und Sonnenblumenkerne. Für die Vögel. Und Nussstangen. Elisabeth: "Ich bin gut zu Vögeln, aber das kann man auch falsch verstehen." Weil ich mich kenne, bitte ich nur drum, dass sie mir einen Einkaufszettel schreibt. Sie will mir Geld mitgeben und ich muß versprechen, damit nicht durchzubrennen. Ich seufze traurig: „Ach Du Spielverderber, dann wird ja wieder nix aus meinem Traum von den Malediven…“ – Wir lachen und Mutti soll auch eine Tulpe von Elisabeth bekommen. Ich freu mich, dass dadurch Elisabeth nachher noch zu uns ins Zimmer kommt. Abwechslung für Mutti. Mutti freut sich, mich zu sehen. Und das wir endlich über null Grad haben. Sie mag auch kein kaltes Wetter. Ich frag nach, wie ihr Sonntag war. "War denn Besuch?" – Mutti muß grübeln, nein, kein Besuch. „Ich lieg hier ja so gut.“ Sie vermisst auch nichts. Nur mir versetzt es wieder einen Stich. Diese Schwestern, grosse Töne und nichts dahinter. Ihnen würde doch kein Zacken aus der Krone brechen, der eigenen Mutter mal eine halbe Stunde Abwechslung zu bieten, aber neeeeee…. Zum Glück kommt in meine trüben Gedanken schon Elisabeth. Drückt mir 40 Euro und Einkaufszettel in die Hand. Den Rest soll ich behalten. ( Ich denk bei mir, darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. ^^) – Elisabeth und ich scherzen und Mutti lacht so entspannt. Das ist unbezahlbar! Elisabeth kommt nach einer Minute sogar noch einmal zu uns, diesmal bringt sie noch eine kleine Vase, vorsorglich. Für nachher, wenn die Mutti ihre Blume bekommt. Mutti lächelt von einem Ohr zum andern. Ihr gefällt, wie Elisabeth und ich rumalbern. Elisabeth’s Art gefällt ihr gut. Das Frühstück dann wie immer liegend. Mutti wird sich wohl nicht mehr auf die Bettkante setzen. Aber sie schafft die ganze Scheibe Brot und den Kaffee. Bei dem Tablettenbecher fragt sie dann, ob sie den bis morgen stehen lassen soll. Ich sag ruhig: „Am besten jetzt. So aus dem Becher trinken.“ ( Mutti hatte die sonst immer in die Hand genommen, aber dabei verliert sie die jetzt neuerdings immer und merkt gar nicht, dass sie sich nichts in den Mund geführt hat. Aus dem Becher „trinkend“ geht gut. Ich sag es ihr jetzt jeden Morgen an. Das funktioniert.) Nach „unserer“ Stunde mach ich mich auf dem Weg und hör noch im Rausgehen aus dem Frühstücksraum der dementen Bewohner, wie die neue Bewohnerin „Hallo“ ruft. Weiß nicht, wie das heißt, sie ruft andauernd „Hallo“. Sie ruft also „Hallo“ und dann hör ich den anderen Bewohner, der immer sehr renitent redet – ohne Punkt und Komma: „Nix mit Hallo. Hier ist kein Hallo.“ – Dann ist Ruhe. Klingt aber nicht schlecht. Ich frag mich im Gehen, ob diese Bewohner sich so unbewußt auch selbst „therapieren“ können? Im Dorf hab ich Glück. Im „preiswert“-Laden bekomm ich gleich die 4 Sträuße Tulpen für Elisabeth, Stückerl 1,99, und noch dazu so schöne! Mit Haferflocken, Vogelfutter, Tempos und noch in den anderen Laden, ob die vielleicht Sonnenblumenkerne haben, komm ich auf unter 15 Euro. Zurück mit meiner Curverkiste im Heim winkt mir vom Flurende schon Elisabeth zu, ich solle schon vorgehen. Ist begeistert von meiner Auswahl. Das Restgeld hab ich ihr mit Kassenbons schon auf den Nachttisch gelegt. Elisabeth will erstmal, dass ich eine Tulpe für Mutti aussuche. Nein, sie erhöht auf einen ganzen Strauß. Ich feilsche sie runter auf eine Tulpe (mag Mutti viiiiiiiiel lieber, nur ein kleines Glas mit nur einer Blume!). Elisabeth hat schon ihr Windmühlenmesser gezückt, ich geh in Deckung, da sieht Elisabeth das Wechselgeld: „Also fünf Euro mußt Du Dir noch einstecken.“ Ich versuch noch, zu widersprechen, aber sie hat das Messer in der Hand und ich ahne, dass ich sonst ihren Stolz verletze. Ich hätt’s auch für umsonst gemacht, ich hab doch die Zeit und mir macht es Spaß. Aber sie meint, notfalls wagt sie dann auch, mich irgendwann nochmal um einen Gefallen zu bitten. Sie kann doch nicht mehr selber einkaufen gehen… Dann noch mit der Tulpe zu Mutti. Die war schon wieder am schlafen und hatte das irgendwie schon wieder vergessen, aber freut sich. Wir klönen noch und dann laß ich Mutti weiterschlafen. Sie lächelt, als ich gehe. Ich auch.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 07 März 2018, 04:51 © Aggi | |
| 20180306 Dienstagmorgen: Heut mal Tagebuch der andern Art, weil ich uppe bin………… Morgens um halb drei schon wach geworden, schlecht geschlafen, weil heute vormittag um zehn Uhr dann endlich die Hausbesichtigung mit Betreuerin und Makler im Elternhaus stattgefunden hat. Vorher morgens zu Mutti die Stunde war wie immer schön. Keine besonderen Vorkommnisse, Mutti hat ihr Frühstück geschafft, sogar das Frühstücksei, das es heut morgen gab. Mutti erzählt, ich besuch noch die alten Nachbarn, die würde ich von ihr grüßen. Dazu hat Mutti gelächelt. Dann im Heimatort erst noch zum Famila, Sonnenblumenkerne für Elisabeth bekommen, wie schön. Weiter zum Elternhaus. Alles eise kalt. Im Wohnzimmer doch mal die Heizung an, den Tod holen wollte ich mir da heut doch nicht. Weiter zu den Nachbarn. Die hatten noch den Garagenschlüssel. Eine schöne halbe Stunde da noch geklönt. Die Nachbarin hat ihre eigene Mutter zehn Jahre bei sich im Haus gepflegt bis sie starb. Ihre Mutter kannte ich auch noch. Damals hiess es noch nicht Demenz. Der Arzt nannte es „Verkalkungen im Gehirn“. Unsere Erfahrungen und Gespräche verbinden uns noch mehr, als die lebenslange Nachbarschaft. Damals war es für meine liebe Nachbarin ohne all die Informationen so schwer, zu verstehen, warum ihre Mutter manchmal alles so oft nochmal und nochmal fragte. Schimpfte mit ihr: „Mama, das hab ich doch grad…“ – weil sie es nicht wußte. Jetzt, seit den vielen Gesprächen mit mir, benutzt sie auch das Wort „Demenz“. Und hatte die gleichen Probleme. Wenn Feiertags die Familie kam, und die Mama adrett im Wohnzimmer saß und sie gefragt wurde: „Was hast Du nur, der Mama geht’s doch gut?!“ Sah ja keiner, dass sie morgens noch das ganze Bett hatte säubern müssen, oder wie die Mama sonst im Alltag war. Am liebsten wär ich dort geblieben. Die Nachbarin will Mutti demnächst besuchen - so lieb! Aber unruhig wieder zurück nach nebenan ins Elternhaus. Da kam auch schon die Betreuerin. Konnte mit ihr noch fünf Minuten Tacheles austauschen. Ihr den dicken Ordner und die kopierten Unterlagen übergeben. Sie bleibt zuversichtlich, dass der Makler von der Volksbank schon ein eigenes Interesse hat, das Haus gut zu verkaufen. Ich bleib da skeptisch. Es gibt ja noch den zweiten Gläubiger, das Finanzamt. Und deren Interessen sind der Volksbank doch wurscht. Außerdem wird im Heimatort gemauschelt, wie es mauscheliger nicht geht. Wo eigentlich nicht? Hab doch selbst meine langjährigen Erfahrungen mit genau dieser Bank, bis ich dann gewechselt hab. Dann klingelten auch schon die Volksbänker. Natürlich kommen sie zu zweit. Wundert mich nicht. Der Makler und einer aus der Führungsspitze. Letzterer tönt immer superfreundlich. Nach ihm, seinem Wortlaut ist die Volksbank die reinste Wohlfahrt. Wie gut sie damals immer zu Mutti waren. Ich muß an Muttis blutende Magengeschwüre denken. Ihre unentdeckten Schlaganfälle. Ihre vielen depressiven Phasen. Ihre ungezählten Tränen… Nach einer geschlagenen Stunde Führung durch das verwirrende Doppelhaus sind wir fertig. Also jedenfalls ich mit den Nerven. Viel länger kann ich nicht mehr respektvoll, freundlich und höflich bleiben. Der Makler hat schon nach einem Drittel des Hauses erkannt, dass es sich eigentlich nur lohnt, es abzureißen und neu zu bauen. Innerlich hat er meinen Respekt. Das Haus ist genauso uppe wie ich. Nein, das Haus wird noch vor mir zusammenbrechen! Nervig sind zwischendurch Fragen wie, ob wer drauf achtet, dass die Rohrleitungen nicht einfrieren. Oberschlau der Obermann: „Es war ja sehr kalt die Tage.“ – Ich dazu nur trocken: „Die Heizungen sind aus. Wir haben kein Geld. Wovon sollen wir hier noch heizen?“ – Dann ist Ruhe. Nachher beim Heizkessel kommen noch Schlaufragen, ob ich Druckausgleich mache. Ich guck extra „verblödet“. Sag, der „Name, Vorname“ Schornsteinfeger kommt einmal im Jahr und sagt immer, alles ist in Ordnung. Die Bänker nicken, den Schornsteinfeger kennt jeder im Ort. Ich frag den jedesmal, ob ich auf was achten muß. Er sagt jedesmal, nein. Ich füll höchstens Wasser auf. – Reicht dem Schlauschnacker. Und ich bin stolz, das ich kein Mal laut geworden bin. Im Gegenteil, ich bin sehr freundlich und mach kleine Scherze. Und die perfekte Hausführung. Das Haus ist so verwirrend, also erklärbär ich so gut, das ich kurz davor bin, das Haus selbst zu kaufen. Erzähl noch von meinen Träumen, wenn ich im Lotto gewonnen hätte, dann hätte ich … Ja, wird mir bestätigt, das Haus hat was. Ich weiß, das Haus hat was. Aber realistisch bleibt, wohl nicht mehr den Wert, um die vorhandenen Schulden komplett zu tilgen. Dachpfannen in einer Ecke fehlen auch schon. Der Obermann wendet sich zum Makler: „Da muß aber einer kommen und das richten.“ Wendet sich an mich, ob im Haus noch irgendwo Dachpfannen sind. Da hab ich die Schnauze voll. Bleib aber freundlich und sag einfach: „Nein, nicht das ich wüßte.“ Soll er von mir aus das Haus grün streichen. Hauptsache, er bezahlt das selbst. Da stellt sich die Betreuerin demonstrativ neben mich und sagt im selben Atemzug laut zu den Volksbänkern: „Hauptsache, Ihnen ist klar, WIR (guckt mich demonstrativ an) haben das Geld nicht. Wenn hier noch was gemacht werden soll – WIR haben das Geld nicht.“ (Ich könnte sie küssen!) Die Betreuerin und der Makler vereinbaren, sich in der Volksbank noch zusammenzusetzen. Endlich bin ich allein. Und kann den Müll, der sich in der letzten Woche im Vorgarten angesammelt hab, einsammeln. Es sieht ätzend aus. Plastikmüll, in allen Ecken, sogar eine Milchtüte, was sind das für Menschen, die ihren Unrat auf fremder Leute Grundstück entsorgen? So sieht es aus, wenn keiner mehr da wohnt… Und fahr weiter, noch einmal ins Heim. Liegt ja auf dem Heimweg. Elisabeth treff ich wie immer schon im Flur. Die freut sich total über die Sonnenblumenkerne. Hab auch noch eine zweite Tüte Mix-Vogelfutter dabei. Zusammen knapp über vier Euro. Sag ich: „Stimmt so.“ (Hab ja gestern 5 Euro von ihr bekommen.) – Zack, hat sie den nächsten 5-Euro-Schein in der Hand und zwingt mich, ihn anzunehmen. Ich brech lachend zusammen: „Sag mal, kann man Dir jemals was schenken???“ – Ich glaub, der Apparat, den ich gestern in ihrem Zimmer sah, ist gar nicht medizinisch sondern eine getarnte 5-Euro-Maschine. Weiter zu Mutti. Jetzt ist Mutti in einem Niederflurbett. Entweder, ist das ein anderes oder da hat wer gedreht, dass es jetzt so tief runter geht. Ich bin begeistert! Wenn Mutti jetzt rausfallen sollte, passiert nix, außer das der Boden kalt ist. Mutti: „Wozu soll ich denn rausfallen?“ *lol* Bleib noch, bis sie Mittagessen auf hat. Würde mich am liebsten in ihre Suppentasse legen, bin so müde. Aber Mutti hat von den Nachbarn eine Flasche Bio-Traubensaft bekommen. DEN mag sie. Schmeckt, als hätte ihre Mutter den gemacht! Mutti ist kaum was, aber ich freu mich, nochmal bei ihr gewesen zu sein. Vorher hat mir noch Sr. D. erzählt, Mutti isst inzwischen immerhin immer selbständiger. Liegend, aber immer öfter selbständig! – Klar, wo ich da bin, nimmt Mutti lieber meine Hilfe in Anspruch. Bin zu müde, heut mittag mit Mutti zu üben, ob sie selber Suppe löffeln kann. Oder die Pudding-Nachspeise. Als ich dann endlich zuhause bin, hab ich das Gefühl, mir bricht gleich der Rücken durch. War das anstrengend oder kann ich echt nix mehr ab? Wovon hab ich jetzt Rückenschmerzen, damned! Bei der Hausbesichtigung rumgekommen ist: Die Betreuerin sichtet jetzt erstmal die ganzen Unterlagen, die sie von mir bekommen hat und meldet sich. Alles in allem kann es noch Wochen dauern. Das Geplänkel mit den Volksbänkern ist die Luft nicht wert, in die es geblasen wurde. Halt volksbänkisch. Höflich. Unverbindlich. Zweckmässig neutral. Was unterm Strich bei rauskommt, ob die Schulden annähernd gedeckt werden … keine Ahnung. Ich glaub es nicht. Aber vielleicht sagen am Ende die Gläubiger, gut ist, weil sie wissen, da ist nichts mehr zu holen… Viel schlimmer, eine gute Nachbarin von früher, zehn Jahre jünger als Mutti, ist binnen 6 Wochen gestorben. Haben mir noch die Nachbarn erzählt. Es ging furchtbar rasch, hat alle überrannt: Parkinson, Demenz, Krankenhaus, Intensiv, am Wochenende nach Hause zum Sterben, gestorben. Ich dachte, mich tritt ein Pferd. Manchmal geht es schneller, als man fassen kann. Und daneben werden die eigenen Sorgen so müssig … Mutti noch erzählt, sie kannte H.B. sehr gut. Die gute alte Nachbarschaft. Auch Mutti ist ganz betrübt. H.B. war eine von diesen Lieben, die von sich selbst nie viel Aufhebens machten. Sie war einfach da und sie war einfach gut. Ruhe in Frieden, liebe H.B.
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