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| Ich entscheide, nicht das Heim | |
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Aggi Ist hier Zuhause
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| | | | Ann Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 08 Feb 2018, 08:43 © Ann | |
| Liebe Aggi, ich nehme an du sitzt gerade bei deiner Mama beim Frühstück Ich hoffe es ist heute wieder ein guter Tag! |
| | | Aggi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 08 Feb 2018, 10:26 © Aggi | |
| *gg* ... ich sitze hier mit breitem Grinsen! - Ann schrieb:
- ich nehme an du sitzt gerade bei deiner Mama beim Frühstück
Ich hoffe es ist heute wieder ein guter Tag! ... ach liebe Ann und nochmal liebe Gisela, ich lerne die Macht Eurer Daumen zu schätzen - es hat geklappt!!! Ihr seid so lieb, auch alle anderen, die mir zulesen und mitfühlen, jede/r einzelne/r!!! 20180208 Donnerstagmorgen: Heute morgen liegt Mutti wie ein Traum in grün im Bett. Nachthemd und Bettwäsche Ton in Ton und Mutti sieht richtig gut aus! Und es geht ihr heute auch 100 Prozent besser als gestern. Erst bring ich sie mit den jüngsten Erzählungen über meine Tüdeligkeiten zum Lachen, dann will sie sich zum Frühstück auch gerne aufsetzen und sitzt heuer wie eine Eins!!! Plaudert, isst mit Appetit, ist schlagfertig – das gestern war ein Alien-Klon und heute ist meine Mutti wieder da – ich komm aus dem Grinsen nicht mehr raus! Erst zum Ende der Scheibe Brot lehnt sie sich an die Kopfstütze an und meint, sie möchte so gerne lange sitzen, aber das ginge wohl doch nicht so gut. – Ich protestiere zärtlich, Mutti, schau, gestern ging es Dir gar nicht gut, dagegen schlägst Du heute alle Rekorde. Sie muß lächeln. Als sie wieder liegt, muß ausnahmsweise ich mal zum Klo. Ich sag dann immer, ich leg auch ein‘ Wassergroschen ins Bad. Diesmal sagt sie, geh mal für mich mit. Whow, Mutti möchte zum Nachtstuhl. Daran war gestern nicht zu denken. Aber nur mit meiner Hilfe klappt das Aufstehen überhaupt nicht. Sie will es unbedingt alleine schaffen. Sagt es mit Worten: „Ich muß es doch hinkriegen.“ Kommt gar nicht hoch, da schlag ich gelassen vor, was meinste, ich klingel nach einer Schwester, zu zweit geht das dann gut?! – Das ist in Ordnung. Gesagt getan, die Schwester ist prompt da und gemeinsam ist das kein Problem. Die liebe Schwester meint, das dauert ja bestimmt einen Moment, für den Rückweg gerne nochmal klingeln. ( Und jetzt weiß ich endlich, an welchem Knopf man die Klingel wieder ausstellt, hab da neulich ja aus Versehen drauf gedrückt … ). Als Mutti fertig ist, schaffen Mutti und ich das dann aber zu zweit. Mit jedem Schritt ansagen geht das jetzt sogar richtig gut. Das einzige, was ich nicht kann, sind die Klebehosen, ich zieh Mutti wie gewohnt eine von den Pants an. Mutti hält sich am Galgen fest, die Füße drücken ab, Po einmal kurz hoch – auch daran wäre gestern nicht zu denken gewesen. Danach ist Mutti aber auch rechtschaffen erledigt. Und ich im siebten Himmel!!! Nachtrag zu einem anderen Thema, falls es andere interessiert: - Aggi schrieb:
- 20180205 Montagmorgen:
(...) Zuhause ruft dann die Frau von der Finanzverwaltung vom Heim an: Muttis Rente ist noch nicht da, ob sie nochmal auf Muttis Konto gegangen sei? - Ich bin kurz vorm Herzinfarkt. Das Konto hatten wir letzten Monat aufgelöst. (…) Da erfahr ich dann, dass Muttis Renten seit Februar jetzt an den Landkreis gehen (…) Gestern habe ich beim Telefonat mit dem Sozialamt den Hintergrund erfahren, warum die ab jetzt Muttis Renten (ihre Alters- und ihre Witwenrente) bekommen, statt das sie direkt ans Pflegeheim geht: Der Landkreis hat die Handhabe, dass so Muttis KOMPLETTE Rente ausbezahlt wird. Bislang gab’s ja nur den Rentenanteil abzüglich der Pfändung/Rentenabtretung. Da aber Pflege vor dergl Schulden geht, bekommt nun der Landkreis/das Sozialamt die volle Rente ausbezahlt. Für den Februar jetzt war es nochmal die gekürzte Rente, weil das so schnell nicht bei der Rentenanstalt umgestellt geht, aber ab März klappt das dann. Als ich das hörte, hätte ich die Dame beim Sozialamt am liebsten von Kopf bis Fuß abgeküßt!!! – Es mindert zwar nicht den Schuldenberg, aber sogar die Dame vom Sozialamt sagte wortwörtlich, die Volksbank hätte schon genug von Mutti gekriegt! Außerdem gefällt ihr auch nicht, dass die Bank sich bis heute nicht in die Karten schauen läßt. Vorher hatte sie ja mehr so mir gegenüber „rumgemeckert“, daß das Sozialamt ja nicht die Wohlfahrt sei und es ja nicht angehen könne, dass erst die Schulden bedient würden und dann erst die Pflegekosten – aber mei: Das liegt doch nicht in meiner Hand und gestern zu hören, das Sozialamt kann’s – whow! Diese finanziellen Probleme lasten auf mir, auch wenn es nicht meine Schulden sind. Obwohl ich das Gros meiner Geschwister am liebsten nie wiedersehen würde, möchte ich trotzdem nicht, dass sie unnötig für was auch immer zahlen müssen. Auch wenn sie es mir nicht danken, aber da kann ich nicht aus meiner Haut.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 09 Feb 2018, 10:32 © Aggi | |
| 20180209 Freitagmorgen: Aus einem Gefühl heraus fahre ich heute früher los, bin viertel vor acht im Heim. Bei Mutti am Zimmer brennt noch die gelbe Lampe, die Tür steht angelehnt und ich hör beim Eintreten eine Schwester zu Mutti sagen: „Da hab ich Sie heute ja ganz schön geschafft.“ Sr. S. kniet bei Mutti am Bett, Mutti liegt auf der Seite mit dem Gesicht zu Sr. S., die mich ganz freudig begrüßt und zu Mutti sagt: „Ach, das Gesicht sehen Sie jetzt bestimmt lieber als meines.“ Mein Gefühl lag richtig, ich kam bloß zu spät. Hätte gerne das Haarewaschen heuer verhindert, wo Mutti so eine blöde Woche hatte. Nun liegt sie da völlig matt, neben ihr kniet eine sichtlich bedröppelte Sr. S., die zugibt, dass das wohl zu viel für Mutti war und glücklich ist, dass ich jetzt übernehme. Ich sag gelassen, ich hol nachher in Ruhe das Frühstück, kann Mutti erstmal verschnaufen, schon steht die nächste Schwester im Raum, ob sie schon das Frühstück bringen soll? Nein, erstmal verschnaufen. Mutti liegt da ganz klein und grau. Ich frag sie zärtlich, ob ich die kleine Lampe hinter ihr anmachen darf (Oberlicht ist doof, das blendet, wenn man im Bett liegt) und schon eilt Sr. S. zum Schalter und macht den an, bevor Mutti was sagen kann. Als alle raus sind, lächel ich Mutti an: „Na, haben sie Dich gequält?“ – Mutti lächelt (… na uff ersma!...): „Ja.“ Und: „Immer dagegen reden kann ich nicht.“ Nach und nach bekomm ich mit, Mutti hat am Waschbecken stehend die Haare gewaschen gekriegt. Ich bete zu allen Göttern, die ich kenne, dass das nicht stimmt, aber Mutti beschreibt noch, wie sie sich mit den Händen ganz verkrampft festhalten musste… autsch! Ich sag Mutti, ich hätte heuer echt versucht, früh zu kommen, um das zu verhindern, bloß weiß ich nie, wann die Wäsche sei, mal sei sie noch gar nicht, dann sei sie schon durch, dann sei sie mittendrin. Mutti wehrt ab: „Kind, das ist doch nicht Dein Problem.“ ( In mir schluchzt ein Kind: „Doch!“ ) Irgendwie kommt sie noch auf Nachtstuhl-gehen vortags. Nicht das mit mir, sondern mit den Schwestern. Die würden ihr immer sagen, es könne nichts passieren, sie würden sie ja halten. Aber Mutti zeigt mir mit ihrer Mimik, dass sie dabei Angst hat. Sag ich zu Mutti: „Ist das eine, was andere sagen und das andere, was man selber fühlt, nicht wahr?!“ – Jo, das tut Mutti gut. Sie antwortet: „ Das ist doch mein Leben.“ Das Gefühl von Sicherheit kann man nicht „einreden“. Das kann man nur „geben“ – oder man kann es einfach nicht. Nach zwanzig Minuten kann ich Frühstück holen. Die Magentablette, die Mutti sonst schon bei der Wäsche nüchtern einnehmen soll dann eben zum Frühstück. Mutti möchte liegen bleiben. Hab ich auch nicht anders erwartet. Wenigstens kann ich sie mit meinen Plaudereien ablenken und aufmuntern. Aber sie schafft grad eine Viertel Scheibe Brot, dann ist sie platt. Insgesamt in Etappen einen halben Becher Kaffee. Innerlich bin ich entnervt, was soll der Mist mit Haare-waschen, wenn Mutti danach völlig überm Deister ist? Ich muss mit den Schwestern reden, dass sie die Intervalle für diese Prozedur für Mutti lockern. Meine Güte, zuhause habe ich ihr zweimal im Jahr die Haare waschen können – öfter kamen wir nicht ins Bad in diesem behinderten-ungerechten Haus. Und es ging Mutti spitzenmässig damit! Und sie hat mir heute mit Worten gesagt, sie will das so nicht mehr... Im Bad mache ich noch die Haare aus ihrer Haarbürste. Als alte Dame verliert sie bei jedem Bürsten viele Haare und das rausmachen mach ich auch längst automatisch, damit es beim nächsten Bürsten nicht so ziept. Als ich die Haare in die Mülltonne tu, liegt da nur die Pants, die ich Mutti gestern morgen angezogen habe. Werden Muttis Pants/Windeln echt nur einmal am Tag gewechselt? Die Pants ist komplett voll – hatte Mutti die seit gestern morgen an? … hmmm… Mutti ist uppe, ich bin uppe … nicht aufregen, Aggi, fahr nachhause und trink Dir erstmal einen Kaffee. Und heut mittag wieder zu Mutti, sie hat zu wenig gegessen und getrunken.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 09 Feb 2018, 14:37 © Aggi | |
| 20180209 Freitagmittag: Fünf vor halb zwölf im Heim liegt Mutti matt im Bett. Und jemand hat die Gardine wieder zugezogen, dabei kann Mutti da so schön raussehen. Mutti ist ganz erstaunt, daß ich nochmal komme. Ich tue so, als hätt ich noch was einkaufen müssen, ist nicht mal gelogen, will auf dem Rückweg noch drei Kleinigkeiten holen, damit mein Mann nicht extra los muß. Aber Mutti ist ganz mau-mau… Eine liebe Schwester bringt das Mittagessen. Als sie raus ist, sagt Mutti, sie möchte nichts essen. Ich sag, ich sei neugierig, mal gucken, was es gibt. Zähl Mutti auf, heute gibt es Fisch und Spinat und Salzkartoffeln mit Senfsoße (mag Mutti alles sehr gerne). Mutti fragt mich, wo das steht. „Ist hier Mutti, dein Mittagessen.“ – Sie verzieht das Gesicht. Klares Nein. Ich zeig ihr die lecker-Schale mit Schokopudding und Sahnehaube. Mutti verzieht das Gesicht wieder. Als ob ihr nur beim Denken an Essen schon schlecht wird. Alles gut, Mutti! – Sie fragt, ob sie muß? Ich lächel, nein, Mutti, müssen musst Du gar nichts. Vielleicht mußt Du heute nochmal aufs Klo. Da muß man müssen (sie lächelt). Aber sonst mußt Du gar nichts. Sie sagt nochmal, dass sie gar nichts essen will. Einfach nur in Ruhe gelassen werden. – Ist o.k. Dann kommt Sr. N. rein. Begrüßt Mutti und fragt gleich, ob sie schon gegessen hat. Mutti versteht sie erst beim zweiten Mal, nein, sie mag nicht. Sr. N. kommt vom Fußende an Muttis Seite, zieht ihr die Bettdecke über den Beinen weg und fragt, wo Mutti denn hin will (Mutti liegt gern quer im Bett, so liegt sie gern, so liegt sie gut). Mutti sagt, so wollte grad rausgehen. (Wollte sie natürlich nicht.) – Sr. N. fragt, ob Mutti sich nicht auf die Bettkante setzen will. Mutti erstaunt, wozu das denn? – Na, zum Mittagessen. Mutti schon leicht verzweifelt, sie möchte einfach nur liegen. – Ob Mutti nicht lieber etwas höher auf dem Kissen liegen will? - Da misch ich mich dann ein, um Mutti zu erlösen. Erklärbär Sr. N., dass heut früh das Haare waschen zu anstrengend war. Frag sie, ob man das nicht generell auf einmal im Monat reduzieren kann? – Kein Problem, es würde sowieso nicht jede Woche die Haare gewaschen ( äh … ja nee, is klar ). Hinterher frag ich Mutti, ob das in Ordnung war. War in Ordnung. Auch ein kleines Täfelchen Schokolade (diese super-mini-Dings-Schokoladen, hauchdünn) will sie nicht. Bloß nichts essen. Auch nichts trinken. Einfach nur liegen. Jo, Mutti, erhol Dich. Ich komme morgen früh wieder. Mutti: „Und wenn Du mal nicht kommen kannst…“ – Ich lächelnd: „Dann merkst Du es daran, dass ich nicht komme.“ Mutti lächelt. Draußen treff ich nochmal Sr. N. und kann ihr noch berichten, daß Mutti eine blöde Woche hatte. Gestern gut aber vorgestern und vorvorgestern krass schwindelig. Da erzählt mir Sr. N., daß sie selbst einen Tag flach gelegen hat und sich heute immer noch nicht wieder richtig fühlt. Ich drücke ihr die Daumen und wünsch ihr alles Gute. Und gehe mit Kopfschmerzen. – Nachher kommt noch ein Anruf von der Betreuerin für den Hausverkauf. Also noch einkaufen, dann Novalgin-Tropfen, dann Betreuerin. Aber in Gedanken bleib ich bei Mutti….
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Sa 10 Feb 2018, 10:30 © Aggi | |
| 20180210 Samstagmorgen: Viertel vor acht treffe ich vorm Heim die gute Seele. Sie warnt mich, dass es ab morgen wieder Regen und Schnee gibt. Fragt mich nach meinen Handschuhen. Ich sag, ich kauf nur in Edelboutiquen, sowas wie KiK oder Postenbörse, sind aus Leder. Nee, das geht nicht an ihrem Gehwagen, da sind Wollhandschuhe besser. – Jo, und ich brauch meine „Deluxe“-Handschuhe, um nicht am Lenkrad abzurutschen. Wir verabschieden uns zwinkernd! Bei Mutti ist die Wäsche schon durch. Sie meint, es geht ihr ganz gut. Erzählt, die Wäsche war heute im Bett. Nicht so anstrengend. Aber dann wollte sie noch zum Nachtstuhl und das hat die Schwester dann nicht geschafft, ihr war Mutti zu schwer. Also zurück ins Bett. Noch denk ich mir nix dabei... Zum Frühstück mag sie sich aufsetzen! Kippt immer wieder, aber tausendmal besser als gestern. Schafft die ganze Scheibe Brot, die letzten Stücken halt im Kissenberg liegend. Aus einem Gefühl heraus unterhalte ich mich mit ihr über ihr Haus. Geht gut. Überleitung über die Nachbarn, alles oki. Undsoweiter bis dahin, dass ich nächste Woche dann ja einen Termin habe mit dieser Betreuerin und einem Makler, weil ich bei 5 Geschwistern lieber auf der sicheren Seite bleibe will, bevor mir die anderen Vorwürfe machen. Mutti anerkennend: "Du machst das gut!" Keine Sekunde Trauer, Schmerz oder Bedauern. Zum Ende des Frühstücks fängt Mutti an mit Niesattacken. Als sie dann kurz drauf liegt, verkrampft sich ihr Gesicht, während ich mich noch frag, sagt sie was mit Nachtstuhl. O.K., Mutti, das schaffen wir, wir sind doch ein Traumteam! – Schaffen wir auch, nur das sie vorher schon – kein Wunder, sie musste morgens schon – den Stuhl in die Windelhose entleert. Egal. „Mutti, ist doch gut. Du hast Stuhlgang. Besser, als wenn’s stecken bleibt.“ (Unsere gewohnten Sätze, nicht, dass das einer flapsig findet.) Früher konnte ich sie noch sauber machen, indem sie am Rollator stehenblieb. Das geht jetzt nicht mehr. Dafür liegend im Bett, ich hab zum Glück Feuchttücher im Nachttisch. Alles wieder sauber, auch die Beine und die Bettkante. Unterlage raus und neue Hose. Mutti meint, als sie wieder zugedeckt ist, es geht ihr gut, aber klar ist sie total blaß. Das alles ist monster-anstrengend für sie. Kurz mittendrin kommen zwei Schwestern und wollen putzen und das Tablett holen, bevor sie um die Ecke kommen, kann ich sie wieder rausdirigieren. Alles höflich und freundlich. Aber besser für Mutti. Darum hol ich auch keine Hilfe. Mutti geniert sich mir gegenüber nicht mehr, aber das gilt nicht für die Schwestern. Später hilft mir noch die liebe Reinigungsfrau, die neue Unterlage zu legen. Mutti möchte nur noch schlafen. Beim Gehen sag ich noch Sr. N. Bescheid, dass Mutti Stuhlgang hatte. Frag, ob sie das wissen muß. – Ja, das muß sie wissen. Weiter zur Apotheke, die neue Rechnung bezahlen. Notiz an mich selbst, nachfragen, wieso das Heim die Augentropfen einzeln bestellt, das ist viel zu teuer. Ich hab die immer im 3er Pack gekriegt, so ist das pro Flasche 5 Euro und die Flasche muss nach 4 Wochen gewechselt werden. Irgendwie hatten wir das Thema schon mal, ich muss da nochmal nachfragen... und einen neuen Hausschlüssel suchen, meiner ist abgebrochen – tse…
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 11 Feb 2018, 09:59 © Aggi | |
| 20180211 Sonntagmorgen: Schneeregenwetter, die Straßen sind matschig-rutschig, bin erst um acht vorm Heim, wo draußen die gute Seele steht. Ihr gefällt das Wetter gar nicht. Meint, hoffentlich streuen sie bald vorm Heim, sie möchte gerne spazieren gehen. – Vor Wochen hat sie mir schon bestätigt, dass es kein falsches Wetter, nur die falsche Kleidung gibt. Aber sie geht am hohen Gehwagen und die Ärzte haben sie gewarnt, daß sie nicht noch einmal stürzen darf. So ist Wetter immer eine Frage des Blickwinkels… Mutti geht es heute besser. Sie meint, ihr Samstag war gut (hat immer große Mühe, sich an den Vortag zu erinnern). Meist meint sie dann, sie döst ja sowieso die meiste Zeit. Und: „Ach, wenn ich man in Ruhe gelassen werde..“. Lächelt dabei. Im Dienstzimmer hat sie doch wieder Zucker in ihrem Becher. Sr. O. bekommt das mit und ist ganz fertig: „Ich hab extra in der Küche einen Zettel ausgehängt, daß Frau (falscher-Nachname) keinen Zucker bekommt. Dann wußten das endlich alle, dann hab ich den Zettel wieder abgenommen und jetzt das.“ Ist schier aufgelöst, die Gute! – Alles kein Problem, ich bin schon dabei, den Zucker rauszukratzen und den Becher auszuspülen. Sie schenkt mir Kaffee ein. So fürsorglich! Aber heute ist halb Wurst halb Käse auf dem Teller, leider keine Marmelade. Mutti fragt mich, was das für Wurst ist. „Teewurst, Mutti.“ – Mag sie nicht, die letzten beiden Stücken will sie nicht mehr. Meint, dass mit der Teewurst müßte man mal sagen. Kippt wieder in den Kissenberg. Vergißt das Essen. Ich kann sie aber nach und nach noch zu der Hälfte Käsebrot animieren, aber sie muß immer wieder fragen, wo die Stücken liegen. Schafft immerhin ein dreiviertel Brot und ist „papp-satt“. Und schafft den ganzen Becher Kaffee. Bei den letzten Schlucken sagt sie zu sich selbst: „Den Rest jetzt auch noch!“ Später kommt Sr. O., ob wir mit dem Frühstück fertig seien? Ich sprech sie direkt an, daß die Teewurst nicht Mutti’s Ding war. „Die ist aber ganz frisch!“ – Ja… aber lieber halb Marmelade halb Käse. „Ich dachte, mal etwas Abwechslung.“ – Lieber halb Marmelade halb Käse. – O.k. Alles in dem Tempo, in dem eine Schwester in den Raum geht, das Tablett ergreift und damit schon wieder rausgeht. Sag ich danach entschuldigend zu Mutti: „Du, das sollte nicht über Deinen Kopf hinweg sein, die sind bloß immer so schnell raus, ich wollte bloß schnell reagieren wegen der Teewurst.“ – Mutti lacht. Ja, die sind wirklich immer so schnell raus. Mutti ist richtig glücklich, dass ich das genauso sehe! Und findet es gut, dass ich das mit der Wurst geklärt hab. Zum Abschied meint Mutti noch: „Du schleppst immer so viel.“ … ay meine Mutti, Du hast Dein Leben lang viel mehr geschleppt als ich jemals schleppen werde!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mo 12 Feb 2018, 13:06 © Aggi | |
| 20180212 Montagmorgen: Gestern haben mein Mann und ich die ersten zwei Schränke leer geräumt, Mittwoch kommt das neue Sofa. Unser Sofa ist kaputt, seit wir hier Anfang 2014 eingezogen waren. Nosagfederung ist nichts für gewichtige Menschen… Hielt lange mit dem Kartonstapel, den ich zusammengeklebt unter die Ausbeulung geschoben hatte, aber inzwischen hängt das Sofa in der Mitte durch. Rückenschmerzen sind vorprogrammiert. Ich hatte schon die erste Krise, als ich merkte, dass sich die Sofalieferung mit dem Hausbesichtigungstermin überschneiden könnte und hab dann Amelu kontaktiert, damit sie mir sagt, wo ich die von ihr empfohlenen Mittel gegen Streß und Co. Bekommen kann. Ich bin z.Z. ein Nervenbündel. Mich machen Sachen fertig, über die ich sonst nichtmal nachdenke. Amelu, Danke das es Dich gibt, Du tust mir gut! Gestern dann beim Schränke ausräumen kurz vorm Kreislaufkollaps. Diese Schwindelattacken hab ich seit der Erkältung wieder. Und den ganzen Tag gedacht, geh nochmal zum Briefkasten, vielleicht war da noch ein Kurierbrief… mir selbst gesagt, Du wirst paranoid. Was liegt heut früh im Briefkasten seit Samstag? Ein Kurierbrief. Meine grosse Schwester. Jetzt muß ich wegen ihr eine Stellungnahme ans Amtsgericht schreiben. Gefunden 5 min., bevor ich zu Mutti fahre. Mir dreht sich der Magen um. Mutti bloß nichts erzählen. Geh mit Tränen in den Augen ins Pflegeheim, weil ich fertig bin. Begrüße Mutti zärtlich mit „Helau und Alaaf“… Und beschliesse, ihr zu erzählen, was mich belastet. Und Mutti versteht das. Meint, wenn sie jetzt völlig hinüber wär und nichts mehr verstehen würde, dann könnt ich ihr sowas nicht mehr erzählen, und sagt zu mir: „Ich bin doch noch bei Verstand.“ Meint, sie wär bloß so hilflos. Kann mir nicht helfen. – „Doch, Mutti, das ich jetzt mit Dir darüber reden konnte, was mich belastet, erleichtert mich. Und das ist unbezahlbar!“ Dann können wir auch zum Frühstück übergehen, Mutti kann aber heute nicht sitzen, möchte liegen bleiben. Erzählt, Wäsche war im Bett, dass sei für sie viel besser als wenn sie gezwungen wird „so mit kleinen Tippelschritten“ (meint Wäsche im Bad). Aber ich mein, die Socken könnten jetzt doch mal gewechselt werden. Meint Mutti, dass hätte sie heute morgen auch schon gesagt. Als ich aufbreche, meint Mutti nochmal, dass sie mir keine Hilfe sei. „Mutti, Du bist meine beste Freundin und dass ich offen mit Dir reden kann, wenn mich was belastet, das ist die Hilfe, die ich brauche und dafür danke ich Dir.“ – Mutti lächelt glücklich. Und bedankt sich bei mir für meinen Besuch und das ich offen mit ihr geredet hab. Inzwischen habe ich die Stellungnahme zur Post gebracht. Mein Kopf fühlt sich heiß an, als wenn ich Fieber hätte. Ich lese hier die neusten Beiträge und weiß, heute kann ich nicht helfen. Das ist kein schönes Gefühl, aber es ist ehrlich.
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| | | kamia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mo 12 Feb 2018, 13:25 © kamia | |
| - Zitat :
- Diese Schwindelattacken hab ich seit der Erkältung wieder
.... oft liegt es an den ohren ... ruh dich mal aus....
mit lieben Grüßen Wenn jemand sagt: Das geht nicht! Denke daran: Das sind seine Grenzen, nicht deine.“ (Unbekannt) |
| | | Aggi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Di 13 Feb 2018, 03:29 © Aggi | |
| - kamia schrieb:
- .... oft liegt es an den ohren ... ruh dich mal aus....
Liebe kamia, Du hast Recht - ich hab schon seit Jahren Innenohr-Dings-Probleme, hatte ich ganz vergessen, hab Deine Zeile gestern noch gelesen und wurde auf einmal ganz ruhig: Du bist besser als jede Medizin der Welt! Danke, kamia, bin dann direkt ins Bett gegangen, hat mir gut getan. Ich wünschte, ich könnte Dir auch mal so helfen, so wie Du mir. Alles Liebe, Aggi
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Di 13 Feb 2018, 10:36 © Aggi | |
| 20180213 Dienstagmorgen: Bin spät dran, erst um acht am Heim. Steht die gute Seele wieder draußen zu rauchen – ich freu mich immer, sie zu sehen! Bei Mutti ist die Wäsche fasst zuende, Sr. N. räumt noch die Sachen zusammen und ich sag lächelnd, hier duftet es ja himmlisch. Sr. N. grinsend: „Ja, heute hatten wir Wellness-Tag.“ Sagt noch zu mir, Mutti war heut morgen auf dem Nachtstuhl, zwar ohne Ergebnis, aber hat gut gesessen. Mutti freut sich, mich zu sehen und fragt direkt, wie mein Karneval war. Ich muß lachen – damit hab ich nix am Hut. Aber mir fällt ein, was ich gestern kurz in den Nachrichten sah: „Mutti, erinnerst Du Dich noch an Donald Trump, den amerikanischen Präsidenten?“ – Ja, sie erinnert sich. Erzähl ich ihr, wie ich gestern im Fernsehen einen Motivwagen mit einem „Trumpel-Tier“ gesehen hab. Beschreib es in schillernden Farben und wie ich vor Lachen vom Sofa gefallen bin. Mutti ist ganz entzückt. „Trampeltier. Das ist gut!“ – Schön, so zusammen lachen zu können. Ich frag Mutti, wie Karnevalsdienstag eigentlich heißt. Es gibt Rosenmontag, Aschermittwoch, ist das dann Faschings-Dienstag? – Wir einigen uns auf Faschingsdienstag (ich hab den Moment echt keine Ahnung, stell grad ihren Holzkalender wie jeden Morgen um). Wenige Sekunden später fragt Mutti mich, was für einen Wochentag wir haben. „Dienstag, Mutti. Faschingsdienstag.“ Ahja, da weiß sie es wieder. Frühstück heut nur liegend – nee, laß mich mal, ich hab grad so lange gesessen. Alles gut, Mutti. Schafft auch kaum was vom Brot. Ist in Ordnung, Mutti, wir machen doch kein Wettessen. Sie lächelt. Ich kann noch erzählen, daß ich mich vortags noch wieder mit dem kleinen Bruder gemailt hab. Sie freut sich immer, von ihm zu hören. Fragt auch nach. Richtig schön. Ist dann aber auch rechtschaffen müde. Alles gut, Mutti, Du bestimmst das Tempo! Inzwischen winkt sie mir, wenn ich gehe, so zu wie auch ich ihr zuwinke. Wir färben auf einander ab!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 14 Feb 2018, 11:49 © Aggi | |
| 20180214 Mittwochmorgen: Heute bleibe ich in Gedanken bei Amelu … ... natürlich war ich wie jeden Morgen bei Mutti, sie wußte schon, daß Valentinstag ist und freute sich mit mir, daß mir der beste Ehemann von allen schon gestern einen Strauß Blumen geschenkt hat … … konnte mit Mutti über Amelu und ihre Mutter reden, das hat mir gut getan, Mutti hat ein großes Herz … ... und inzwischen ist auch das neue Sofa da … merkwürdig, wie „hart“ ein neues Sofa wirkt, wenn das alte vorher seit vielen Monaten so durchgehangen war … mein Mann sagt grad: „Steht Dir gut, das neue Sofa. Siehst so klein und zierlich dadrauf aus … ach nee, bist das ja von Natur aus!“ – Mein Fels in der Brandung … ... und mehr möchte ich heute nicht mehr sagen, nur, wie lieb ich Mutti und Amelu habe! Heuer ist Valentinstag - ich wünsche allen ein Lächeln im Herzen!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 15 Feb 2018, 10:56 © Aggi | |
| 2018021 Donnerstagmorgen: Bin schon um viertel vor acht im Heim. Die gelbe Lampe brennt noch, aber Mutti ist schon fertig. Wie öfters schon fragt sie mich: „Was machst Du denn schon so früh hier?“ – Ich lächel: „Dafür war ich gestern doch spät dran, Mutti.“ – Die Schwester (kenn ich nicht) kommt und bringt schon das Frühstückstablett und gibt Mutti noch die Augentropfen. Zuerst frag ich Mutti aber strahlend, woher denn die schöne Wanddekoration herkommt. Da hängt an ihrer Bett-Wandseite ein Holzstiel mit Papierblume (so mit Tesa-Streifen an die Wand geklebt). Meint Mutti, die Blume hätten die Schwestern ihr gestern nachmittag gebracht. Für die Gäste. Findet sie auch schön, seh ich ihr an. „Solche Sachen machen sie hier im Krankenhaus.“ meint Mutti. Als nächstes fragt sie mich, ob es mit dem Sofa geklappt hat. Ich freu mich total. Sachen, die Mutti bewegen, merkt sie sich. Von dem Sofa hab ich natürlich ausführlich erzählt. Wieviel Staub und Spinnweben da zum Vorschein kam, als wir das alte Sofa und die ganzen Kommoden und Schränke von den Wänden gezogen haben. Wie schrecklich schlechte Staubwischer wir doch sind – wo Mutti dann natürlich protestiert, wer wischt schon hinter den Schränken und ich dann lachend sage, nee, wenn DU denn ganzen Dreck gesehen hättest, Mutti, Du hättest mich auf der Stelle enterbt. Und so, halt Mutti zum Lachen bringen. Zum Frühstück möchte sie liegen bleiben. Ist in Ordnung, Mutti. Heuer gibt’s anderthalb Scheiben Brot und Mutti schafft etwas mehr als eine ganze Scheibe!! Und den Kaffee. Ich sag ihr, daß ich schon weiß, dass der kleine Bruder gestern bei ihr war und wie sehr er sich gefreut hat, bei ihr gewesen zu sein. Mutti: „Ich hab mich auch so gefreut!“ Nach unserer guten Stunde – wenn ich schon sehe, Mutti ist rechtschaffen müde, frag ich oft, ob ich noch etwas für sie tun kann, weil manchmal fällt ihr noch etwas ein, wenn ich schon halb im Gehen bin. Da sagt sie: „Ach, wenn ich einfach in Ruhe gelassen werde.“ Und ich salutiere extra lange und sag lächelnd: „Zu Befehl, Mutti, den Wunsch kann ich Dir erfüllen.“ Sie lacht. So schön. Draußen vor der Tür treff ich noch die gute Seele und klöne noch mit ihr. Sie erzählt mir, dass sie gestern jetzt zum – wie heißt das? – Heim-Rat-Beirat-Dings gewählt worden ist. Hatte ich keinen Zweifel dran, wenn nicht sie, wer dann! – Sie überlegt, was sie jetzt Gutes für die Bewohner machen kann und ich sag, wie schön Mutti und ich die Wanddeko fanden. Aha, das ist ein Valentinsherz ( ich Hein-Blöd, keine Blume, gestern war Valentinstag, na klar, ein Herz… ). Sie erzählt, wie sie schon für ihren Schwiegervater gesorgt hat. Der wollte nie ins Heim. Mußte sie ihm versprechen. Sie benutzt nicht das Wort Demenz. Sie beschreibt einfach, daß ihr Schwiegervater sie dann für seine Frau gehalten hat – zuckt mit den Achseln – o.k., dann war sie eben seine Frau. Das sie ihm immer wieder Rosenkränze kaufen mußte, weil ein um den andern verschwanden die und er meinte immer, sie hätte sie vortags wieder mitgenommen. Und einmal war sie mit ihrem Mann da, da hat ihr Schwiegervater sie beiseite genommen und ihr gesagt, für DEN auch noch würde seine kleine Rente aber nicht reichen. Da hätte sie ihm gesagt, das ist doch Dein Sohn. Darauf ihr Schwiegervater: „Nein, der ist doch viel zu alt!“ Sie hat dann immer Fruchtzwerge ins Gefrierfach gelegt. Die eine Nacht ist sie nachts um drei zu ihm und er hatte solchen Durst. Da hat sie ihm von einem tiefgeforenem Fruchtzwerg kleine Stücken in den Mund gelegt und er war so dankbar und sagte zu ihr, er wäre gerade einen so weiten, so langen heißen Weg gegangen, herrlich, dass sei jetzt genau das Richtige! Nun könnte er bestimmt die nächste Stunde gut schlafen, sie könne sich wieder hinlegen und müsse sich nicht sorgen. Nach einer halben Stunde ist sie aus einem Gefühl heraus wieder zu ihm gegangen. Da war er eingeschlafen. - Sie weiß, dass sie ihm gut getan hat. Und später fand sie in den Bettritzen, wo eigentlich keine Hand hingelangt einen um den anderen Rosenkranz... Bei diesem Gespräch jetzt habe ich zu ihr gesagt, sie möchte doch Aggi zu mir sagen und das das mein richtiger Vorname ist. Aggi wie Maggi nur ohne das M. Sie strahlte mich an und sagte mir ihren Vornamen. Elisabeth. Und das es wichtig ist, zwischendurch mit jemandem zu reden, der noch bei Verstand ist. Eine wunderschöne Vorstellung, dass nicht nur sie mir gut tut, sondern ich ihr auch.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 16 Feb 2018, 11:41 © Aggi | |
| 20180216 Freitagmorgen: Heute morgen ist Mutti nicht gut zufrieden. Meint sie selbst. Da noch die Schwester im Raum ihre Sachen zusammenpackt, zeig ich Mutti erstmal meine Einkäufe, neue Wasch- und Körperlotion. Interessiert Mutti nicht die Bohne. Dann sind wir alleine. Mutti: „Kein guter Tag.“ Ja, das sehe ich. Die Schwester (die von gestern, vorher noch nicht gesehen) bringt noch lächelnd das Frühstückstablett und will den Wagen schon zu uns rollen. Ich sag ihr dankend, erstmal den Kaffee abkühlen lassen, ich würde mich gleich kümmern. Die Schwester strahlt mich an und sagt zu Mutti, dann bis später, Frau Probst … äh, nein, (korrigiert sich) und verschwindet mit hochrotem Kopf. Ich klön erstmal mit Mutti. Mutti erzählt nach einer kurzen Weile, da war eine (?), die wollte unbedingt, dass Mutti aufsteht, aber sie kann doch nicht solange auf dem Rasen stehen und dann hat die Schwester gesagt, dann eben nicht und Mutti wieder so … aufs Bett geworfen. – Frag ich nach: „Grob?“ – Nein, nicht grob … Mutti sucht nach Worten. „Die ist keine richtige Pflegeschwester.“ – Sag ich: „Ungeschickt?“ – Ja, sehr ungeschickt. Irgendwie muß es die Morgenwäsche gewesen sein. Zu hektisch? Ungeschickt? – Auf jeden Fall hatte Mutti Angst dabei – stehen geht gar nicht und ob es nun so war oder nicht, es hat Mutti sehr aufgeregt. Sagt aber nach einer Weile: „Das Pflegepersonal ist sonst ganz gut.“ Ein Scheiß! Ich sag: „Ist doch blöd.“ – Ja, echt blöd. – Mutti mag sich zum Essen auch nicht auf die Bettkante setzen. Guckt mich ganz verzweifelt, als ich wie jeden Morgen frage. Alles gut, Mutti, kein Problem. Isst dann aber doch ganz gut, ich kann sie mit den jüngsten Geschichten von mir und meinem Mann ablenken. Lach- und Sachgeschichten. Sie liebt meinen Mann. Mag seinen manchmal so derben Humor, weil sie weiß, was hinter seiner rauhen Schale steckt. Natürlich erzähl ich ihm umgekehrt zuhause auch immer, wofür er wieder alles „herhalten“ mußte. Er liebt Mutti doch genauso und freut sich, wenn er sie auch in Abwesenheit zum Lachen bringen kann. Zum Schluß suche ich noch das passende Nachthemd zum „appen“ Knopf, der schon eine Weile auf ihrem Nachttisch liegt. Endlich ist das entsprechende Nachthemd aus der Wäsche zurück und ich feier mit Mutti, dass der Knopf und das Nachthemd nu endlich wiedervereinigt werden können. „Mutti, auch Knöpfe haben Gefühle!“ Mutti lacht und ich pack das Nachthemd ein. Handarbeiten verbindet uns. Knopflochgeschichten. Und Mutti ist wieder entspannt. Dann kuschelt sie sich immer so süß in ihr Kissen. Und zuhause dann der nächste Papierkram – die Neuberechnung der großen Witwenrente. Telefoniere mit dem Rentenversicherungsbund, mit dem Sozialamt. Kriege die blöde Mail nicht raus, weil vermutlich zu groß („Mailen Sie mir das doch eben.“) – Alles, was mit „mal-eben“ anfängt, dauert immer am längsten… und erreiche die Betreuerin nicht, immernoch kein Termin, so vergeht ein Vormittag mit auf-der-Stelle-treten. Als ich noch nicht mit Computer sondern mit Rauchzeichen gearbeitet habe, ging alles irgendwie viel schneller … kommt es mir vor …
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Sa 17 Feb 2018, 10:50 © Aggi | |
| 20180217 Samstagmorgen: Als ich viertel vor acht den Flur im Heim hochgehe, sehe ich an Muttis Tür einen Türkranz hängen. Wie schön! Weiß-rot, mit Blumen an einem roten Band. Leider läßt er sich nicht mal eben abnehmen und zu Mutti mit reinnehmen. Mutti ist gutgelaunt. „Ich bin schon gewaschen!“ Erzähl ich Mutti von ihrer Tür-Verschönerung. Und das ich sie am liebsten nach draußen tragen würde, um ihr den neuen Schmuck zu zeigen. Muß nicht sein, meint Mutti, aber sie freut sich. Sie sagt, da gibt es eine Schwester, die sie besonders mag. Sie vermutet, das kommt von der. Jetzt freu ich mich doppelt!! Mutti ist erst immer begierig zu hören, was es Neues gibt. Und ich finde immer etwas zu erzählen. Dann zum Frühstück mag sie sich aber wieder nicht aufsetzen. ( Ehrlich gesagt besorgt mich das – ich hab sie ganz lieb gefragt, ohne Druck!). Aber Mutti verzieht gleich krass das Gesicht, ob das sein muß?! – Nein, Mutti, ich frag doch immer nur, damit Du nicht denkst, ich hätte ja mal fragen können. – Sie lacht und darf natürlich liegen bleiben. Also das Bett in Sitzposition gefahren. Bloß nicht zu hoch, dabei schau ich immer auf ihr Gesicht, sobald sie es verzieht, ist gut mit der Höhe. Heuer ist Mäusefrühstück – die Brotstücken sind so klein, das ist nicht mehr mundgerecht, dass ist Zahnlückengerecht. ^^ Mutti kann im Prinzip gar nicht mehr richtig sehen, wo die Stücken liegen, halt tastet auf dem Teller, bis sie was hat. Ich dreh den Teller dann immer unmerklich für sie in Griffrichtung. Aber sie schafft die ganze Scheibe Brot und den Becher Kaffee bis auf den allerletzten Tropfen. Noch ein halber Löffel Quark: „Aggi, den kannst Du gerne aufessen!“ *gg* Ach ja, als ich das Tablett geholt hatte und vorbereite ( Folie vom Essensteller ziehen, mit dem Kaffeebecher noch ins Bad: „Mutti, ich kipp noch ein Schluck kalt Wasser in den Kaffee, sonst ist der zu heiß!“ – jeden Morgen, diese Ansage ist wichtig!), fällt mir der kleine Tablettenbecher runter. Schweißausbruch, wo sind die beiden kleinen halben Tabletten??? Aggi auf dem Boden der Tatsachen, die erste rosafarbene klitzekleine sehe ich zuerst neben dem Bettkabel. Mutti meint schon, laß doch, aber wenn ich erstmal am Suchen bin… die zweite halbe weiße liegt dann auf der andern Zimmerseite, na uff ersma… Nicht weiter wichtig, nur, dass ich mir da auf Knien einen Fingernagel minimal geritzt hatte. Während Mutti nachher frühstückt, ich wie immer auf ihrem Rollator dicht bei ihr am Bett, fragt mich Mutti, ob ich nervös bin. Meine Mutti – der kann ich doch gar nix vormachen! Halb blind hat sie natürlich mitgekriegt (im Gegensatz zu mir selbst), daß ich die ganze Zeit an dem eingehakten Fingernagel knibbel. Ich muß lachen und gestehe Mutti, mei, ist nur ein hakiger Fingernagel, ich leih mir mal Deine Nagelfeile. Auch ein schönes Klönmoment: Wie oft in den Jahren hatten wir schon das Thema, wie sehr doch so ein winzig-klitzekleiner Fingernagelhaken nerven kann. Stundenlang und länger. Mutti kann ja selber nicht mehr mit Nagelfeile was machen und hat sich in der Anfangszeit nichtmal getraut, mich um Hilfe zu bitten. Bis ich ihr in meiner schwafeligen Art erklärte, wie sehr mich das selber nervt, wenn ich nachts im Bett – zu faul, eben aufzustehen – versuche, so einen Nagel am Bettlaken, an der Bettkante, an der Wand oder am Rücken meines Mannes wieder glatt zu feilen. Solche Erklärungen haben Mutti immer gefallen, weil ihr das ja genauso geht – und dann durfte ich auch anfangen und ihre Maniküre übernehmen. Und heute zeigt sie mir wieder mal, dass ich ihr gar nichts vormachen kann. Mal weiß sie nicht, wo sie ist und welcher Tag oder welche Zeit es ist. Aber das Wesentliche entgeht ihr nicht. So wie sie die Brotstücken auf ihrem Teller kaum noch erkennt und mich oder meinen kleinen Bruder aber anspricht, weil wir einen kleinen Fleck oder Fussel auf dem Hemd haben … usen Mammen, der kannste einfach nix vormachen!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Sa 17 Feb 2018, 11:24 © kamia | |
| Liebe Aggi, - Zitat :
- Erzähl ich Mutti von ihrer Tür-Verschönerung. Und das ich sie am liebsten nach draußen tragen würde, um ihr den neuen Schmuck zu zeigen.
... für mich hört sich an, als käme deine Mutter gar nicht aus dem Zimmer.... gibt es keine Aktivitäten in dem Haus? ...hoffe, ich habe das nur falsch verstanden....
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 18 Feb 2018, 04:15 © Aggi | |
| Liebe kamia, - kamia schrieb:
- ... für mich hört sich an, als käme deine Mutter gar nicht aus dem Zimmer.... gibt es keine Aktivitäten in dem Haus?
...hoffe, ich habe das nur falsch verstanden.... seit Mutti am 13.Oktober 2017 ihr Zimmer dort bezogen hat, hat sie es nicht verlassen. Sie will es nicht. Genauso, wie sie vorher, als sie am 21.09.15 nach der großen OP bettlägrig nachhause kam ihr Schlafzimmer bis 2017 auch nicht verlassen wollte. Zwar war sie damals zweimal mit unserer Hilfe im Wohnzimmer und extrem wenige Male im Bad zum Duschen, ansonsten hat sie sowohl zuhause als auch jetzt im Seniorenzentrum immer abgelehnt, den Raum zu verlassen. Es mangelt nicht an Aktivitäten. Ich biete ihr immer wieder an, sie im Rollstuhl spazieren zu fahren. Es endet immer in ihrem verzweifelten Blick: "Muß ich?" - Oder schlimmer: "Würde Dir (also mir der Aggi) das helfen?" Ihr Gesicht dabei, die reine Verzweiflung und Ablehnung. Als es ihr noch besser ging, haben wir zuhause auch oft gefragt, ob sie auf ihrem Balkon sitzen möchte. Sie hat immer erklärt, daß ihr das nichts bringt, weil sie ja sowieso nichts sehen, nichts erkennen kann. Ich habe oft beobachtet, wie sie zuhaus am Nachtstuhl schon gerne die Gardine beiseite zieht, um nach draußen zu schauen, aber sobald sie draußen Stimmen hört, die Gardine bzw. sich selbst ganz schnell zurückzieht. Sie hat mir mit Worten gesagt, daß sie die Nachbarn ja nicht einmal erkennen und einen Gruß nicht einmal erwidern kann. All das macht ihr große Angst. Mein kleiner Bruder und ich haben immer wieder gefragt. Auch, ob sie nicht doch einen Fernseher oder andere Ablenkung haben will. - Nichts. Nein. Laß man, wenn ich hier nur liegen kann. Auch im Heim die Schwestern haben sich schier einen Arm ausgerissen, Mutti aus der Reserve zu locken. Sogar bis dahin, daß eine Schwester meinte, man müsse sie einfach mit Gewalt in den Rollstuhl setzen, wenn sie dann erstmal "draußen" wäre, würde das schon gehen. - Da hab ich dann aber energisch protestiert. Nicht mit Gewalt. Und nicht gegen ihren Willen. Und was das angeht, äußert sie ihn immer noch selbständig ... mindestens einmal die Woche frage ich trotzdem spielerisch, so wie jetzt mit der Türverzierung. Versuche sie zu locken, ob sie dann z.B. sagt, oh, das möchte ich mal sehen. kamia, wie soll ich das erklären? - Würdest Du neben mir bei Mutti am Bett stehen, würdest Du verstehen, daß sie wirklich nicht will. Dafür mache ich jeden Morgen die große Gardine auf und erkläre ihr ungefähr jeden Morgen, was es draußen zu sehen gibt. Ob es grade schneit: "Sind arg kleine Flocken, Mutti, keine Ahnung, ob Du die erkennen kannst?!" (meist nicht) oder das gegenüber die andere Hausseite zu sehen ist: "Das Haus hat eine U-Form, Mutti." oder wenn grad Rauhreif liegt. - An ihrem Gesicht erkenne ich, dass sie das meiste nicht sehen kann, aber an ihren Augen erkenne ich auch, daß sie mit meinen Augen Bilder sieht, die ihr gefallen. Bäume, die sich im Wind wiegen, Häschen, die am Rasenrand spielen, ein Bewohner, der grade einen Spaziergang mit dem Rollator geht, ganz dick eingemummelt mit Schal und Mütze. Mutti hat mir erzählt, wie sehr sie als Kind gelitten hat, weil in Kriegszeiten unmöglich war, für sie in Pommern eine Brille zu bekommen. Da war sie schon stark kurzsichtig. Bei den Familienspaziergängen, wenn ihr geliebter Papa, der Förster, beschrieb, was am Horizont zu sehen war, sah sie ... nichts. Das hat sie lange Jahre traurig gemacht. Bis sie nach der Flucht dann über die Hilfe einer lieben Bekannten mühsam aber doch ein Ungetüm von Brille bekam, sie aufsetzte und vor Glück nicht mehr ein noch aus wußte, als sie aufeinmal die Leute auf der anderen Straßenseite klar erkennen konnte. Ich denke, es hängt auch damit zusammen. Mutti hat einige Ecken "Angst-essen-Seele-auf". Da hilft nur ganz viel Liebe und noch mehr Verständnis... ... und bei ihrem kranken Herzen hatten mein kleiner Bruder und ich damals nach der OP gebangt, dass sie nicht mal mehr ihren 87ten Geburtstag erlebt, aber Mutti ist zäh. Hat immer gesund gelebt und ihr Leben lang hart gearbeitet. Da darf es jetzt kein "du-musst-aber" mehr für sie geben. Sie freut sich immer so, wenn ich ihr das sage. Dann ist sie glücklich! LG, Aggi
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 18 Feb 2018, 08:45 © kamia | |
| - Zitat :
- Muß ich?" - Oder schlimmer: "Würde Dir (also mir der Aggi) das helfen?"
.... ich gestehe...... ich würde diese Frage mit JA beantworten. Warum? Sonnenstrahlen auf der Haut spüren - Wind um die Nase wehen lassen - Vogelgezwitscher hören - Regentropfen auf der Haut Alles Dinge die man fühlen kann - Stille - Frühlingsduft usw. Halt mich gern für verrückt - das sind aber die Dinge die mein Mann allein kann, und ich muß ihm das anbieten LG
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 18 Feb 2018, 10:27 © Aggi | |
| Liebe kamia, Du beschreibst das so schön - ich weiß, was Du meinst : - kamia schrieb:
- Sonnenstrahlen auf der Haut spüren - Wind um die Nase wehen lassen - Vogelgezwitscher hören - Regentropfen auf der Haut
Alles Dinge die man fühlen kann - Stille - Frühlingsduft usw. Glaub mir, ich würde mir einen Arm abhacken, würde ich Mutti damit helfen und könnte sie damit noch all diese wunderschönen Dinge erleben! Aber sie hat entschieden, das will sie nicht mehr. Sie lebt in einer anderen Welt. - kamia schrieb:
- Halt mich gern für verrückt - das sind aber die Dinge die mein Mann allein kann, und ich muß ihm das anbieten
Nein, ich halte Dich nicht für verrückt. Wüßtest Du, auf welches Podest ich Dich gestellt habe für all das, was und besonders mit welcher Liebe Du alles für Deinen Mann tust, hättest Du Höhenangst. Für Deinen Mann bist Du die Richtige. Der einzige Unterschied in diesem Fall: Was für Deinen Mann gut, richtig und wichtig ist, wäre fatal für meine Mutti. Das ist schon alles. Je weiter Mutti in die demente Welt abdriftet, umso mehr brechen ihre Urängste durch. Mir ist schon seit Jahren klar, dass Mutti beizeiten eine Behandlung gegen Angststörungen und Depressionen hätten helfen können. Wie oft ich deshalb schon zum Friedhof wollte und meinen Vater am liebsten ausgebuddelt und nachträglich verprügelt hätte, kann ich nicht mehr zählen... So kann ich ihr jetzt nur noch Ruhe und Schutz anbieten. Jedesmal, wenn ich ihr sage "Du bist der Boss." leuchten ihre Augen. Hab Mutti heuer sogar von Dir erzählt: 20180218 Sonntagmorgen: Kurz vor acht im Heim, lecker kalt heut morgen, minus 2 Grad. Mutti liegt gemütlich auf der Seite und freut sich, mich zu sehen. Fragt mich direkt, ob die Straßen glatt sind. „Ist trocken, keine Sorge, Mutti, ich fahr ja vorsichtig. Aber die Kälte geht heute durch Mark und Bein!“ Mutti hat heut nichts zu erzählen, also erzähle ich. Richte zuerst mal die Grüße von Amelu aus. Mutti erinnert sich nach ein paar Stichworten und freut sich. Ich erzähl ein bißchen von dem Telefonat mit Amelu heut früh, wie schwer das alles ist. Mutti: „Das Leben ist eins der merkwürdigsten!“ Jo, Mutti! Wo ich von Freundinnen am erzählen bin, erzähl ich auch von der anderen, die den gleichen Vornamen wie deine angeheiratete Nichte hat (die mag Mutti!). Das die sich so lieb sorgt, weil Du gar nicht mehr aus dem Zimmer kommst. – Wieder dieser Mikroausdruck in Muttis Gesicht: Eine ganz deutliche Mischung aus Angst und Abwehr. Nein, keine Sorge, Mutti, Du bist der Boss! Es ist, wie ich im Beitrag vorher schon beschrieben hab, es macht ihr Angst und sie will es wirklich nicht. Später, nach dem Frühstück, frag ich noch so, ob an diesem Sonntag wohl noch Besuch kommt. Mutti ganz gelassen, och, das muß gar nicht. Wenn ich man in Ruhe hier liegen kann. Ich weiß von den Besuchen meines kleinen Bruders und aus meinen eigenen Beobachtungen, dass Mutti, je weiter der Tag fortschreitet, umso müder wird. Mittags ist sie schon deutlich schlapper im Vergleich zu morgens etc. – Und sie vermisst tatsächlich keinen Besuch. Das war schon zuhause so. Eher, dass sie zuviel Kindergewusel belastet hat, zu viele Leute auf einmal sowieso oder Besuch, der sie nicht unterhalten konnte (die eigene Tochter z.B.), wo sie hinterher öfters sagte, ob die nun kommt oder wegbleibt ist doch eins. Im Pflegeheim sagen alle vom Personal, Mutti ist so genügsam. Fordert nichts. Bittet um nichts. Doch, möchte ich dann sagen. Das tut sie schon. Aber ganz leise und immer nur ein einziges Mal. Wird das nicht gehört, fragt sie kein zweites Mal. Als ich noch mit Mutti am Klönen bin, kommt Sr. D. und bringt das Frühstückstablett. Das ist lieb. Sie sagt Mutti Guten Morgen und dann noch, Mutti müsse bis mittags ihren Becher leergetrunken haben. – Mutti und ich lächeln nur. Das sind auch so Momente, die ich liebe. Wo wir uns ansehn und ohne Worte verstehen.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 18 Feb 2018, 10:45 © kamia | |
| - Zitat :
- Was für Deinen Mann gut, richtig und wichtig ist, wäre fatal für meine Mutti. Das ist schon alles.
.... da hast du völlig recht liebe Aggi, ich weiß, egal in welcher Welt... das Fühlen bleibt... so oder so - Zitat :
- Glaub mir, ich würde mir einen Arm abhacken,
auch das würde ich nicht tun, den brauch ich ja noch - Zitat :
- Wüßtest Du, auf welches Podest ich Dich gestellt habe für all das, was und besonders mit welcher Liebe Du alles für Deinen Mann tust, hättest Du Höhenangst.
Das ist mir zu pathetisch - es wird getan was gebraucht wird. Vor allem hinterfrage ich nicht mehr jede Reaktion, auf Probleme in der Vergangenheit.... ich nehm's wie's kommt. Ändern kann ich nichts mehr! Es ist sooo schön das du dich noch mit deiner Mutter unterhalten kannst und sie ihre Wünsche artikulieren kann. Möge es noch lange so bleiben.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 18 Feb 2018, 14:16 © Aggi | |
| Liebe kamia, ich freu mich über Deine Zeilen. Du bringst mich zum Nachdenken genauso wie zum Lachen und dann bist Du noch die Sorte liebenswerter Mensch, die man (ich) um's Verrecken ja man gaaaa nie nich loben kann ... nach meiner Lebensphilosphie sind das immer die Besten! - kamia schrieb:
- Es ist sooo schön das du dich noch mit deiner Mutter unterhalten kannst und sie ihre Wünsche artikulieren kann.
Möge es noch lange so bleiben. Amen! Ich hoffe, Du und Dein Mann habt ein bißchen ein schönes Wochenende, hier scheint grad die Sonne - ich wünsche Euch noch viele gemeinsame Sonnenstunden! Alles Liebe, Aggi
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mo 19 Feb 2018, 10:30 © Aggi | |
| 20180219 Montagmorgen:
Zehn vor acht im Heim steht bei Mutti die Zimmertür offen, beim Reingehen kommt mir die Schwester vom Wochenende strahlend entgegen.
Mutti sitzt im Bett, Kopfteil hoch, Tablettwagen vorm Bauch, Frühstück schon da, Mutti hat den Kaffeebecher in der Hand. – Heuer also die megafixe Truppe.
Der Kaffee ist noch viel zu heiß und der Tablettwagen zu hoch. Nicht ärgern, ändern!
Mutti ist dankbar, daß ich erstmal kalt Wasser in den Kaffee tue. Und dann schneide ich ihr die Brotstücke noch mundgerecht, heute sind sie zu groß. Mutti ist begierig nach Neuigkeiten: „Hauptsache, ihr seid gut über den Winter gekommen.“
Ich seh, daß der Tablettenbecher schon leer ist, mußte Mutti die Tabletten also im Schnelldurchlauf mit viel zu heißem Kaffee trinken. Mutti: „Und dann sind die besonders schwer zu schlucken.“
Innerlich gebe ich dieser neuen Schwester für Tempo eine Eins Plus, für alles andere ein … naja … abhaken, ändern kann ich das System nicht.
Auch am Sonntag hatte Mutti kein Besuch. Als sie noch zuhause war, war das anders. Es versetzt mir kleine Stiche, aber ich lasse mir nichts anmerken, Mutti stört es nicht, keinen Besuch zu haben und ich bin heute morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden. Mein Problem.
Während wir noch beim Essen sind, kommt eine neue Reinigungsfrau. Fragt ganz verzagt, ich lache und sag, solange wir nicht den Raum verlassen müssen – da ist sie ganz erleichtert und wischt um uns herum. Ich sitz auf dem Rollator mit den Füßen auf den Stegen, kein Problem.
Mutti findet die auch nett – das ist schön. Mit Mutti klönen erdet mich wieder. Was mach ich nur, wenn sie mal nicht mehr ist? Hab schon überlegt, dann trotzdem noch ins Heim zu fahren und da die neuen Freunde zu besuchen. Ist das nur ein frommer Wunsch, der so „mittendrin“ aufkommt oder mach ich das wirklich? Oder ende ich hinterher auf dem Sofa mit der Decke überm Kopp?
Notiz an mich selbst: Putz mal Fenster, Du denkst zuviel!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Di 20 Feb 2018, 10:28 © Aggi | |
| 20180220 Dienstagmorgen: Nachdem gestern so ein doofer Tag war (einer dieser Tage, wo ich beim Aufwachen dachte, ich möchte am liebsten ins Bett gehen…), komm ich heut früh in die Garage und denk nur: „O-o!“ Die Innenlampe brennt, ich hab gestern die Fahrertür nicht richtig zugemacht. Ja, die Batterie ist alle, wieso versuch ich das überhaupt?! – Zum Glück haben wir zwei Autos. Bin dann um acht im Heim. Die neue Schwester ist noch bei Mutti, ich helf, das neue Laken aufzuziehen und die Unterlage aufzulegen. Kann endlich mal die Schwester fragen, wie sie heißt (trägt kein Namensschild). So ein schöner Name, Sr. L. Sie will Mutti noch die Haare kämmen, aber Mutti ist schon völlig erschöpft. Ich sag ihr, ich mach das gerne nach dem Frühstück, das Tablett hol ich auch gerne, dann kann Mutti erst noch verschnaufen. Sr. L. freut sich – sie hat so ein schönes Lächeln. Dann sind Mutti und ich allein. Mutti ist ganz mau-mau. Sagt mir, heute ist sie zweimal gewaschen worden ( kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen). Sag ich zu Mutti, das ist ja blöd. Aber schau, ( ich muster betont ihr Gesicht und ihre Arme) Haut haben sie aber noch dran gelassen. Da lächelt sie wieder. Ich erzähle von dem Auto-Fauxpas und wie blöd gestern war. Bei Mutti geht das immer gut mit „Hast Du das auch schon mal erlebt?“ – da seh ich immer, wie sie sich selber an was erinnert. Das ist immer schön. Zum Frühstück frag ich diesmal: „Mutti, Du baust mir zu viel Muskulatur ab. Möchtest Du nicht mal wieder zum Frühstück auf die Bettkante?“ – Sie verzieht prompt das Gesicht. Klares Nein. Dann grinst sie, schiebt ihren Nachthemdärmel hoch und schlackert mit dem Arm: „Ich hab doch eh keine Muskulatur mehr!“ *gg* Nicht zu toppen! Im sitz-liegen rutscht sie heute sogar so, wie sie sonst im Sitzen kippt. Blass im Gesicht. Gefällt mir gar nicht. Aber sie schafft mit viel Animation die Scheibe Brot und den Becher Kaffee – hätt ich heute nicht mal erwartet. Dann noch Haare kämmen. Ich bin mal wieder entsetzt von mir selbst. Wollte ich täglich machen, hab ich gestern nicht. Ein Mega-Vogelnest in ihren Haaren, das geht nicht so schnell. Aber irgendwie mit Fingern und Zackenkamm krieg ich das doch raus. Mutti sagt bei der Gelegenheit, notfalls nimmt sie selbst mal ne Rasierklinge. Also frag ich sie, Du, es gibt hier auch einen Frisör. War doch schonmal bei Dir. Könnt ich Bescheid sagen zum Haareschneiden. Wär das schöner, wenn Deine Haare kurz sind? Mutti antwortet: „Ach, erstmal sehen.“ – Klare Aussage, noch kein Frisör. Vorher zuhause hat sie öfter mal gesagt, ach, einfach abschneiden. Wollte dann aber doch nie. Für mich ist das so ein Thema, wo ich nicht genau weiß, ob ich eher mir oder ihr zuliebe will, dass ihre Haare lang bleiben. Darum frag ich manchmal. Zwischendurch meint sie nochmal, sie sei heute zweimal gewaschen worden. Das beschäftigt sie. Ich sag wieder, das ist ja blöd. Weil sie das braucht. Und lenk sie dann ab, indem ich das Hin- und Herrollen für Laken und Unterlage zu einer Rollkur erkläre. „Mutti, wozu ist überhaupt eine Rollkur?“ – „Für den Magen.“ Draußen treff ich noch die Schwester, die so nett ist und „schwedisch“ aussieht mit Osterdeko. Ich erzähl ihr, dass Mutti und ich heut die ersten Schneeglöckchen im Innenhof „entdeckt“ haben. Frühling liegt in der Luft. – Dann noch mit der guten Seele kurz geklönt, dass ich nach hause muß, weil mein Auto heute morgen nicht ansprang. Mein Mann wird mich wohl verprügeln. – Elisabeth: „Das schadet nicht!“ *loooooooooooooooooooooooooooool* - Ich fall ihr fast lachend um den Hals. – Elisabeth auch am Lachen: „Nee, so meinte ich das nicht. Sag ihm nur, hier vorm Heim steht eine mit ‚nem Stock in der Tasche. Soll er ruhig herkommen.“ – Wir lachen beide, richtig laut. So schön!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 21 Feb 2018, 13:38 © Aggi | |
| 20180221 Mittwochmorgen: Viertel vor acht im Heim, bin früh los, hatte Angst, es könnte noch was mit dem Auto sein, war aber alles in Ordnung. Mein Mann ist mein Held! Bei Mutti war noch keiner. Im Flur seh ich schon Sr. L. und grüße sie fröhlich. Bei Mutti noch alles dunkel, Mutti schläft. Ich wecke sie zart. Sie meint, sie hat gut geschlafen. Und im selben Atemzug, dass sie dann wach wird und nicht wieder einschlafen kann. Ich mach erstmal die Jalousien hoch und wir klönen. Zwischendurch steckt Sr. L. den Kopf rein, sie kommt gleich. Ich sag ihr, alles gut, keine Hektik. (Sie ist hektisch!). Sie kommt dann zehn nach acht. Mutti wundert sich schon, wo „die“ heute bleiben. Weiß aber noch: „Gestern bin ich zweimal gewaschen worden.“ – Ich helfe Sr. L., das Bett muss wieder neu bezogen werden, unter Mutti ist ein großer Urinfleck, das Nachthemd unten ganz nass. ( Mutti hat mir vorher nix davon erzählt - weiß/merkt sie es selber nicht?! Ich hab Gänsehaut..). Geh auch los, neue Wäsche holen. Helf beim Beziehen und hol ein paar neue Socken. Die grauen trägt Mutti jetzt seit einer Woche. Mutti hat eiskalte Füße und sehr kalte Hände. Sr. L. möchte gerne Muttis Haare waschen. Also erklärbär ich auch ihr, warum weniger besser ist. Zu anstrengend. Das Herz. Lieber nur einmal im Monat. Zuhause hatten wir nur zweimal im Jahr. – Versteht sie. Gut. Erst, als ich wieder zuhause bin, fällt mir auf, daß sie gar nicht Muttis Gebiß geputzt hab. Liegt das an meiner Anwesenheit? Aber wann soll ich denn kommen, die Waschzeiten sind mal so und mal so?? Mutti will wieder nicht sitzen. Ich seh ihr beim Kauen zu. Das ist für sie so anstrengend wie für mich Garten umgraben… Aber sie schafft die Scheibe und den Becher Kaffee. Aber ist immer erstaunt, wenn ich ihr sag, was oder wieviel (noch) auf dem Teller liegt. Essen vergessen… Und jetzt sitz ich hier zuhaus und ärger mich, dass mir das mit ihrem Gebiss erst aufgefallen ist, als ich wieder zuhause war. Das hätte ich auch putzen können. Zuhause hatten alle Handgriffe einen festen Rhythmus. Manchmal vermisse ich das. Wieso lass ich mich von der Hektik anstecken? Ich weiß nicht, wie ich das vermeiden kann...
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als die Schäden der Krankheit." |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 22 Feb 2018, 10:14 © Aggi | |
| 20180222 Donnerstagmorgen: Zehn vor acht im Heim steht meine gute Seele Elisabeth schon lächelnd vor der Tür am Rauchen. Grinst mich an, wie denn nun mein Mann wegen dem Auto reagiert hätte? Ich freu mich über die Anteilnahme und wir plaudern über das Verhalten unserer Männer als Beifahrer. Elisabeth: „Als ob ich das erste Mal Auto fahren würde.“ Ja, man kann manchmal nicht mit ihnen, aber niemals ohne sie! Bei Mutti ist schon Sr. L. zugange, die mich übers ganze Gesicht anstrahlt, also schein ich nicht zu stören. Mutti freut sich wie immer, dass ich da bin und ich sag fröhlich: „Da haben wir doch gestern glatt Deine Zähne vergessen, Mutti. Gib mal her, dann kann ich Sr. L. ein bißchen abnehmen.“ Nach dem unteren Gebiß sucht Mutti das zweite Teil noch mal unten. „Oben, Mutti.“ – Und dann kann ich nebenan im Bad in Ruhe und gründlich die Zähne putzen und bis dahin ist Sr. L. auch schon fast fertig. Während ich Mutti die Grüße von Elisabeth ausrichte und von den „Geschichten“ über unsere Männer erzähle, merke ich, dass auch Sr. L. zuhört, mitlacht. – Nein, ich glaub nicht, das ich störe. Haare kämmen will ich wie immer wohl nach dem Frühstück machen, ich hol dann nach ner Pause auch das Tablett. Erstmal klönen. Sr. L. verabschiedet sich mit einem „Bis morgen früh.“ und darüber freu ich mich. Diese vielen Wechsel sind auch für mich anstrengend. Ich frag Mutti, ob ich auch mal die andere Gardine aufziehen soll. „Guck mal, ich zieh die mal auf. Ist das was für Dich?“ – Mutti: „Ach, soviel seh ich ja nicht mehr. War ja früher schon mal hier, da ging das noch besser.“ Meint so ungefähr, dass sie nicht mehr die Vögel auf den Ästen sieht. Ich schätze, sie kann von den Bäumen draußen grad noch Umrisse erkennen. Aber es stört sie nicht und das ist gut. Und das sie seit Oktober durchgehend hier ist - wen stört's, zuhause wußte sie auch oft nicht, wo sie ist. Kein Frühstücken mehr auf der Bettkante. Aber sie sitz-liegt heute stabiler. Ist aber wieder erstaunt, das noch was auf dem Teller ist. Schafft alles auf, die Scheibe Brot. Den Becher Kaffee. Ich frag, ob sie zum Mittagessen denn Hilfe hat. „Och, da ist immer eine, die alles in mich reinschaufelt.“ Ist für sie was ganz Normales geworden. Alles gut.
Haare kämmen wird schwieriger, weil Mutti nicht mehr sitzen kann. Aber es geht. Hauptsache, es ziept nicht so. "Mutti, wir haben Schneeluft, Deine Haare fliegen." - "Oh ja." (Früher hätte sie jetzt Frisiercreme verlangt, heute ist ihr das wurscht). Manchmal, aber nur ungefähr einmal am Tag, frag ich mich, ob ich nicht wieder lieber zweimal am Tag kommen soll. Aber dann wird es schwer für mich. Was soll ich noch erzählen, wenn ich morgens schon da war, ich erleb doch eigentlich selber nix… hmm, ich muß mir selber sagen, lieber eine Stunde gut machen als mehrere so la-la … aber überzeugen tu ich mich selbst damit auch nicht. Ich hör nicht auf, mich nach der Tablette gegen schlechtes Gewissen zu sehnen.
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