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| Ich entscheide, nicht das Heim | |
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Aggi Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mo 07 Mai 2018, 12:04 © Aggi | |
| Liebe Ann, - Ann schrieb:
- Jaa, kommt es, liebe Aggi, und mir gefällt sie sehr
wenn ich Dich hier so lese im Forum, denk ich oft, Du bist eines dieser seltenen Kinder der Sonne: Verbreitest überall ein Strahlen! Eine liebe Umarmung für Dich! Aggi ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180507 Montagmorgen: Viertel vor acht im Heim ist bei Mutti noch die Wäsche in Gange. Erster Montag im Monat, heute ist Haarewaschen im Bett dran. Da meine Erkältung inzwischen aufgeblüht ist wie eine Rose auf Zucker geh ich ausnahmsweise mal raus und kümmer mich erstmal um meine gute Seele Elisabeth. Für die sollte ich heute Kleidersäcke mitnehmen. Aber erstmal bekomme ich nochmal den Tipp mit dem Schnapswickel. Hat Elisabeth immer bei ihren Kindern gemacht. Schnaps auf ein Stofftaschentuch und als Wickel über Nacht um den Hals. „Geht das auch mit Whisky? Wir haben keinen Schnaps im Haus?“ Ja, hauptsache hochprozentig. O.k., nach dem gestrigen Tag bin ich auch bereit, mit Domestos zu gurgeln. Das mit Muttis Wäsche zieht sich hin, also klön ich draußen noch mit Elisabeth über ihre Bäckerzeit. Die haben Elisabeth und Mutti ja gemeinsam, klär ich Elisabeth auf. Wie Mutti in der Nachkriegszeit, weil sie nach dem Tod ihres Vaters erst noch keine Krankenschwesterlehre anfangen durfte, erstmal beim Bäcker gelernt und gearbeitet hat. Was damals ja auch den Vorteil hatte, dass man gutes Essen bekam. Elisabeth weiß auch gleich davon zu erzählen. Wenn Brot vom Vortag über war, gab ihr Chef immer die Anweisung, das Vortagsbrot an Familien mit vielen Kindern zu verschenken. Für die war das wie Weihnachten und: „Das Vortagsbrot liess sich ja auch gleich viel dünner schneiden als das frische Brot!“ Später beim Frühstück unterhalte ich mich mit Mutti darüber. Wer kann heute eigentlich noch Brot schneiden? Und kennt diese Unterschiede, frisches und altes Brot zu schneiden? Oder wie damals Oma mit ihren fünf Kindern, den Mann in den letzten Kriegstagen an den Krieg verloren, Oma allen Kindern in der Baracke das Brot schnitt und für sich selbst nur die Brotkrümel vom Brotschneiden über blieben. In den ersten Nachkriegsjahren nach Opas Tod ist Oma immens abgemagert. Elisabeth hatte ich noch erzählt, wie Mutti in dieser Nachkriegszeit einen „Schatz“ gefunden hat. Reiner Zufall in dem Unterstand, den sie aufräumen sollte. Mutti brach mit dem Fuß in ein Bodenbrett ein und entdeckte so eine ganze Tüte Zucker. Niemandem durfte davon erzählt werden (gehörte schon der Oma, gehörte mit zum Haus, war also nicht "geklaut", aber heiss begehrt...). Ein Schatz in Zeiten, wo es gar nichts gab. Die Konfirmation der kleinsten Schwester stand bevor … wer kann dergl heute nachvollziehen? Mutti und ich husten heute um die Wette und ich beneide sie um ihren Hustensaft, der heut früh doch nochmal dabei steht. Aber ich bin zu müde, deshalb nochmal nachzufragen. Wichtiger: Mit meiner Hilfe schafft Mutti heute auch die Banane, die schon die ganze Zeit von den Schwestern bei ihr auf dem Nachttisch belassen wurde. Ein Tag noch, und die Banane wäre überreif. Ich freu mich so für Mutti und bringe sie zum Lachen, ich hätte schon richtig Angst gehabt, sie würde heute gar nicht mehr satt werden. Dass Essen der Scheibe Brot und der Banane dauert eine dreiviertel Stunde, aber wurscht, wenn es ihr schmeckt. Wir werden nicht nach Zeit bezahlt! Das einzige, was mir im Moment fehlt, ist das Kuscheln und die Küsschen. Geht nicht auf Erkältung. Lieber kein Körperkontakt. Mutti versteht das.
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| | | Ann Ist hier Zuhause
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| | | | kamia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mo 07 Mai 2018, 13:18 © kamia | |
| Gute Besserung euch beiden
mit lieben Grüßen Wenn jemand sagt: Das geht nicht! Denke daran: Das sind seine Grenzen, nicht deine.“ (Unbekannt) |
| | | soda1964 Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mo 07 Mai 2018, 20:12 © soda1964 | |
| Liebe Aggi gute Besserung euch beiden auch von mir. Wie schön, dass du deiner Mutti auch vom Forum hier erzählst Und Ann schliesse ich mich gerne an: - Zitat :
- Jaa, kommt es, liebe Aggi, und mir gefällt sie sehr
Herzliche Grüsse
ThereseMan muss mit Allem rechnen - auch mit dem Guten.
Die wahre Lebenskunst besteht darin, im alltäglichen das Wunderbare zu sehen. Pearl s. Buck
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Di 08 Mai 2018, 04:26 © Aggi | |
| Oh, ihr seid ja lieb! Liebe Ann, Karin und Therese, meine Nase bedankt sich herzlich für Euer Mitgefühl und lässt ausrichten, sie ist zur Zeit damit beschäftigt, meinem rechten Ohr Trompetentöne beizubringen. Immer, wenn ich sie putze, "quietscht" mein rechtes Ohr, als würde es versuche, Do-Re-Mi-Fa-So-Le-Li-Lo herauszubekommen... ^^ - soda1964 schrieb:
- Wie schön, dass du deiner Mutti auch vom Forum hier erzählst
Ist doch normal, ich red doch mit Mutti darüber, was mich berührt und erfreut. Das Schöne, obwohl Mutti "Internet" selbst nie kennengelernt hat, nur von dem, was Kl.Bruder und ich so erzählen, hört sie inzwischen richtig gerne, wenn ich von "Euch" erzähle. Sie spürt, das ihr mir gut tut! Euch Dreien liebe Grüße und hoffentlich Gesundheit! Aggi
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Di 08 Mai 2018, 10:46 © Aggi | |
| 20180508 Dienstagmorgen: Viertel vor acht im Heim fall ich beim Eintreten beinahe um, weil genau in der Sekunde ein Bewohner andere Bewohner freundlich laut mit „Moin!“ begrüßt. So süß, wie er mich angrinst, er hat gesehen, dass ich mich verjagt hab. Bei Mutti ist die Wäsche fast fertig und Mutti liegt entspannt in den Kissen. Als die Schwester ihre Sachen eingepackt hat, hab ich schon den Holzkalender umgestellt und die neue Heimzeitung entdeckt. Zeige Mutti das Titelbild ( A-4-Format, in der Mitte prangt ein großes Blumenfoto). Aber Mutti kann die Blumen kaum erkennen, meint, sie müsse das Bild doch wohl näher vor Augen haben ( ich halte ihr die Zeitung schon sehr dicht vor die Nase – es wird einfach immer weniger, was sie erkennen kann). Also „sehe“ ich die Zeitung für sie. Bitte um Erlaubnis, ob ich mal blättern darf und erzähle dann ein bißchen. „Guck, bei den Geburtstagen für dies Quartal bist Du auch dabei.“ Mutti lacht. „Also nee, nee, nee, hamm sie Deinen Namen wieder mit D statt mit T am Ende.“ Mutti winkt ab, das Thema hat sie schon ihr Leben lang. „Kiek, so wie ich immer Post an „Herrn“ Aggi … bekomme!“ Das bringt sie zum Lachen. Als ich ihr erzähle, dass da auch ein grosses Kreuzworträtsel drinne ist ( also mit extra grossen Buchstaben) wird sie hellhörig. Zeige ich sofort. Das findet sie schön. Hat ihr Leben lang so gerne Kreuzworträtsel gemacht, bis das Sehen nicht mehr ging. Das Rätsel lösen wir demnächst mal gemeinsam. Erstmal das Frühstück holen. Heute wieder mit Hustensaft. Irgendwie stimmt da was nicht, aber was soll ich machen bei ständig andern Schwestern pro Schicht?! Morgens von 8 bis 9 habe ich keine Chance, dergl mit einer Fachkraft in Ruhe zu besprechen, aber ich fahre heute eh nochmal ins Heim, also mal gucken. Irgendwie ist bei der Medikation der Wurm drin – aber woher weiß ich, ob es überhaupt irgendwo perfekt zu haben ist? Muttis Husten ist noch da, aber auch heute wieder einen Millimeter besser als gestern und sie klagt nicht mehr drüber. Sie schafft ihre Scheibe Brot und tippt dann auf die Schale mit dem Wackelpudding und fragt, was das sei? Ich zeig ihr die grüne Götterspeise – Mutti verzieht gleich das Gesicht: „Ich mag keine Götterspeise.“ Alles gut, Mutti, die bieten ja nur an, Du musst ja nicht. Als sie mit dem Frühstück fertig ist, nehme ich nochmal die Heimzeitung und frag Mutti, ob ich ihr das Dröste-Hülshoff Gedicht vorlesen darf. Darf ich. „An meine Mutter“. Während ich beim Lesen noch denke, hmmm, mal nicht so nach meinem Geschmack, meint Mutti hinterher, ( bei ihr geht das jetzt immer etwas Zeitversetzt, wenn ich schon in Gedanken woanders bin, kommt Mutti mit einer Antwort, wo ich sehe, sie braucht einfach was länger, warum gemeinsam Schweigen immer wichtiger wird – ihr Zeit geben!) ihre Mutti hat viele „Hülsdorf“-Gedichte auswendig gelernt. Ist ganz angetan. Das freut mich so! Ist doch wurscht, ob ich das Gedicht grad mochte, Mutti hat es an was Schönes erinnert! Als ich dann gehe, verlässt vor mir grad ihr Zimmernachbar das Haus für seine morgendliche Runde am Rollator. Ich mach mich bemerkbar, damit er nicht erschreckt, wenn ich „aus seinem Schatten“ trete und er spricht mich gleich an, wann meine Mutti denn Geburtstag hat. Er hätte doch von ihr zu seinem auch was bekommen. – Ich bin total gerührt, danach hatte er neulich schon gefragt, da hatte ich noch ganz verlegen abgewehrt, so sinngemäß, es würde noch dauern oder so. Jetzt sag ich ihm das Datum, füg aber dazu, er müsse ihr aber doch nichts schenken, das hätten wir doch gerne gemacht. Da richtet er sich zu voller Größe auf: „Aber das ist doch selbstverständlich!“ Ich verabschiede mich lächelnd. Da sind die, für die vieles so selbstverständlich ist. Und ich weiß, es wird eigene Kinder geben, die Mutti zu ihrem Geburtstag mal wieder nichts schenken werden … nein, für mich ist vieles nicht mehr selbstverständlich. Und bin gerührt, dass ihr Zimmernachbar das noch nicht vergessen hat. Andere Dinge vergisst er inzwischen, aber das hat er sich gemerkt.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Di 08 Mai 2018, 16:10 © Aggi | |
| 20180508 Dienstagmittag: Wegen meinen Zweifeln an der Richtigkeit der Medikation bei Muttis Husten, da ja auch heut früh schon wieder Hustensaft auf dem Tablett stand, der eigentlich schon alle sein muss, fahr ich dann gegen Mittag nochmal zum Heim, in der Hoffnung, in der Mittagessenszeit die Pflegedienstleiterin anzutreffen. Ist dienstags eigentlich immer eine gute Gelegenheit. Lustlos mache ich mich auf den Weg, eigentlich würde ich lieber noch schmollen, weil ich erkältet bin. Und irgendwie macht mir das keinen Spaß, sowas nachzufragen, würde mich am liebsten darum drücken, aber es geht nicht um mich, es geht um Mutti und zu den Aufgaben einer Bevollmächtigten gehört auch die Kontrolle der Medikation. Und da hab ich meine Zweifel. Wünsche mir aber, dass ich mich irre. Als ich die PDL dann sprechen kann, geht alles sehr freundlich über die Bühne. Ich sage ihr, so wie es ist, dass ich einfach Angst hab und verwirrt bin, weil einerseits was das Antibiotikum angeht, es erst hiess, dass bekommt Mutti morgens noch vor dem Frühstück. Dann war es doch zweimal zum Frühstück dabei. Außerdem musste ich dem Hustensaft ja auch mal hinterherlaufen und dann gab es keinen mehr und seit gestern doch wieder, dabei müsste er bei einer 100 ml Flasche seit Samstag alle sein. Der Fehler wird von ihr gefunden. Sr. V. hatte das Mucosolvan nicht in den PC eingetragen, gedacht, sei nicht nötig, weil es ja nur so eine kleine Flasche ist. Die PDL wird Anweisung geben, dass das zukünftig nicht mehr vorkommt. Natürlich versucht die PDL auch, die Angelegenheit zu verharmlosen, war ja auch viel los oder bei alten Menschen ist der Husten ja auch – äh, Wortlaut vergessen – intensiver. Klar, ist ihre Aufgabe, so zu reden. Dafür hatte ich aber schon einige Ungereimtheiten auch bei anderen Sachen um die Medikation bei Mutti und lerne einfach für mich, ich muss noch besser aufpassen. Das Heim ist gut. Fehler passieren und in diesem Fall kann ich es auch nicht rückgängig machen. Ich wollte nur für die Zukunft erreichen, dass es sich nicht wiederholt. Heimlich hatte ich mir gewünscht, es hätte eine neue Flasche Hustensaft gegeben, die keiner mehr wollte und die Mutti „geschenkt“ worden wär. Wurscht, abhaken. Weitergehen. Irgendwo tief in mir drinnen ärger ich mich zwar noch, aber in Sachen Medis bin ich auch pingelig, da versteh ich keinen Spaß. Man möge es mir nachsehen. Mit der PDL habe ich sehr freundlich gesprochen, war ein schönes Gespräch, wo es, als die Sache geklärt war, noch ganz entspannt um andere Dinge ging. Auch um all die Dinge, die mir im Haus so gut gefallen! Und dann fahr ich heut abend noch mal hin. Pommes für Elisabeth bringen und dann weiter zu Mutti, ob ich heut nacht bei ihr schlafen darf, wo ich ab heute Strohwitwe bin ... die wird mich auslachen und darauf lege ich es ja an!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 09 Mai 2018, 05:08 © Aggi | |
| 20180508 Dienstagabend: Zwanzig nach fünf bin ich dann am Abend ja noch mal am Heim mit den Pommes Rot/Weiß, die ich Elisabeth für ihren Mann versprochen hatte. Als ich aus dem Auto steige, höre ich Elisabeth schon rufen, sie steht – wie angesagt – draußen, um „mich in Empfang zu nehmen“. Während sie noch aufraucht, kann ich ihr, nicht ohne ihren Protest, das Wechselgeld in die Handtasche stecken. Und weil das mit ihrem Gehwagen und einer Pommes plus den beiden Dosen Majo und Ketchup schwierig ist, begleite ich sie noch eben zu ihrem Mann, der sich richtig über das Essen freut! Im Flur sitzt eine 3er-Gruppe Bewohner, zwei Männer und eine Frau, die wohl schon auf das Essen im Speisesaal wartet. Da ich sie alle inzwischen vom Sehen längst kenne, grüße ich kurz und werde neugierig nach meiner Mutter ausgefragt. Warum sie nicht aus dem Zimmer kommt? Sie ist doch im Blauen Bereich? Das letzte Zimmer in dem Flur da und da? Innerlich muss ich grinsen, wie gut alle Bescheid wissen. Und damit keiner denkt, meine Mutti hält sich für was Besseres, dass sie sich nicht blicken lässt, erzähle ich immer gleich von ihrem kranken Herz. Dann kommt meist ein verständnisvolles Nicken und ich versichere allen, wie zufrieden Mutti ist und ja längst weiß, wie gutaussehend die männlichen Bewohner (dabei tippe ich den Mann rechts von mir an) hier alle sind. Alle fangen an zu lachen – ist doch schön! Mutti liegt ganz verschlafen im Bett, erinnert sich aber gleich an mein Versprechen, dass ich heut Abend nochmal wieder kommen wollte. Ich erzähl von den Pommes – das findet sie schön, wie sich Elisabeth um ihren Mann kümmert. Und wie neugierig hier doch alle nach ihr fragen. Da macht Mutti große Augen. Sag ich: "Ist doch so in einer grossen Familie, da fragt doch jeder nach dem andern!" ( Ich lasse immer öfter Worte wie "zu Hause" und "Familie" einfliessen, denn das ist es hier ja jetzt für Mutti, ihr neues zuhause, ihre neue Familie. Und Mutti gefällt das.) Das ich den andern von ihrem „kranken Herz“ erzähle, wundert sie, sehe ich an ihrer Mimik. Sie hat wieder vergessen, dass sie herzkrank ist. Die Diagnose ist viel zu jung für sie. Das mit ihren Magenproblemen hat sie schon lange und bleibt in ihrem Gedächtnis haften. Aber die Herzklappenverengung war ihr ja erst sehr spät diagnostiziert worden. Dann geh ich los, ob ich das Abendbrot für sie finde und treffe direkt eine dankbare Schwester, die sich freut, dass ich mich heut Abend drum kümmern kann. Sie sagt mir gleich dazu, dass der Hustensaft für Mutti jetzt nochmal mit dem Hausarzt besprochen wurde und danach nochmal eine Flasche geordert wurde. Das hatte heut Mittag die Pflegedienstleiterin schon angedacht. Ich freu mich, dass ich so prompt informiert werde! Auf dem Tablett stehen dann auch beide Tablettenbecher, die mit der Magentablette und ein Becher mit Hustensaft. Und eine Kumme mit Milchreis. Und ein Wackelpudding. Und ein Teller schön mit Salat-Deko, richtig was für’s Auge, mit einer halben Scheibe Wurstbrot. Abends dann mit einem Becher warmen Wasser, das mag Mutti gerne. Mutti schafft dann aber nur mit etlichen Aufforderungen die halbe Scheibe Brot – hat immer wieder was von „Essen vergessen“. Aber ich bringe sie immer wieder zum Lachen, weil es so schöne rosafarbene Kinderwurst drauf gibt: „Mutti, die muss von richtig glücklichen Kindern sein!“ ^^ Auch die Deko beschreib ich ihr. Ein Stück Salatblatt und eine rohe Scheibe Karotte. Mutti sagt gleich, dass Salatblatt kann sie aber nicht kauen. Kenne ich von ihr, nicht bissfest genug für ihre Zähne/Gebiss. Aber als der Teller dann doch leer ist, tastet Mutti wie so oft (wie eine Blinde) den Teller mit den Fingern ab, erhascht die „Salat-Deko“ und steckt sich beides in den Mund. Das Salatblatt geht doch runter, aber nach einer Weile nimmt sie grinsend die Möhrenscheibe aus dem Mund und meint schmunzelnd, um die zu schmelzen braucht sie wohl 5 Stunden. Bei den Medis nach dem Brot ist Mutti schon so uppe, dass sie mit der Koordination in Tüddel kommt. Das beobachte ich auch immer öfter, wenn sie dann z.B. den Medibecher oder was anderes zwar in der Hand hält, aber nicht mehr weiterkommt. Entweder vergisst, dass sie das in der Hand hat oder auch denkt, sie hat es schon geschluckt. Geht aber immer mit sanfter Unterstützung. Mal ein Wort, mal eine Berührung, halt immer wiederkehrend. So kann ich als Tochter das jedenfalls machen. Wäre ich Pflegeschwester, müsste ich bestimmter vorgehen oder auf einen Planeten umziehen, wo ich pro Patient beim Essen eine Stunde Zeit habe. Für dem Milchreis oder den Wackelpudding kann ich Mutti nicht gewinnen. Milchreis hat sie sonst (noch zu Hause) schon mal gerne gegessen, aber auch nur sporadisch auf besonderen Wunsch. Heut Abend keine Chance. Unglaublich süß finde ich, wie Mutti heute auf mein gespieltes Betteln, ob ich heut Nacht bei ihr schlafen darf, weil ich „ganz alleine“ bin. Sonst hat sie bei diesen Scherzen immer zurückgeflachst: „Bleib mal schön in Deinem Bett!“ wo ich dann gespielt immer in Tränen ausbreche: „Du liebst mich nicht määä-hääär…“ – Heute meint sie sofort und rückt sogar einen Millimeter zur Seite: „Warum nicht!“ – Wär ich nicht erkältet, wär ich ins Bett zu ihr gesprungen und ihr um den Hals gefallen. So süß! Aber da wir beide ja noch am Husten sind, bleiben wir dann doch lieber jede im eigenen Bett.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 09 Mai 2018, 12:45 © Aggi | |
| 20180509 Mittwochmorgen: Als ich zehn vor acht im Heim ankomme, winkt mir meine gute Seele Elisabeth im Flur schon entgegen, ob ich kurz mitkommen kann, bei Mutti sei eh noch die Wäsche? – Sie fragt mich dann, ob ich ihr für den kommenden Muttertag Rosensträuße besorgen kann. Möchte sie Mitbewohnern, die alleine da stehen, schenken. Kein Thema, hol ich dann aber lieber erst Samstag, damit sie bis dahin nicht verwelken. Als ich dann zu Mutti weitergehe, kommt grad die Pflegedienstleiterin raus und lacht mich an: „Da können wir ja abklatschen!“ – Mutti liegt zufrieden lächelnd in den Kissen und hustet erstmal. Sie tut mir so leid und irgendwie ärger ich mich immer noch, dass ihr Hustensaft vergessen wurde. Aber ich klöne fröhlich wie immer mit ihr und hole dann bald das Frühstück. Hustensaft steht auch dabei und neben den anderthalb Scheiben Brot ein Wackelpudding. Während Mutti isst, erzähle ich von der Hoffnung, dass die liebe Frau H. hoffentlich bald aus dem Krankenhaus entlassen wird und wieder „hierher nach Hause“ kommt. Das fände Mutti auch schön. In der neuen Heimzeitung ist Frau H. auf einem der Bilder mit drauf und ich zeig Mutti das versuchshalber mal. Heute klappt es besser mit dem Sehen – hab ich auch schon gemerkt, ist mal so und mal so. Ich zeig erst auf Elisabeth, die auch auf dem Foto ist, ob Mutti die erkennt und nach einer Sekunde meint Mutti, ja, da ist Elisabeth. Dann ist da noch jemand drauf, den sie kennt und vor allen Dingen auch sehen kann. Also geh ich mit dem Finger runter und zeige auf Frau H. Und heute kann Mutti schon was sehen und meint lächelnd, ach so eine Liebe. Und ich sag dazu, glaubt man gar nicht, dass sie schon 94 ist. Da staunt Mutti, nein, das glaubt man nicht. Mutti schafft heute die anderthalb Scheiben Brot, aber den Wackelpudding werde ich nicht an sie los. Sie macht ein Gesicht, als hätte ich ihr Spülwasser angeboten – klares Nein! Nach dem Essen entzusel ich noch wieder Vogelnester aus ihrem Haar, da hat die PDL wohl nicht gekämmt. Während ich die Knoten mühsam entwirre, unterhalte ich mich mit Mutti über die Frage, warum diese gordischen Haarknoten eigentlich nie oben auf dem Kopf sondern immer nur versteckt unter anderen Haaren liegen? Mutti lacht und sagt auf meine Frage nach dem Haare entknoten, doch, wie sind noch Freunde. War nicht schlimm! Ich fahr noch weiter ins Dorf, für mich und Elisabeth einkaufen, das passt ganz gut, dann bin ich ca. halb zehn zurück, eine gute Zeit, eine Schwester anzutreffen und noch um eine neue Packung Augentropfen für Mutti zu bitten, die alte ist heute abgelaufen. Ich hatte eingeführt (so hatte ich das zuhause bei Mutti schon gemacht), das „Haltbarkeitsdatum“ mit Kuli auf die Packung zu schreiben, weil man die Dinger nach 4 Wochen wirklich entsorgen soll. Ich weiß, dass noch 2 Packungen da sind, also erstmal ins Dorf. Als ich das dann erledigt hab, treff ich auch die Schwestern bei ihrer Pause auf der Terrasse, kein Problem, meint die PDL, sie holt gleich eine neue Packung. Da sei ihr heut früh das Datum wohl entgangen (ich hab die alte Packung gleich mitgebracht). Als ich dann noch bei Mutti sitze, bringt sie auch gleich eine neue, neu beschriftete Packung und ich sag noch vorsorglich, dann müsste jetzt noch eine Packung da sein. – Nein, das war die letzte. Also fange ich mal wieder an, an meinem Verstand zu zweifeln. Ich irre mich ja schon mal im Jahr, im Tagesdatum, in der Uhrzeit und beim Kopfrechnen, aber dergl Rechnungen, speziell für andere, stimmen eigentlich immer. Es sei denn, ich wurde von Marsmenschen entführt und hab was verpasst … Die PDL will noch mal nachsehen, ob sie eine Packung übersehen hat, sie müsse eh ins Dienstzimmer zur Medikamentenausgabesortierungsdings. Als ich dann gehe, klopf ich da noch kurz an, die PDL guckt dann auch gleich in Muttis Medi-Schublade. Keine weiteren Augentropfen. Ich glaub, ich spinne. Hab ich auf Antibiotika und jetzt auf Erkältung vielleicht einfach Gehirnzellen eingebüßt? In zwei Monaten werde ich immerhin schon 54 Jahre alt, wäre in anderen Kulturen also schon mehrfache Ur-Oma oder in früheren Zeiten schon vor Jahren verstorben … ?! Nein, ich hab mich nicht geirrt, stelle ich dann hier zuhause anhand meiner eigenen Unterlagen fest. Da hätte noch die Flasche sein müssen, die Sr. V. bestellte, obwohl grad die 3er-Packung, die ich gebracht hatte, angebrochen worden war. Die PDL hatte es mit einem: „Nein, da ist keine.“ und einem Schulterzucken abgetan. Und ich ärger mich. 5 Euro für eine Flasche, die verschwunden ist. Oder jetzt die über 13 Euro für nochmal Hustensaft, weil die erste Flasche tagelang vergessen worden war und jetzt eine zweite nötig ist. Ist denn alles tüddelüttütüüü??? An dem Sonntag, wo der Bereitsschaftsarzt bei Mutti war wegen ihrem Husten und Angst vor Lungenentzündung stellte der dann ja noch fest, dass Muttis Krankenkassekarte „falsch“ ist. Er fragte nämlich, ob sie vorher schon in einem anderen Heim war und nannte ihre Heimatort-Wohnadresse, die Muttis Gesundheitskarte ausgespuckt hatte. Da die Haus-Nummer zwei-zahlig ist (Doppelhaus) dachte er, da sei auch ein Pflegeheim gewesen. Ich war ganz perplex, weil ich noch wusste, dass letztes Jahr die Krankenkasse beizeiten eine neue Krankenkassenkarte geschickt hatte und ich davon ausging, da ist die neue Adresse vom Pflegeheim drauf. Sr. V. hatte dann gesagt, kein Problem, sie bestellt eine neue Karte. Jetzt hab ich grad mal nachgeschaut: Die Zustellung dieser neuen Karte ging an Muttis Anschrift im Heim. Von daher müssen auf der Karte auch diese neuen Daten drauf sein. Hat mir grad die Krankenkasse telefonisch bestätigt. Wurde damals die neue Karte weggeschmissen und die alte behalten? Ist jetzt eine neue bestellt worden - ich muss ja wieder los, Augentropfen holen??? – Also noch eine Sache mehr, die ich morgen klären werde, jetzt hab ich zwei Karten-Endnummern und kann direkt im Heim nachsehen, welche Karte da nun vorhanden ist. Also, wenn wo der Wurm drin ist … Und fürs Protokoll: Das alles finde ich NICHT beruhigend!
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 10 Mai 2018, 12:11 © Aggi | |
| 20180510 Donnerstagmorgen: Vatertag kurz vor acht im Heim ist bei Mutti die Wäsche schon durch. Mutti ist ganz erstaunt, mich zu sehen. „Ist das nicht die andere, die morgens immer kommt?“ Ich begrüße sie lächelnd und sag ganz ruhig, ich komme jeden Morgen zu Dir. Bringe Mutti zum Lächeln mit dem Geschenk, dass Mutti Elisabeth gleich macht. Elisabeth hatte wegen kleiner Grusskarten gefragt, die von neulich sind bis auf eine Karte schon verbraucht und ich hatte gestern aus Muttis Fundus noch eine Restetüte zusammengestellt als Geschenk. Mit rotem Glöckchenband von irgendeinem Osterhasen. Das findet Mutti schön! Als ich im Dienstzimmer ihr Frühstückstablett holen will, fehlt wieder der Hustensaft. Ich finde auf die Schnelle Sr. K., die grinst: „Das hat der Nachtdienst wohl vergessen.“ Sie füllt mir einen Becher ab und bei der Gelegenheit erzähl ich ihr von meinem Briefumschlag, den ich heut früh am Pflegestützpunkt abgelegt hab. Sei eine „inoffizielle“ Anfrage wegen verschiedener Sachen, die Seiten nach Erledigung gerne wegwerfen. Da klärt sich gleich, dass sich gestern Nachmittag die fehlende Packung Augentropfen doch noch woanders eingefunden hat. Sr. J. hätte die gefunden, meint Sr. K. Bleiben nur noch die Fragen zu Muttis Gesundheitskarte und wovon demnächst die Apothekenrechnungen bezahlt werden, ob das auch vom Taschengeldkonto geht, weil Mutti kein Bargeld mehr hat. Im Flur hör ich dann noch von meiner guten Seele Elisabeth, dass Frau H. gestern wirklich zurück „nach Hause“ gekommen ist. Hab ich mir schon gedacht oder gewünscht, weil ihr Postfach heut früh leer ist. Ob ich demnächst mal ein günstiges Handy für sie besorgen kann, damit sie telefonieren kann, wenn noch mal sowas ist? Da sei so viel so blöd gelaufen, sie hatte im Krankenhaus nicht mal eine Hose, um mal rauszugehen. Lauter Sachen, die fehlten und nur schleppend Stück für Stück nachgereicht wurden. Elisabeth schüttelt mal wieder nur noch den Kopf. Einen besseren Heimbeirat als sie kann sich kein Heim wünschen! Mutti freut sich dann auch, dass Frau H. wieder zurück ist: „Das sind gute Nachrichten!“ Während Mutti mit ihrem Frühstück anfängt, kommt Elisabeth zu uns und bedankt sich bei Mutti für die Karten. Mutti grinst so fröhlich – sie hat Elisabeth inzwischen fest ins Herz geschlossen. Auch wenn Elisabeth in ihrer Über-Muttertier jedes Mal mahnt: „Immer schön aufessen!“ (worauf Mutti normalerweise allergisch reagiert), grinst Mutti nur und nickt. Sie mag die Besuche von Elisabeth. Muttis Husten ist noch da, ich hoffe, in einer Woche ist das überstanden. Zu Essen hat Mutti heute anderthalb Scheiben Brot auf dem Tablett und wieder den roten Wackelpudding. Manchmal frage ich mich doch, ob es tagelang immer derselbe ist. Oder ob Wackelpuddingse auch Gefühle haben? Auch dieser geht ungegessen zurück. Heut meint Mutti, nachdem sie angewidert das Gesicht verzogen hat, sogar sehr klar: „Zu Anfang habe ich noch Wackelpudding gegessen. Aber jetzt kann ich ihn nicht mehr sehen.“ = Ihre Worte. Wortwörtlich. Und damit liegt sie in Übereinstimmung mit etlichen Bewohnern des Hauses. Man kann doch auch nicht jeden Tag Nutella essen, finde ich?! Mutti ist nach dem Essen satt und zufrieden und heute frag ich mal, ob sie möchte, dass ich sie noch kämme. Ihre Haare sehen gut aus, aber aus irgendeinem Grund frag ich mal. Da leuchten ihre Augen. Jo, dann kämm ich Dich doch gerne! – Gibt nichts zu Kämmen, Mutti ist wohlfrisiert, aber sie genießt das Getüdel in den Haaren. Schön! Ich doch auch. Da es meinem Hals so langsam besser geht, frag ich, ob ich mal wieder eine Geschichte vorlesen darf, die nächste hätte so einen lustigen Titel: „Schluss mit Diät“. Mutti grinst und bittet drum. Die Geschichte begeistert sie vom ersten Satz an. Macht mir selbst richtig Spaß, diese Diätgeschichte auch mit der entsprechenden Betonung für sie vorzulesen. Mutti klebt an meinen Lippen und seufzt und „Ach nee“-t und lacht und schmunzelt und ist am Ende richtig redselig. Erzählt, dass ihre Mutter doch man gar nichts von Diäten gehalten hat. Sie/meine Oma hat immer den Teller leer gegessen und sich gesund ernährt und wenn ihr jemand von Diät erzählt hat, musste man noch in Deckung gehen, sich nicht noch eine einzufangen. (Meine Oma war übrigens auch nie dick.) Ich kenne meine Oma nur als liebe, sanfte Frau, die höchstens mal streng gesagt hätte: „Och, Tüdderkram.“ Aber Mutti als ihre Tochter hat bestimmt auch die energische Mutter in Erinnerung. Wobei ich nie gehört hab, dass Omi je die Hand erhoben hat. Dann bitte ich Mutti noch um Erlaubnis, noch einmal kurz rüber ins andere Zimmer zu Frau H. zu gehen, wollte sie doch einmal begrüßen. Und Frau H., im Bett liegend, strahlt über das ganze Gesicht, als sie mich sieht! Sie käme grade aus dem Bad: „Erstmal den Dreck aus dem Krankenhaus abgewaschen!“ (Natürlich mit Hilfe einer Schwester, sie ist noch recht schwach und muss wohl erst noch im Bett bleiben.) Aber wir haben wohl 10 Minuten geklönt und sie davon die meiste Zeit wie ein Wasserfall. Da ich noch erkältet bin, blieb ich sicherheitshalber am Bettende stehen und hab ihr auch nicht die Hand gegeben. Am liebsten hätte ich mich zu ihr gesetzt und sie umarmt. Aber das hat sie verstanden. Ich sei die Einzige gewesen, die sie im Krankenhaus besucht hat und ich solle meine Mutter grüssen und gratulieren, was für eine tolle Tochter sie hat. Geht mir runter wie Honig… Sie erzählt mir von ihrem Mann, wie der an Krebs gestorben ist, sie aber einen Arzt hatte, der ihnen auf überirdisch menschliche Weise geholfen hat. Jeden Abend ist er vorbeigekommen. „Aggi, welcher Arzt macht das heute noch?“ Und ihr Mann hätte sie morgens gegen vier Uhr immer zu sich gerufen, dann musste sie immer mit ihm zusammen den wunderschönen Sonnenaufgang ansehen. Davon erzählt sie mir. Von den schönen Erinnerungen. Und wie froh sie ist, wieder in ihrem Zimmer zu sein! Dann nochmal zu Mutti, die sich über die Grüße freut und mich dann fragt, wer das denn da neben ihr sei. Ich erzähle ihr nochmal von ihrem Zimmernachbar. Und auch so: „Du, ist ja auch schwer, wenn man seine Nachbarn noch gar nicht selber gesehen hat.“ Da meint Mutti, sie habe ihn schon ein paar Mal auf der anderen Straßenseite gesehen, aber sie käme schon manchmal durcheinander. O.k., es gibt keine andere Strassenseite zu sehen von ihrem Zimmer hier im Heim, aber sie hat lange genug an Orten gewohnt, wo sie Blick auf die Straße hatte. Also sag ich: „Du, ist jedenfalls ein ganz Lieber!“ Und das ist dann gut. Beim Gehen kann ich dann noch draußen helfen, den Sonnenschirm aufzukurbeln. Premiere, hab ich noch nie gemacht, aber es klappt, ohne, dass ich was kaputt mache. Will mich dann verabschieden, habe aber nicht die Rechnung ohne „meinen Freund“ gemacht. Wo denn der Gärtner ist? – Ja heute ist doch Feiertag. – Aber der Gärtner muss jetzt kommen! Es geht dann um Brennesseln, die im Beet stehen, und ausser meinen Freund eigentlich niemanden stören. Frau P. versucht noch, mich zu unterstützen, aber mein Freund bleibt hartnäckig und bevor er aufsteht und ins Beet fällt, geh ich wieder rein und hol Tücher, um das Ärgernis zu beseitigen. Und als das erledigt ist und ich noch einen schönen Himmelfahrtstag wünsche, korrigiert mich mein Freund, weil wir doch Vatertag haben. Mein Fehler! Und morgen ist Muttertag! Hat er gesagt. So. ^^
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 10 Mai 2018, 15:16 © gisela | |
| - Zitat :
- Bleiben nur noch die Fragen zu Muttis Gesundheitskarte und wovon demnächst die Apothekenrechnungen bezahlt werden, ob das auch vom Taschengeldkonto geht, weil Mutti kein Bargeld mehr hat.
wolltest du nicht mal eine Befreiung beantragen? ich würds machen an einer stelle........spart wirklich kosten
lieben gruß gisela mein Vorbild ?....der Löwenzahn...wenn er es schafft durch Asphalt zu wachsen...kann auch ich scheinbar unmögliches schaffen |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 11 Mai 2018, 04:29 © Aggi | |
| Liebe Gisela, - gisela schrieb:
- wolltest du nicht mal eine Befreiung beantragen?
ich würds machen an einer stelle........spart wirklich kosten ja, das habe ich auch. Aber erst muss die Belastungsgrenze von knapp 50 Euro erreicht sein. Und dann kommt das nächste Problem, dass das Sozialamt in Muttis konkreten Fall u.U. keine Sozialhilfe leistet. Der Sachname macht dann die Musik. Die Klärung ist immer noch offen.... Was unterm Strich nichts daran ändert, dass Mutti immer noch ihre Schulden bedient (beim Sozialamt jetzt die, die rückwirkend beim Heim entstanden sind und solange das Haus ja noch nicht verkauft ist, wachsen die Schulden aufs Haus noch weiter an...). Und beim letzten Telefonat mit dem Sozialamt meinte die Dame am Rande, die Kosten für die Medikamente gingen ja vom Taschengeldkonto - ich wollte es wenigstens versuchen, solange, bis das mal geklärt ist. Und bis dahin trete ich von meinem Geld in Vorleistung, aber mit meiner Rente muss ich ja selber gucken, wie ich über den Monat komme, so grosse Sprünge kann ich mir ja gar nicht leisten. Alles zum Mäusemelken wegen Muttis einzigartiger Schuldensituation. Wie sagte mein Vater damals kurz vor seinem Tod zu Mutti gleich noch: "Und mit dem Rest, (Name), kommst Du auch noch klar." - Und Mutti später sooo oft zu mir: "Werd bloss nicht alt." Montag, Montag klapper ich wieder die Ämter ab. Dir einen lieben Gruß, Aggi
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 11 Mai 2018, 13:23 © Aggi | |
| 20180511 Freitagmorgen: Kurz vor acht vorm Heim sehe ich schon meine gute Seele Elisabeth. Ich muss grad husten und sie tönt mir entgegen: „Na, Du hast aber auch schon besser gehustet.“ ^^ Ob ich ihr kleine Blumenvasen, so 2 bis 3 mitbringen kann. Nur für einzelne Rosen. Kein Problem, ich fahre nachher eh noch in den Heimatort, muss noch diverse Sachen erledigen und werde da in der Postenbörse bestimmt fündig. Elisabeth regt sich auf, sie habe von zuhause soooo viele Vasen im Heim abgegeben (sprich: verschenkt) und nun ist keine mehr aufzufinden. Ob die wer mit nachhause nimmt? Also nee, nee, nee … Aber sie will mich nicht aufhalten, ich soll Mutti schön grüßen! Bei Mutti ist die Wäsche schon durch und Mutti begrüßt mich mit meinem Namen. Es geht ihr gut, aber das Wetter gestern war ja scheußlich. Aber wo ich sag, ich hätte mich wegen meiner Rasensaat doch über den Regen gefreut, findet Mutti das auch gut. Ich geb erstmal damit an, dass ich gestern unsre Kühl-Gefrier-Kombi abgetaut und geputzt hab. „Mutti, wir haben jetzt viiiiiel weniger Spinnweben an der Wand, wo der Kühlschrank stand.“ Mutti amüsiert sich. Sie erinnert sich noch gut, dass man sich zu solchen (ich nenn sie Straf-)Arbeiten immer erst mal aufraffen muss. „Oh ja!“ Mit ihrem 7-Personenhaushalt hatte Mutti früher zwei Kühlschränke und einen Gefrierschrank in ihrer Küche stehen. Die Milch brachte „Mimi“ im Milchwagen. Abgefüllt in den großen Eimer. 5 Liter. Täglich. Als ich ganz, ganz ganz klein war, war der Milchwagen noch mit Pferd. Erst später motorisiert. Bis Mimi zu alt war für den Job. Komisch, als da auf einmal Milch in Tüten stand. Zum Frühstück schafft Mutti die anderthalb Scheiben Brot und den Kaffee. Hustensaft steht auch mit dabei und kein Wackelpudding, der dann auch gar nicht vermisst wird. Weil ich noch ein paar Hustenattacken hab, lenk ich Mutti ab auf ihre Handarbeitslehrerin in Pommern, die wurde doch immer gefragt in gesundheitlichen Dingen, nicht wahr, Mutti? – Oh ja. Mutti versinkt in schönen Erinnerungen in Pommern. Kauderwelscht, wie sie aus dem Haus … über die Wiese … aber dann kam ja die Flucht … aber die Wiese … das war ein Fussweg von 5 km … aber der machte nichts aus … es war so schön. Mutti spricht ganz langsam und ich unterbreche sie nicht, möchte kein Wort verpassen und wenn ich jetzt was sage, verliert sie den Faden. Am Ende sage ich, wie furchtbar gerne ich eine Zeitreise dahin machen würde, um diese schöne Zeit mit eigenen Augen zu sehen. Ja, meint Mutti, das wäre schön, aber sie glaubt nicht, dass das geht. „Aber so eine schöne Zeit, Mutti!“ seufze ich. „Oh ja!“ Dann weiter in den Heimatort. Den Sonntag, wo der Bereitschaftsarzt da war, hab ich Troll vergessen, mir in der Notapotheke eine Quittung mitgeben zu lassen. Blöd, aber ich hatte es so eilig, zu Mutti zurück zu kommen… Erledige da dann direkt noch ein paar Sachen mehr plus Einkäufe und fange an zu lachen, als ich am Ende aus dem Aldi komme. Kommt mir da im Heimatort Sr. St. entgegen. So klein ist die Welt! Sie lacht auch. Zurück zum Heim (liegt auf dem Weg), will ich die Vasen für Elisabeth abgeben. Bei meinem Talent gehen die sonst zu Bruch bis morgen. Außerdem war ich noch im Krankenhaus, hab mal nachgefragt, weil ich das nicht weiß, ob man da inzwischen ein Handy benutzen darf. Darf man. Wohl nicht auf der Intensiv, aber sonst schon. Also auch noch zu Frau H., habe gestern noch rumgegooglet und ein gutes und trotzdem preisgünstiges Seniorenhandy für sie recherchiert. Hat einen guten Akku und eine sehr gute Hörqualität. Außerdem gute Kurzwahlfunktion, damit sie im Fall X vom Krankenhaus aus nur eine Taste drücken muss, wenn sie von dort im Heim oder mich anrufen will, weil sie etwas braucht. Als das dann alles erledigt ist und ich wieder zu Mutti reinkomme, sitzt da Sr. S. auf dem Rollator und klönt mit Mutti. Ich freue mich total, hab Sr. S. die letzten Wochen nicht gesehen und wähnte sie im Urlaub. Schietepiepen, sie hatte eine Schulter-OP. Wir haben zu dritt mit Mutti im Bett noch eine richtig schöne Unterhaltung bis hin zu Plattdeutsch, Sr. S. bietet Mutti an, ihr mal eine plattdeutsche Geschichte vorzulesen. Na, ratet? Will Mutti nicht… ^^ Aber Sr. S. ist besser als die Welt erlaubt. Danach klimpert Mutti ziemlich müde, aber glücklich mit den Augen und ich geh dann auch, hab inzwischen ehrlich gesagt auch selber Kaffeedurst, ist schon kurz nach elf. Als ich mit meinem Einkaufskorb am Auto stehe, klingelt mein Handy. Das Heim ruft an. Oki, also nochmal zurück zur Pflegedienstleiterin. Die hat jetzt alle Dinge von meinen Zetteln geklärt. Das mit den Augentropfen, die wieder aufgetaucht sind, wusste ich ja schon. Und in Sachen Apothekenrechnung entschuldigt sie sich sogar, hätte sie mir sagen müssen, dass ich die Rechnungen einfach nur bei ihr abgeben muss. Alles gut. Und um das Rätsel um Muttis Krankenkassekarte kümmert sie sich, notfalls ist auch schnell eine neue Karte bestellt. Ich stell fest, dass ich mittendrin Frust ablasse, weil ich mit all den Sachen ganz alleine da stehe und entschuldige mich. Da finde ich sehr nett, wie sie gleich sagt, nee, nee, das muss auch mal raus! An einer Stelle, wo ich etwas von meinen Geschwistern erwähne, sagt sie spontan: „Das ist doch Scheiße!“ fasst sich sofort an den Mund und entschuldigt sich. Ich find das aber gar nicht schlimm. Ein gutes Gespräch und dann ist es halb zwölf und ich fahr nach Hause. Mein Körper braucht jetzt eine Tasse Kaffee. Und dann weitermachen. Irgendwas ist ja immer.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Sa 12 Mai 2018, 12:54 © Aggi | |
| 20180512 Samstagmorgen: Zehn vor acht im Heim treff ich meine gute Seele Elisabeth im Aufenthaltsraum. Sie freut sich, mich zu sehen, ob ich außer den Rosen heute noch ein paar Kleinigkeiten mehr besorgen kann? Kein Problem und so lerne ich, dass es inzwischen auch Taschentücher in Boxen gibt. Wusste ich gar nicht! Kleenex kenn ich wohl, aber bei Tempos hol ich immer die billigste Packung und raus. – Bin ja noch nicht in der Situation, z.B. wegen Unbeweglichkeit in den Händen umdenken zu müssen… Mutti lächelt dann, weil ich schon wieder Grüße von Elisabeth mitbringe. „Wo ihr Euch nur immer trefft!“ Wie immer klöne ich erstmal gemütlich mit Mutti. Heute geht es um mein Talent, beim Versuch, aufzuräumen, ein ganzes Wohnzimmer zu verwüsten. Mutti lacht so schön und ist ja nicht gelogen, wenn ich aufräume, sieht es erstmal so aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. ^^ Mutti fragt dann nach der Diät – also möchte sie ihr Frühstück haben, hol ich Dir doch gerne, Mutti! Heute wieder mit rotem Wackelpudding, Hustensaft ist dabei und eine Scheibe Brot. Heute mal halb Käse und Salami. Mal gucken. Die Salami sieht sehr lecker aus. Mutti schafft dann aber nicht die ganze Scheibe, die letzten zwei Stücken mit Salami möchte sie nicht mehr, sagt, sie ist satt. Auch den Kaffeebecher schafft sie nur halb. „Flutscht“ ihre geliebte Marmelade einfach besser? Keine Ahnung, Mutti möchte sonst nichts. Das Essen steht ja die ganze Zeit da und ich biete auch noch mal an, wo ich meine, sie könnte es schon vergessen haben, aber nein, satt ist satt. Aber ich kämme ihr nochmal die Haare, die eigentlich einwandfrei ist, einfach, weil es schön ist. Die Frisörin hat richtig gute Arbeit gemacht, sieht richtig gut aus! Hätte ich das gemacht, wäre ein grottenhässlicher „Pottschnitt“ bei rumgekommen. Mutti: „Das hätte mich auch nicht gestört.“ Sie grinst dabei. – Aber MICH!!! Dann noch weiter, Erledigungen und Einkäufe, als ich zum Heim zurückkomme, ist es kurz vor zehn Uhr und draußen sitzen schon die ersten drei Bewohner und genießen den Sonnenschein. Ich helfe Elisabeth dann noch, ihre Rosen auf kleine Vasen zu verteilen. So am hohen Gehwagen sind ein paar Handgriffe für mich ja doch viel leichter und bücken darf sich Elisabeth ja überhaupt nicht mehr. Sie behilft sich mit ihrer Greifzange, aber für die Rosenblätter und –Dornen, die am Ende am Fussboden liegen, gehe ich auf die Knie, kein Thema! Für Mutti bekomme ich dann ein süßes kleines Glas mit einer einzelnen Rose mit – grad über sowas, nur ein kleines Glas mit einer einzelnen Blume drin freut Mutti sich viel mehr als über einen fetten Strauß! Mutti ist dann auch ganz perplex: „Wie komm ich zu der Ehre?“ und freut sich. Ich unterhalte Mutti dann noch mit meinen Erlebnissen von der Mülldeponie: „Du glaubst nicht, Mutti, wie doof ich geguckt hab, als ich da vorfuhr und die noch gar nicht offen hatten…“ – Mutti lacht herzlich und hustet gar nicht mehr! Und das es wirklich stimmt, dass Blumen am Tag vor Muttertag teurer sind als sonst. Elisabeth hatte mich gewarnt, ich wollte es ja nicht glauben, aber echt! Also nee, nee, nee, Mutti, so ein Hype um einen Feiertag! Mutti und ich sind uns einig, wir feiern Muttertag nicht. Ich bin ja immer da, für mich ist jeden Tag Muttertag. Und Mutti findet das gut.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 13 Mai 2018, 10:53 © Aggi | |
| 20180513 Sonntagmorgen: Zehn vor acht im Heim hänge ich noch schnell meine Überraschungstüte an den Türgriff von meiner guten Seele Elisabeth und Frau H. bekommt einen Briefumschlag von mir. Bei Mutti leuchtet noch die gelbe Lampe, Wäsche also noch in Gange, aber als ich eintrete, ist Sr. St. gerade fertig. Ich knie mich an Muttis linke Seite und gratuliere ihr zum Muttertag. Mutti grinst, ich sei doch nicht ihre Mutter und müsse ihr doch nicht gratulieren. Sag ich, aber Du bist doch meine Mutter und ich gratuliere Dir doch gerne zum Muttertag! Ich sag auch gleich dazu, dass sie „wie besprochen“ ja auch kein Geschenk bekommt, da ist sie wieder bei mir. Sie lächelt so schön! Als wir dann alleine sind, erzähle ich ihr, dass ich aber ausnahmsweise für die liebe Elisabeth ein Geschenk hab, wo ich doch immer solche „Angst“ vor ihrem Gemüsemesser hab. Ein Wetz-Stahl. Die wird bestimmt grinsen! Findet Mutti gut, wo sie weiß, dass Elisabeth heute ungefähr alle im Haus beschenkt, da soll sie selbst doch auch was bekommen. Und ich erzähle, wie ich dazu komme, Frau H. heute zwei Gedichte zu schenken. Wo sie mir so schön erzählt hat von ihrem Mann und den glücklichen Erinnerungen von ihrem Haus am Rhein, wo er sie immer rief, als er schon Krebs hatte, damit sie morgens gemeinsam den Sonnenaufgang geniessen. Und von dem Gedicht, an dessen Wortlaut sie sich aber nicht mehr erinnert. Sie kam drauf, weil ich ihr erzählt hatte, dass ich mit Mutti gelernt hab, wie schön es ist, gemeinsam zu Schweigen. Frau H. erzählte von diesem Gedicht, wo es um ein Reh am Waldrand ging, das wer sieht und beide sehen sich an und die eine Zeile hätte ungefähr gehießen: „Und wir schwiegen gemeinsam.“ – Hab das Gedicht so nicht gefunden, aber eins, dass auch sehr schön ist. Mutti freut sich darauf, dass ich ihr das nach dem Frühstück auch einmal vorlesen werde. Zum Frühstück gibt’s heute eine Scheibe Brot mit halb Käse und halb Leberwurst. Hustensaft ist auch dabei und Mutti hustet heute kein einziges Mal! Sie schafft die Scheibe Brot und auf meine tägliche Frage, ob ich nochmal in die Küche laufen soll, ob sie noch etwas mehr essen möchte, ist sie wie immer pappsatt. Lächelnd. Mehr geht nicht. ^^ Aber zuerst setze ich mich auf ihre linke Seite, die „Greifhand“ hat dreckige Fingernägel und ich kündige das so an, ich wolle einmal ihre vermackelten Fingernägel sauber machen. Mutti versteht das nicht richtig und ich sag lachend und deutlich: „Du hast Dreck unter den Fingern!“ Da lacht sie auf und meint, sag das doch gleich! Zur Maniküre plauder ich die jüngste Geschichte von „meinem Freund“, der mir gestern erzählt hat, dass er ein Hühnerauge hat. Er saß draußen mit nur einem Hausschuh an und ich fragte ihn, ob das Absicht ist. War auch schon in Behandlung, kommt aber immer wieder. Mutti und ich sind uns einig, Hühneraugen sind wie Unkraut, egal, was man tut, kommen immer wieder … Und dann lese ich ihr das Gedicht vor, von dem ich gesprochen hatte: EIN GESCHÖPF GOTTES Es zog mich hinaus in des Schöpfers Natur Wollt was tun für Gesundheit und Seele – Egoismus pur War guter Dinge und Frohgemut Ließ die Gedanken schweifen – was man ja so tut Ließ mich verwöhnen von der herbstlich Sonne Strahl Das leise Rauschen des Windes sich durch die Bäume stahl Plötzlich sah ich das ich war nicht mehr alleine Sah ein Wunder der Natur mit vier Beine Am Waldrand im Schatten der Bäume stand ein Reh fast verborgen Scharte mit dem Hufe leicht – scheinbar ganz ohne Sorgen Mit braunen Augen wie ich sie schöner noch nie sah Stand es dort – mir richtig nah Die Augen schienen zu fragen bist du Freund oder Feind Keine Angst – in diesem Moment sind unsere Seelen hier vereint Zwei Augen blickten so lieb und doch so stolz in diese Welt Möchte diesen Augenblick nicht missen – für kein Geld der Welt Das Reh ging dann langsam tiefer in den Wald Ich dankte Gott für dieses Erleben – auf wiedersehn bis bald © Kurt von der Heide Mutti ist gerührt. Und meint sogar, so, wie ich das betont hätte, wäre es besonders schön gewesen – das läuft mir wie Honig den Rücken runter … Mir ist in Wäldern hier und da schon ein Reh begegnet, manchmal so unglaublich nah, als sei es vor meinen Augen aus dem Boden geschwebt – urplötzlich stand es da, Aug in Aug mit mir. Ich beschreibe Mutti, wie ich da eine gefühlte Ewigkeit scheinbar nicht mal geatmet hab und einfach nur in den rehbraunen Augen versunken war, bis es von dannen zog. Wenn es göttliche Begegnungen gibt, sind für mich das welche. Sonst weiß ich nicht. Findet Mutti auch. Wir schweigen lächelnd zusammen. Und im Gehen seh ich bei Elisabeth die Tür offen stehen und klopf noch an. Kann ihr noch helfen, nochmal Wasser für weitere Rosen in kleine Vasen abzufüllen. Aber zuerst bekomme ich eine grinsende Umarmung für mein Geschenk, nicht ohne „Geschimpfe“, ich solle mich doch nicht für sie in Unkosten stürzen. Leider erzählt sie auch, dass es Frau H. nicht gut geht, die hat jetzt die Krankenhaustagegeld-Rechnung bekommen. Aufgrund ihrer traurigen Familiengeschichte (vom eigenen Sohn abgezockt) hat sie kein Geld über. Ob das Heim ihr nicht helfen kann? Elisabeth zuckt die Achseln. Sie hat wohl ihren Stolz und will sich da nicht in die Karten blicken lassen … ein Scheiß, als Frau H. nach einer OP aus der Narkose kam, noch gar nicht richtig wieder bei Sinnen, hat ihr Sohn ihr eine Unterschrift abgenötigt, mit der ihr ganzes Vermögen auf ihn übertragen wurde. Sie steht ganz alleine da… Wenn Montag das Handy für sie kommt, werde ich es ihr schenken, solche Geschichten krieg ich nicht verknust …
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mo 14 Mai 2018, 12:28 © Aggi | |
| 20180514 Montagmorgen: Als ich ca. zehn vor acht am Heim auf den Parkplatz fahre, sehe ich, wie ein Schuljunge auf dem Bürgersteig gegenüber mit dem Fahrrad stürzt. Ich sofort rüber, der Junge liegt völlig unter Schock am Boden, weint und weiß im Moment gar nicht, was tun. Im selben Moment ist neben mir auch der Heim-Gärtner. Wir trösten und richten das Fahrrad auf. Der Junge meint gleich, ihm sei nichts Schlimmes passiert. Ist sichtlich dankbar über den Zuspruch. Mannomann, Schreck in der Morgenstunde! So ein Sturz mit dem Fahrrad ist richtig gemein! Aber der Junge will dann weiter, sind noch zwei jüngere Kids dabei, für die er wohl verantwortlich ist und er scheint sich nichts gebrochen zu haben. Beim Haupteingang treff ich dann auf meine gute Seele Elisabeth, die den Sturz zwar nicht gesehen hat – war für sie nicht einsehbar um die Ecke, aber sie fragt gleich nach dem humpelnden Jungen, der da sein Fahrrad so langsam geschoben hat. Während ich erzähle, kommt der neue „Mitarbeiter“ zu uns raus. Hab ihn jetzt schon seit ca. einer Woche in der Demenz-Gruppe gesehen. Ich sprech ihn an, wo er denn nu weg kommt und er hält mir strahlend die Hand entgegen, wir könnten uns doch am besten duzen, er heißt soundso. Ich bin begeistert. Er macht z.Z. hier ein Praktikum und ist schon gefragt worden, ob er auch mittags Zeit hat. Geht in Richtung Demenzbetreuung, die einzelnen Fachbezeichnungen verlier ich wegen des Fahrradschocks gleich wieder aus dem Kopf. Aber endlich mal ein männlicher Mitarbeiter. Und das Herz auf dem rechten Fleck. Und verwandt mit so einigen aus meinem Dorf. Tse, die Welt ist ein Dorf! Weiter zu Mutti, die zufrieden im Bett liegt, aber offensichtlich keine Zähne im Mund hat. Na nu, denk ich, sag aber erstmal nichts. Erzähl von dem Fahrradunfall und Mutti antwortet ganz normal, hat also gar nicht bemerkt, dass sie „zahnlos“ ist. So nebenbei frag ich dann ganz harmlos, wer ihr denn die Zähne geklaut hätte und da erst tastet Mutti zum Mund und stellt so erst fest, dass ihr Gebiss fehlt. Kein Problem, Mutti, ich schau mal im Bad nach, sind bestimmt noch im Becher und so ist es dann auch. Beim Gebiss anreichen fällt mir auf, dass Mutti gar nicht richtig weiß, wie das Einsetzen geht, aber mit meiner Hilfestellung klappt es. Als ich lächelnd sag: „So, jetzt bist Du wieder vollständig.“ muss Mutti lachen. Dann erstmal das Frühstück. Eine Scheibe Brot, heute wieder halb Käse und Marmelade. Plus Hustensaft und ein Sahnepudding im Becher. Während Mutti isst, erzähle ich von dem Film, den ich gestern gesehen habe. „7 Tage Suche nach Hans“ oder so. Die Suche in Russland auf einer Busreisetour nach den Gräbern von Kriegssoldaten und wie die inzwischen selbst weit über 70-jährigen dies Karussell der Gefühle erleben, von Hoffen und Bangen, finde ich das Grab bis hin zu den Sorgen, war mein Verwandter einer von den bösen Soldaten, der hier in Russland Unheil brachte? Mutti ist total im Thema, zwischendurch vergisst sie das Essen. Hat selbst ihren Vater an diesen unsäglichen Krieg verloren, weiß selbst, wie es ist, ohne Vater aufzuwachsen. Und diese tiefen Gefühle, die dieser Film widerspiegelt, teilt Mutti. Zwar driftet sie zwischendurch, sagt sowas wie, erst gestern der Fahrradunfall und heute diese Kriegsunfälle, aber das ist doch wurscht. Sie ist ganz bei der Sache, interessiert, mitfühlend. Versteht, wie wichtig diese Form des Abschiednehmens ist. Zwischendurch kommt unsere „Sr.“ La., um sauberzumachen und irgendwie kommen wir auf Muttertag. Da frag ich Mutti doch mal, ob sich gestern einer von den andern hat blicken lassen. Mutti weiß nicht, wen ich meine. Die Geschwister. Nein, war keiner da. Sag ich: „Dreckspack. Alle in einen Sack und Knüppel drauf.“ Muss Mutti grinsen und nickt. Hinterher fahre ich noch ins Dorf, hatte vergessen, die Apothekerrechnung zu bezahlen, jetzt aber. Trifft sich gut, als könnte Elisabeth Gedanken lesen, braucht sie auch was aus der Apotheke und ob ich nochmal Rosen für Frau H. mitbringen kann, die sei noch so traurig. Hoffentlich überwindet sie sich, heute mit der Pflegedienstleiterin zu sprechen, schimpft Elisabeth. Als ich dann von den Besorgungen wieder komme, steht Elisabeth grad draußen und geht mit mir rein, da kommt uns im Rollstuhl eine strahlende Frau H. entgegen. Reckt mir die Hand entgegen, hätte sich gestern so über die Gedichte gefreut, vor allem, weil eines vom Rhein dabei war! Freut sich über die Rosen von Elisabeth und möchte dann riechen … hmmm, Rosen von heute riechen ja gar nicht und wir drei reden darüber, dass früher die Blumen noch geduftet haben und Tomaten noch Geschmack hatten … und ganz am Ende stellt sich noch im Nebensatz heraus, dass die hervorragende PDL die Angelegenheit von Frau H. übernimmt, Frau H. solle sich keine Sorgen machen und das alles „als erledigt“ betrachten! Frau H. ist überglücklich – und Elisabeth und ich genauso! Am Ende noch mit einem Unterteller gezuckerter Erdbeer-Stückchen von Elisabeth für Mutti zu Mutti. Dafür hat Mutti Elisabeth ihre Zuckerschütte geschenkt. (Also ich und Mutti dann erzählt, damit Mutti auch immer was hat, dass sie Elisabeth zurückschenkt.) Zwischendurch kommt Mutti in Tüdel, sie könne doch nicht Elisabeth die Erdbeeren wegessen, aber kein Problem, ihr auch mehrmals zu erklären, der Teller ist für Dich ganz alleine. Schaffen tut sie ihn nicht, aber so süß, wie sie, als ich ihr ihn noch mal vor die Augen halte, doch noch ganz schnell ein Stück nimmt, nachdem sie schon sagte, jetzt aber wirklich erstmal keins mehr! Aber ich bin froh, dass Zucker drauf ist. Muss Mutti zuliebe auch ein Stück probieren, ja nee, is klar, sauer macht lustig. Ich kenne noch die Erdbeeren vom Feld beim Bauern, manche sogar Apfelgross und mit dem richtigen Geschmack. Da brauchte man kein Zucker oder Sahne oder sonst was. Aber Mutti hat sich gefreut und das ist, was zählt. Und schön geklönt haben wir auch.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Di 15 Mai 2018, 12:20 © Aggi | |
| 20180515 Dienstagmorgen: Zehn vor acht im Heim ist die Wäsche bei Mutti schon durch. Mutti liegt ganz zufrieden auf der Seite, begrüßt mich mit meinem Namen. Oft sag ich ja morgens zum Gruß, ich bins, die Aggi. Aber wenn sie mich mit meinem Namen begrüßt und ich das noch nicht gesagt hab, freu ich mich jetzt immer besonders. Mutti driftet schon immer mehr. Heut Morgen meint sie, es geht ihr gut, sie hätte ja schon gefrühstückt und läge hier jetzt ganz zufrieden. So erzähl ich erstmal vom Vortag, irgendwas fällt mir immer ein, womit ich Mutti zum Schmunzeln bringen kann. Und nach einigem Geplauder sag ich dann z.B., Du, ich hab beim Kommen im Dienstzimmer schon die Frühstückstabletts gesehen, soll ich mal gucken, ob ich Dein Tablett finde? Und dann ist das in Ordnung. Heute gibt es wieder eine Scheibe halb Käse, halb Marmelade und Hustensaft ist auch noch dabei. Als Mutti den dann nach dem Brot (mit meiner Hilfe) zu sich nimmt, denk ich noch, wie schön, Mutti hustet gar nicht mehr und prompt muss Mutti husten. Tse, ich kenn ja wohl, „man soll es nicht beschreien“, aber wenn ich jetzt nicht mal denken darf, wird’s eng für mich… Beim Essen erinnere ich Mutti an zwei Hunde ihres Vaters. Die Försterhunde. Der eine hieß „Blitz“ und hatte witzigerweise eine Heidenangst vor Gewitter. Und dann die Nixe, die Muttis Vater überlebt hat, weil der ja noch in den Krieg ziehen wollte, als alle schon auf der Flucht waren. Wer Nixe eigentlich den Namen gegeben hat? Mutti meint, die kam so in einer Kiste. Da war der Name wohl schon dabei. Sie kauderwelscht viel, aber das ist unmissverständlich. Und das die Hunde für ihren Vater ja immer reine Nutztiere waren. Schätze, Opa war nicht der Typ, der ihnen selber einen Namen geben wollte. Ich erzähl Mutti nochmal von den zwei Kakteen, die sie mir und meinem Mann mal geschenkt hat. Meine Kakteen haben Namen: Nixe und Blitz! Mutti und ich lachen zusammen. Nach dem Essen kämme ich nur so noch mal Muttis Haare, die eigentlich schon gekämmt sind, aber Mutti mag das so gerne, wenn ich das tue. So, wie ihr es auch gefällt, wie ich immer darauf achte, ihre „Greifhand“ bei oder nach dem Essen eben mit einem Feuchttuch sauber zu machen. Mutti’s Marmeladenhand halt. „Ist doch blöd, wenn die Finger so baxen.“ Darüber freut sich Mutti jedesmal, sinngemäß auch mit einem „Das ist aber lieb von Dir.“ Heute kauderwelscht Mutti viel. Ich glaub, kein Satz ohne Wortverdreher. Naja, eigentlich auch kein Satz vollendet. Aber das macht nichts, weil wir uns so gut kennen und ich meist weiß, worauf sie hinaus will. Einmal fragt sie nach der Freundin von Kl.Bruder. Da weiß ich dann doch nicht, was sie meint, weil sie sich noch selbst korrigiert, die würde sie gar nicht meinen. Kauderwelscht dann weiter etwas Unzusammenhängendes mit „Lesen“ und ich merk, sie weiß gar nicht mehr, was sie sagen will. Oft haben wir dann den Schnack, wenn’s wichtig war, fällt es wieder ein oder wie heute sag ich, keine Ahnung, woran Du grade denkst, aber wo Du vom Lesen sprichst, ich würd so gerne noch mal eine neue Geschichte lesen, was meinst Du? Mutti hat „unser“ Buch schon wieder vergessen, grinst aber, als ich total neugierig bin, „wie es weitergeht“ und möchte gerne, dass ich vorlese. Heute also „Das Leben auf Rädern“. Mutti geht richtig mit. Bei Kinderwagen „Oh ja“ und bei Holzroller fängt sie an zu strahlen. Am Ende bei Rollstuhl eher ein trauriges „Ach nee“. Da Mutti nach der Geschichte erstmal schweigt, erzähle ich von positiven Erlebnissen roundabout Rollstuhl. „Schau, wie bei Deiner Schwester, die nach ihrem Sturz nicht mehr am Rollator gehen mochte aber jetzt so glücklich ist, dass sie ihren Rollstuhl hat.“ Stimmt Mutti mir dann auch zu, Rollstuhl muss gar nichts Böses sein. Und fängt an zu erzählen, wie sie als Kinder in Pommern mit dem Roller gefahren sind, wie schön das war. Immer so einen Weg da und da hinunter, wo es auch um die Ecke ging … teils mit Kauderwelsch dazwischen … aber es wird klar, dass es da wohl auch, weil’s um die Ecke ging, zu einem Unfall mit einem entgegenkommenden Radfahrer kam … und wie der Junge das abends seinem Vater beichten musste … Nicht so klar erzählt wie ich hier, zwischendurch war auch ein Teich und ein Militärattache dabei, aber das alles gehört ja insgesamt zu Muttis Erinnerungen, von daher kein Problem. Im Anschluss gehe ich noch zu Frau H., denn ihr Seniorenhandy wurde gestern Abend um 19 Uhr noch von Hermes geliefert. Ich muss noch die Sim-Karte freischalten, wollte sie aber fragen, wie/wo wir am besten die beiden „Notruf“-Nummern abspeichern. Hat ja auf der Rückseite die Notfalltaste, vorne aber auch zwei Kurzwahltasten „A“ und „B“. Frau H. freut sich total über meinen Besuch, wir klönen so intensiv, dass wir es schaffen, IM Gespräch den Faden zu verlieren. Gemeinsam! Dann nochmal zu Mutti, Grüße von Frau H. ausrichten und noch etwas klönen, aber nicht mehr lange, Mutti ist ganz müde. Aber zufrieden. Wenn ich gehe, sauge ich jedesmal ihr Lächeln in mich auf.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Mi 16 Mai 2018, 11:41 © Aggi | |
| 20180516 Mittwochmorgen: Zehn vor acht im Heim sitzt im Foyer der neue Praktikant und da ich schon wieder seinen Vornamen vergessen habe, gehe ich direkt zu ihm und frag einfach nach. O.k., die ersten drei Buchstaben hatte ich immerhin richtig. ^^ Er ist eine sehr angenehme Natur und wir plaudern noch ein bißchen, als ich hinter uns meine gute Seele Elisabeth tönen höre: „Also Aggi, DAS erzähl ich aber Deinem Mann!“ Sie grinst zu uns rüber. – Immerhin kann ich ihr direkt sagen, dass ich z.Z. immer noch keine guten Mandarinen für sie gefunden hab. Die, die es derzeit im Dorf zu kaufen gibt, sehen so aus, als wären sie von Weihnachten letzten Jahres … Aber ich bleib am Ball. Elisabeth: "Nee, Mandarinen!" Weiter zu Mutti, kommt da grad die Schwester raus und grüßt mich fröhlich. Mutti liegt zufrieden im Bett und meint, sie habe auch gut geschlafen. Doch, das ginge gut, auch wenn sie nicht die ganze Nacht (O-Ton Mutti: „von morgens bis abends“) durchschläft, aber sie ist es zufrieden. Und das war ja in den vergangenen Jahren teils eine echte Qual für sie – ich bin so glücklich, dass sie damit keine Probleme mehr hat. Nachts wach werden und nicht wissen, wo und wer man ist … der Horror! Wir klönen erst gemütlich, sie möchte ja auch gerne wissen, wie es meinem Mann geht – selbst wenn sie mich eine Stunde später beim Abschied fragt, wie viele wir eigentlich seien? Vier? – Nein, Mutti, wir sind zu zweit, aber mein Mann zählt ja für zwei! – Da muss sie lachen. Als ich dann das Frühstück aus dem Dienstzimmer holen will, steht da grad die Pflegedienstleiterin, Tabletten einteilen. Günstige Gelegenheit, sie zu fragen, was sie von meiner Idee für Frau H. hält. Ich hab ja mitbekommen, dass Frau H. finanzielle schlecht da steht und möchte ihr das Handy gerne schenken. Wird sie aber nicht annehmen. Darum hatte ich mir ausgedacht, ich sag ihr, dass Handy geht dann eines Tages an das Heim über, um dann einem anderen Bewohner dieselbe Chance zu geben. Dann müsste sie nur die zehn Euro für die Sim-Karte, das Guthaben bezahlen. Jedenfalls schätze ich Frau H. so ein, dass sie mich nicht davonkommen lässt, ohne wenigstens „was“ zu bezahlen. Frau R. ist von der Idee ganz angetan. Wird ganz nachdenklich und meint, der Sohn von Frau H. hätte grad noch angerufen, weil noch Post vom Krankenhaus an ihn ging, hätte sich aber mit keinem Wort nach seiner Mutter erkundigt. Käme nie zu Besuch und fragt nie nach ihr. Da wäre nur noch eine Nichte, die Frau H. wohl auch ein bisschen finanziell unterstützt. Die zehn Euro für die Guthabenkarte müsste sie auf jeden Fall haben. Aber schlimm, wenn so ein Sohn als einziger Angehöriger sich überhaupt nicht kümmert. – Ich steh selbst da mit Gänsehaut. Nein, schön ist was anderes… Aber wenigstens hab ich jetzt einen „Trick“, damit Frau H. nicht viel für das Handy bezahlen muss und vielleicht krieg ich es auch so hin, dass sie gar nichts bezahlen muss. Dann fehlt heute noch die Milch für Muttis Kaffee – schnell in den Speisesaal, wo Sr. A. einen Schreck bekommt, dass sie heute die Milch vergessen hat. Kein Problem, kann doch mal vorkommen. Heute gibt es anderthalb Scheiben Brot, eine ganze mit Käse und eine halbe mit Marmelade. Und Hustensaft ist immer noch dabei. Während Mutti anfängt zu frühstücken, erzähle ich von den schönen Erlebnissen in „meinem Internetforum“. ( Hört sich so an, als würd es mir gehören, quatsch, ich fang bei Mutti halt immer an so ungefähr: „Ich hab Dir doch von meinem Internetforum erzählt, wo ich seit Jahresanfang bin.“ Oder so.) – Mutti lächelt neuerdings, wenn ich davon erzähle und von den „Freundinnen“ dort, weil es immer schöne Erlebnisse sind. Z.B. dass die andern auch schon von Mutti als „Mutti“ schreiben: „Ich glaub, die haben Dich schon richtig ins Herz geschlossen.“ Da lächelt Mutti so sanft. Und jetzt erzähl ich von dem Video, das nicht verschickt werden konnte, aber der Gedanke zählt. Hol aus, Mutti, weißt Du noch … wie ich Dir hier schon „Die Blümelein, sie schlafen“ vorgesungen habe … Mutti lächelt … und wie wir fünf, nein vier, die Kleine war ja noch nicht auf der Welt, bei Oma immer gebettelt haben „Omi, sing uns noch einmal die Blümelein“ … „Oh ja!“ Mutti kauderwelscht sinngemäß, dass das etwas ganz Besonderes war und Recht hat sie! Und dann erzähle ich weiter von der Freundin im Forum, die von dem Video erzählt hat, wo ihre Enkeltochter, 3 Jahre alt, Mutti, das Lied singt und ich singe für sie mit Kinderstimme „Die Blümelein sie schlafen“ an. Mutti ist total entzückt, sie strahlt richtig glücklich „Och schön!“ Wir sind uns einig, es gibt auch schöne Dinge, die muss man nicht mal selbst erlebt haben und trotzdem machen sie glücklich! Nachher spielt sie auch mal mit der Rose, die ich ihr morgens immer mit auf das Tablett stelle (mit Zusatz, die schöne Rose von Elisabeth). Erkennt selbst, wie schön sie inzwischen aufgeblüht ist: „Heute ist sie am schönsten!“ und nimmt die kleine Vase in die Hand und spielt mit dem Dekoband. Das wieder abstellen ist schwierig für Mutti, aber ich helfe unbemerkt und schiebe aus dem Weg, was grad stört. Bei anderen Sachen sag ich auch mal an, den Becher nehm ich Dir ab – dann ist sie auch dankbar. Irgendwie spür ich meist, ob ich grad besser helfe oder sie besser machen lasse. Dann kommt unsere „Sr.“ La. zum Saubermachen und ich stupse sie, als sie an meiner Seite steht und Muttis Nachttisch abwischt mal an, ob mir das gestern nur so vorkam, oder ob sie von anderen Bewohnern wirklich auch herumkommandiert wird? War so eine unschöne Begegnung, wo ich das Gefühl hatte, man kann auch höflicher fragen, ob die Reinigungsfrau da oder dort noch wischt. Sag auch dazu, ich sei so perplex gewesen, dass ich gestern (leider) sprachlos war. La. strahlt mich an, es sei besser, manchmal zu schweigen. – O.k., aber in mir drinnen find ich es nicht gut, wie sie gestern da behandelt wurde. Witzigerweise bekomme ich dann aber einen Tipp, wie ich bei mir zuhause besser wischen kann. Bei La. sieht das Wischen immer so spielerisch aus, während ich zuhause auf unseren Fliesen immer wie eine Slapstickfigur stundenlang dem einen Fussel hinterherjage, der einfach nicht im Wischtuchlappenmoppdings hängenbleiben will. La. grinst und meint, alles nur eine Frage der richtigen Mittel. Sie bringt mir einen mit, sagt auch, wo es die gibt, aber damit ich nicht den falschen kaufe, besorgt sie mir einen, soll ich mal probieren. Geld kriegt sie natürlich wieder. Mal gucken, vielleicht kriegt Aggi ja noch die Kurve und gewinnt den Kampf gegen den täglichen Dreck! *gg* Mutti erzähle ich dann nochmal den Inhalt der kurzen Unterhaltung zwischen La. und mir, so richtig folgen kann Mutti Unterhaltungen im Raum nicht mehr. Aber dann weiß sie auch Bescheid und lacht über meine Beschreibung, wie ich die besten Tage meines Lebens in unserer Wohnung brüllend und schreiend Fusseln hinterherjage. Mutti ist glücklich und zufrieden und ich will noch eben Nachthemden aus den Schubladen auf Bügel in ihren Schrank hängen, aber da sind gar keine Bügel mehr. Ich hatte mal mehr als genug mitgebracht und so viele entsorgt, als das Haus von Mutti geräumt werden musste. So einige konnte ich noch verschenken, aber viele wurde ich auch gar nicht mehr los. Hätte ich damals doch schon darüber nachgedacht, dass in einem Heim immer Bedarf an dergl ist… Erstmal muss ich fragen, wo die Wäscherei ist. Unterwegs helfe ich noch meinem Freund in den Speisesaal für die dementen Bewohner, was natürlich nicht so schnell geht, wie hier geschrieben. Aber ich liebe diesen Mann. Er kann so schön lächeln und andererseits hat seine Kodderschnauze auch was, was ich mag: „Alle besoffen hier?“ – „Wer ist denn die Schlafmütze dahinten?“ Ich mag ihn! Finde dann mit Hilfe auch die Wäscherei und Kleiderbügel, sind ganz schön wenig. Zu Hause haben wir zu viele, ich werde morgen alle, die wir selbst nicht brauchen, zum Heim mitbringen. Und giesse auf dem Rückweg noch einer Bewohnerin im Rollstuhl Wasser in ihr Glas. Frag natürlich vorher. Da sind diese zwei Damen, die erst kein Wort sagten und mich inzwischen jedesmal zurückgrüßen, wenn ich sie grüsse. Da geht das Herz auf! Die eine hält mich für eine Schwester und hat ja Recht, ich hab einen Bruder, von daher bin ich ja auch eine Schwester. Zurück zu Mutti plauder ich noch ein bißchen mit ihr, aber jetzt, nach dem Frühstück, wird sie auch schnell recht müde (s.o., wie viele seid ihr? Vier?). Aber ich soll alle Männer, die sie kennen, von ihr grüßen! „Die werden sich freuen, Mutti!“
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 17 Mai 2018, 13:02 © Aggi | |
| 20180517 Donnerstagmorgen: Heut Morgen komme ich dick bepackt bei Mutti an, die auch gleich staunt. Eine Wäschekorb mit Kleiderbügeln und eine grosse Tasche für ein kleines Handy. Ich erzähl Mutti nochmal, wie ich gestern doch Kleiderbügel suchte und das das eine Spende für die Wäscherei sein soll. Und nochmal von dem Handy für die liebe Frau H. „Aber viel wichtiger, liebe Mutti: Ich hab Dir eine neue Packung Tempos mitgebracht!“ und leg ihr die Packung in den Arm. Mutti grinst von einem Ohr zum andern. Wie sie zu der Ehre kommt? – Ach, ich hab doch die letzten zwei Wochen eine Packung Tempos nach der andern von Dir geklaut… Mutti ist zum Glück nicht mehr am Husten und ich hoffe, meine eigene Erkältung ist spätestens zum Wochenende Geschichte. Nach den Geschichten hole ich erstmal das Frühstück für Mutti. Immer noch mit Hustensaft und anderthalb Scheiben Brot, heute eine Scheibe mit Marmelade und eine halbe mit Käse. Während Mutti noch am Essen ist, kommt unsere „Sr.“ La. und geht direkt auf mich zu, in der Hand der neue Wischbezug für die Aggi. Tse, hatte ich doch glatt vergessen – umso größer meine Freude!!! Sieht aus wie meine Discounterbezüge, aber eindeutig hochwertiger. La. bekommt sofort das Geld, die Gute hat sogar den Kassenbon mitgebracht, da muss ich mir noch ein Extra-Dankeschön ausdenken. Wir flachsen rum, wenn es jetzt nicht klappt mit dem Putzen, liegt es doch an mir. ^^ Danach versacke ich in Träumen, wie ich zuhause putze. Muss mich direkt zusammenreißen und erzähle Mutti: „Ich glaub, ich werde krank, Mutti. Auf einmal hab ich Lust, nach Hause zu fahren und die Böden zu wischen!“ Mutti muss so lachen, dass ihr das Brotstück aus der Hand fällt. Komisch, aber ich freu mich über den neuen Wischbezug mehr als über einen Strauß Blumen oder Pralinen… Also folgt eine Haus-/Putzmittelfachsimpelei mit Mutti. Ich erzähle Mutti, dass ich mir jetzt Möbelöl für unsere Weichholzschränke bestellt hab, angeblich soll damit auch der Grauschleier rausgehen. Da ist Mutti ganz interessiert. Möchte sie auch gerne wissen, ob das geht. Das mein Mann sich gewundert und gefragt hat, wieso ich sowas bestelle, wir hätten doch so viel Öl im Haus … „Motor-Öl, Getriebe-Öl“ bringt Mutti herrlich zum Lachen. Zum Schluss beim Frühstück helfe ich Mutti noch mit ihren Tabletten. Die beiden halben für morgens sind kein Problem, auch wenn Mutti jetzt jeden Morgen nachfragt, ob die „für heute“ sind. „Also jetzt?“ – Ja, Mutti. Dann den Hustensaftbecher, aber da lehnt Mutti ab. Und das kann ich verstehen. Seit zweieinhalb Wochen jetzt Hustensaft, ich sah schon die letzten Tage, wie Mutti immer mehr den Mund verzogen hat. Am Anfang hat sie ihn noch getrunken, als ob er richtig lecker sei, aber die letzten Tage zeichnete sich schon ab, bald ist Oberkante-Unterlippe erreicht. Also sag ich prompt, als sie ablehnt, ob ich den trinken soll? Mutti grinst und dann krieg ich den. Ich sag ihr noch dazu, falls sie den Hustensaft mittags oder abends noch bekommt und nicht mehr möchte, soll sie ihn ruhig stehen lassen. Ich hoffe immer, dergl Ratschläge prägen sich noch irgendwo bei ihr ein. Nach unserer guten Stunde geh ich dann erstmal in die Wäscherei, wo die liebe Dame (vom Sehen kennen wir uns auch längst) sich total freut über beides, sowohl die Bügel als auch die Wanne. Sie erzählt ein bisschen von ihrer Arbeit. Viel zu tun. Aber alles mit einem strahlenden Lächeln wie jemand, der seine Arbeit liebt. Nochmal zu Mutti rein, nochmal Bescheid sagen, dass ich jetzt noch zu Frau H. gehe. Und die freut sich über meinen Besuch und noch mehr, dass das Handy jetzt da ist. Als ich zu ihr komme, liegt sie wie so oft mit Wolldecke angezogen auf dem Bett, aber setzt sich dann auf die Bettkante, damit ich ihr „die neue Technik“ erklären kann. Hab es so gemacht, dass sie nur wenigste Knöpfe zu bedienen hat und mit ein bißchen Üben plus A4-Bild vom Handy mit Pfeilen, welche Knöpfe zu drücken sind plus Aufkleber auf der Rückseite schätze ich, sie kommt klar. Am schönsten: Ihre Erleichterung, dass sie jetzt für den Fall X, der hoffentlich nie eintritt, gewappnet ist. Am liebsten möchte sie ja nie wieder ins Krankenhaus, ist aber realistisch. Will dann auch gleich wissen, wieviel Geld ich bekomme, da kann ich dann aber sagen, keinen Pfennig, weil das Handy eine Spende fürs Heim ist und sie es die nächsten 30 bis 50 Jahre, die sie ja noch vor sich hat, erst einmal für sich bekommt. Über die hohe Lebenserwartung muss Frau H. herzlich lachen – sie ist 94 Jahre alt. Aber das es nichts kostet – da erlebe ich sie zum ersten Mal, seit ich sie kenne, sprachlos … Ich stupse sie an: „Du, das ist der Moment, wo Du Dich freuen darfst!“ Und wie sie sich freut! Und mich umarmt. Dann brechen wir gemeinsam auf, Frau H. möchte sich unbedingt bei der Pflegedienstleiterin bedanken und ich hab ja noch den Brief für die PDL, wo ich nochmal schriftlich fixiert hab, dass das Handy bei Frau H. eine Spende fürs Heim ist, das zunächst zur lebenslangen Verfügung an Frau H. geht. Lieber schriftlich, bevor eines Tages, wenn Frau H. nicht mehr ist, ihr Sohn kommt und das auch noch einkassiert. Die PDL treffen wir nicht an, ist heute auf Fortbildung, dafür bekomme ich noch eine zweite Umarmung und verlasse eine strahlende Frau H. Nochmal zu Mutti, die schon kurz vorm Einschlafen ist, sich aber über die schöne Geschichte mit Frau H. freut. Dann noch kurz weiter, etwas für meine gute Seele Elisabeth einkaufen, denn die hat ein Problem der ganz anderen Art: Ihr Stützkorsett ist defekt. Wegen einer einzigen Schraube. Jetzt muss sie bis zur Reparatur ohne Korsett laufen, was schmerzhaft und nicht ungefährlich ist. Es zerreisst mir das Herz, aber ich hab mir die Stelle angesehen, wo die Schraube fehlt und obwohl wir bzw. mein Mann zuhause ein Schraubenarsenal haben, das sich sehen lassen kann – Schrauben für dergl medizinisches Zubehör sind eine ganz eigene Sorte Wurst, da kann ich leider nicht helfen… Und dann ein letztes Mal nochmal zu Mutti, um sie noch einmal zum Lachen zu bringen: „Ich mache dann morgen wieder von mir reden.“ Mutti kugelt sich – unser Running-Gag, den Spruch brachte meine Tante väterlicherseits mal und bringt Mutti immer zum Lachen, wenn ich ihn benutze.
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Do 17 Mai 2018, 15:36 © Amelu | |
| Hallo Aggi und Aggimutti, kennt Ihr Beide denn nicht als alte und prächtige Mittel für alle Möbel zu pflegen? Einfaches Leinöl, sollte natürlich gute Qualität sein! Damit immer wieder mal dünn einreiben, ist bestes Pflege der Welt! Übrigens für Lederschuhe auch. Leinöl ist das empfindlichste Speiseöl von allen, wird schnell ranzig (erkennt man am bitteren oder fischigen Geschmack) und sollte dann nicht mehr zum Verzehr genommen werden. Bei Leinöl empfiehlt es sich, immer kleine Flaschen (dunkeles Glas!) zu kaufen. Sind die Möbel alle hübsch poliert, kann man altes Speiseöl noch an Rosen gießen, die machen dann einen 'Wusch' und wachen nochnmal so willig weiter! Eva (mit virtuellen Blümchen für Deine liebe Mutter) |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 18 Mai 2018, 12:16 © Aggi | |
| Liebe Eva, Du bist ein Goldstück! Erstmal bin ich ganz gerührt über die Formulierung "Aggimutti" ... ... und werde Mutti die Blümchen von Dir morgen "überreichen". Auch an Dich errinnert sich Mutti schon! Und dann bin ich ja baff: - Amelu schrieb:
- kennt Ihr Beide denn nicht als alte und prächtige Mittel für alle Möbel zu pflegen? Einfaches Leinöl, sollte natürlich gute Qualität sein! Damit immer wieder mal dünn einreiben, ist bestes Pflege der Welt! Übrigens für Lederschuhe auch.
Leinöl ist das empfindlichste Speiseöl von allen, wird schnell ranzig (erkennt man am bitteren oder fischigen Geschmack) und sollte dann nicht mehr zum Verzehr genommen werden. Bei Leinöl empfiehlt es sich, immer kleine Flaschen (dunkeles Glas!) zu kaufen.
Sind die Möbel alle hübsch poliert, kann man altes Speiseöl noch an Rosen gießen, die machen dann einen 'Wusch' und wachen nochnmal so willig weiter! Ich hatte davon keine Ahnung, aber ein sehr guter Tipp mal wieder von Dir! Und Mutti frag ich morgen, ob sie das kennt. - Der Hammer, wieder was dazugelernt. Leinöl kannte ich bislang nur in Verbindung mit meinen Hunden als Mittel bei Fellproblemen. Eva, fühle Dich umarmt von mir! Und Dankeschön! Einen lieben Gruß, Deine Aggi
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 18 Mai 2018, 13:38 © Aggi | |
| 20180518 Freitagmorgen: Als ich heute kurz vor acht im Heim ankomme, steht meine gute Seele Elisabeth zusammen mit dem Praktikanten und noch einer Frau, die ich nicht kenne, im Flur. Ich stolper wie ein kleines Kind mit grossem Aua zu Elisabeth und zeige ihr mein neues Pflaster an der linken Hand. „Was hast DU denn gemacht?“ Grinsend erzähle ich, dass ich jetzt weiß, dass mein eigenes Gemüsemesser superscharf ist, hab gestern beim Apfelschneiden die Hand erwischt. Elisabeth pustet erstmal und dann kopfschüttelnd zu den andern: „Also nee, unsre Kinder kann man doch wirklich nicht alleine lassen.“ Während ich mich trippelnd mit Faxen schäme. Wir gehen grinsend auseinander. Mutti bringe ich damit dann auch zum Lachen, vor allem, weil ich deshalb gestern ja nicht mehr Wischen konnte, was ja das eigentliche Problem ist. Und viel schöner ist heut früh für Mutti die Geschichte von dem Eichhörnchen, das ich morgens bei uns auf der Terrasse beobachtet hab. So süß, wie es auf dem Zaun saß und sich das Gesicht geputzt hat, als würde es sich erstmal den Schlaf aus den Augen reiben. Und dann mit einem Hopser wie nix vom Zaun auf unsere Lärche: "Mutti, ICH wär ja sowas von auf den Boden geplumpst, aber Eichhörnchen können ja springen wie Hulle!" Diese Tiererlebnisse liebt Mutti! Dann hole ich das Frühstück, anderthalb Scheiben Brot, eine Scheibe mit Käse, eine halbe mit Marmelade und immer noch Hustensaft. Dazu beschreibe ich Mutti die Royal-Hochzeit in England morgen. Bildreich, alles, was das Fernsehen zum Thema hergibt. Farbenfroh und unbeschwert. Mutti und ich beschliessen, nicht hinzufahren. Vom Kl.Bruder wissen wir ja, dass die Parkplätze da eh so schlecht zu kriegen sind, nicht wahr, Mutti? Mutti grinst. Aber ich kann ihr einen guten Eindruck vermitteln, was da grad in Great Britain los ist. Und das da Touristen sogar tagelang am Straßenrand kampieren, um morgen eine gute Sicht auf die Hochzeitskutsche zu haben, findet Mutti in Ordnung. Die tun ja nichts Böses. Vom Brot bleiben heute drei Stücken über. Mutti meint unvermittelt und ärgerlich, sie kann nicht mehr hören, wie immer gesagt wird, sie solle aufessen. Keine Ahnung, wen sie meint. Mich auf jeden Fall nicht und ich schiebe ihren Teller nochmal demonstrativ von ihr weg, damit sie sieht, ich bin auf ihrer Seite. Sag auch mit Worten, dass sie nur so viel essen braucht, wie sie mag. Dann ist auch gut. Dafür nimmt sie heute wieder anstandslos den Hustensaft. Zwischendurch kommt noch unsere „Sr.“ La., die kurz mit uns rumscherzt. Mutti später: „Sie ist eine Liebe.“ Auch, als die immer fröhliche Sr. A. kommt, das Tablett abholen, bemerke ich, dass Mutti gleich lächelt, als Sr. A. sie fröhlich grüsst. Einfach nur schön! Als Mutti sich nach dem Essen gemütlich auf die Seite kuschelt, frag ich, ob ich ihr nochmal die Haare kämmen darf. Ja, gerne. Ist noch wieder ein kleines Vogelnest im Haar, das ich aber ohne Ziepen entzuselt kriege und Mutti mag das Gewusel. Irgendwie ist es dann sogar zehn nach neun geworden, als ich mich gemütlich verabschiede. Als ich auf den Flur komme, stehen da grade Sr. S. und Sr. Au. an die Wand gelehnt und ich stell mich dazu: „Ah, ihr spielt grad an der Wand lehnen.“ Sr. S. erklärt mir, sie mussten grad ein Bild aufhängen. Ich stutze, da hing grad ein neuer schöner Kranz an der Wand. Gestern neu aufgehängt, heute früh mit schönen blauen Bändern versehen, hatte mir ausnehmend gut gefallen. Jetzt hängt da so ein Hochglanz-Kunstdruck-Bilderrahmen Marke farbig aber nichtsagend. Ich äußer meine Enttäuschung und eine traurige Sr. S. sagt, es kommt noch schlimmer, alle Türkränze sollen auch ausgetauscht werden. Sollen jetzt alle einheitlich sein… Da frag ich nach, denn DAS versteh ich nicht. Auf Muttis Flur hat jede Zimmertür einen optimal abgestimmten Türkranz für jeweils das Bewohnerfoto. Individuell verschieden, auch wenn es alles Türkränze sind. Ich war vom ersten Tag an begeistert, mit welcher Liebe zum Detail das gemacht worden war und super glücklich, als Mutti dann ihren eigenen bekam. Und jetzt soll das vereinheitlich werden? Gibt’s denn keine Individualität mehr? Die Schwestern schütteln traurig den Kopf. Grad Sr. Au. hat sich für diese Dinge immer besonders ins Zeug gelegt. Ich frag nach, wo man eine Petition DAGEGEN einreichen kann, aber Sr. S. winkt traurig ab, der Bescheid käme von der Geschäftsleitung und notfalls würden sie, die Schwestern dann Ärger bekommen. Aber es wäre schon traurig, wie so diese ganze Arbeit, wo teilweise die Bewohner selbst an den Kränzen mitgearbeitet haben, mit einem Federstrich zunichte gemacht wird. Als ich zum Parkplatz gehe, überlege ich ernsthaft, zur Geschäftsleitung zu fahren und mein Veto einzulegen. Weil ich das einfach nur Scheiße finde. Lasse es aber bleiben, weil Sr. S. mich drum gebeten hat. Aber das ist doch Scheiße… Sollten demnächst überall einheitliche Türkränze hängen, kann ich ja einen Zettel in den Kasten für „Lob, Kritik, Anregungen“ werfen. Tse, sowas regt mich auf, da entscheidet doch wieder wer, der weder vom Tuten noch vom Blasen........
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| | | Amelu Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Fr 18 Mai 2018, 22:56 © Amelu | |
| - Aggi schrieb:
- Liebe Eva,
Du bist ein Goldstück!
Erstmal bin ich ganz gerührt über die Formulierung "Aggimutti" ... ... und werde Mutti die Blümchen von Dir morgen "überreichen". Auch an Dich errinnert sich Mutti schon!
Und dann bin ich ja baff:
Ich hatte davon keine Ahnung, aber ein sehr guter Tipp mal wieder von Dir! Und Mutti frag ich morgen, ob sie das kennt. - Der Hammer, wieder was dazugelernt. Leinöl kannte ich bislang nur in Verbindung mit meinen Hunden als Mittel bei Fellproblemen. Den Tip mit Leinöl zur Möbelpflege hab ich aus 'Frag Mutti'. Für dunkles Holz kann man das Leinöl mit halbe-halbe tiefrotem Rotwein mixen, gibt dann schön dunklen Glanz. - Bei dieser Art Möbelpflege bist Du ganz sicher, daß keine blöden Chemikalien zusätzlich untergemixt sind. Altes Öl an Rosen ist aus dem netten Büchlein 'Was die Kräuterhexen sagen', amüsant und lehrreich zu lesen. Leinöl kannste dem Hund generell übers Futter geben, immer ein Kaffeelöffelchen voll etwa, im Wechsel mit Hanföl und Kokosöl (das man aber mit etwas heißem Wasser vorher verflüssigt haben sollte). Gib Deiner Mutti am 4.6. einen ganz innigen Kuß von mir! Eva |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim Sa 19 Mai 2018, 14:32 © Aggi | |
| Liebe Eva, als ich Mutti heute von Dir und Deinem Tipp etc. erzählte, holte ich erstmal aus und beschrieb Dich als die Freundin, die mir wirklich schon in so einigen Bereichen und Lagen mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Will nur sagen, falls Deine Ohren heute geklingelt haben, lags daran: Wir haben ganz doll an Dich gedacht! Hab übrigens grad schon zwei Kiefernholzkisten mit Leinöl behandelt. Dunkles Holz hab ich nicht, aber der Tipp ist trotzdem interessant. Aber am besten: 250 ml Leinöl für 1,25 Euro - das Möbelöl aus dem Internet kostet dagegen knapp 10 Euro und da sind nur 200 ml drin.... - Amelu schrieb:
- Gib Deiner Mutti am 4.6. einen ganz innigen Kuß von mir!
Darf ich den Kuß auch aufheben für den 16ten Juno - weil sie da Geburtstag hat?! Dir einen lieben Gruß und ein schönes Pfingstwochenende! Deine Aggi ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 20180519 Samstagmorgen: Kurz vor acht im Heim ist bei Mutti die Wäsche schon durch und Mutti noch ein bisschen müde: „Och, ich dös hier so.“ Wir plaudern erstmal gemütlich, was dann ja immer bedeutet, ich erzähle, was mir grad so einfällt und Mutti lässt sich lächelnd „berieseln“. Als ich dann ihr Frühstückstablett aus dem Dienstzimmer hole, treffe ich dort Sr. L. und erkundige mich, wie es ihrem Arm inzwischen geht. Zum Glück besser, aber sie sei schon nachdenklich geworden, wenn so einfache Dinge wie Hose-hochziehen problematisch werden und man sich auf einmal hineinversetzen kann, wie sich ein Schlaganfallpatient fühlen muss. Aber Sr. L. lächelt dabei und packt für Mutti noch schnell ein Mini-Mars aufs Tablett. Mutti muss dann grinsen, als sie hört, Sr. L. hat ihr „ein GANZES“ Mars geschenkt. Natürlich halte ich ihr das kleine Ding vor Augen. Zum Frühstück wieder anderthalb Scheiben Brot, eine Scheibe mit Marmelade und eine halbe mit Käse. Und immer noch der Hustensaft dabei. Ich vermute, Mutti trinkt ihn mittags oder abends auch mal nicht, wenn jetzt noch welcher da ist. Während Mutti frühstückt, erzähle ich von Eva. „Weißt Du noch, Mutti, von Eva habe ich schon ein paar Mal erzählt…“ und dem Leinöl, vor allem aber von der Grußzeile: „Liebe Aggi und liebe Aggimutti“ – da fängt Mutti richtig an zu strahlen. Aggimutti hat sie auch noch nicht gehört. Ich hole nochmal aus mit dem Möbelöl und geh dann über zu dem Tipp mit dem Leinöl, denn Mutti vergisst jetzt immer schneller. Aber so erinnert sie sich dann und jetzt der Tipp von Eva mit dem Leinöl überrascht Mutti auch. Kannte sie auch noch nicht oder wenn, kann sie es nicht mehr erinnern. Findet sie aber auch gut! Auch ein Faible, dass Mutti und ich teilen, diese Haushaltstipps, die nicht nur das Leben erleichtern sondern auch noch Geld im Portemonnaie sparen! Und am Ende „überreiche“ ich ihr noch den virtuellen Blumenstrauß von Eva, da muss Mutti grinsen. ^^ Eva, einen lieben Gruß unbekannterweise zurück! Mutti schafft heute dann das ganze Brot, ist danach aber so erschöpft, dass sie mit ihrem Tablettenbecher in der Hand schier einschläft. Schlussendlich frage ich, ob ich ihr die beiden halben Tabletten auf die Zunge legen soll und dafür ist sie dann ganz dankbar. Den Hustensaft lehnt sie ab – mit ganz klarem Wackelpudding-Gesicht = Bloß nicht! Also trinke ich den, Mutti grinst so süß, weil ich den Saft überhaupt nicht mag. Nach dem Essen bitte ich dann einmal um ihre Zähne, weil sie sichtbar Brot zwischen den Zähnen hat. Keine Ahnung, manchmal wird das Putzen morgens auch vergessen, aber wenn ich Pflegeschwester wäre, würde ICH wahrscheinlich komplette Bewohner vergessen, neuerdings bin ich ganz schön tüdelig, was Mutti aber amüsiert ( ich leide z.Z. an Wortverdrehern, neulich hab ich gesagt, wir hätten den 15ten Dezember und ein andermal Kinn gemeint und Nacken gesagt und ZACK! jedesmal erwischt Mutti mich dabei, aber sowas von auf Zack! meine Mutti! ). Am Ende noch eine Fahrt ins Dorf, wo ich meiner guten Seele Elisabeth noch Rosen mitbringen kann, was sich dann gut trifft, denn auf dem Rückweg treffe ich auch Frau H. - Die freut sich, mich zu sehen, weil sie mal nachfragen wollte: Die Nacht ist ein Alarm bei ihrem neuen Handy angegangen, ob ich nochmal gucken könnte ........ Boah, hab ich mich geschämt, ich dachte wirklich, ich hätte alles abgestellt, was irritieren kann und bin dann nochmal das Handy durch. Natürlich war kein Wecker oder ErinnerungsDings oder sonstwas eingestellt, hab dann aber über "Funktionen sperren" noch mehr ausgemacht und hoffe jetzt, das Handy nervt nicht mehr. Zwar konnte ich Frau H. nochmal erklären, wie sie das Handy ausschalten kann, aber wenn man mit 94 Jahren sein erstes Handy bekommt und auch sonst nie Interesse an dergl hatte, ist das schwer..... So was Peinliches... Aber hoffentlich jetzt Ende gut, alles gut! Im Moment sind viel wichtiger meine Hausaufgaben, ich guck grad "The Royal Wedding", Meghan & Harry sind jetzt verheiratet, ich muss Mutti morgen doch alles beschreiben! - Vor allen Dingen die Kommentare meines Mannes ...
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als die Schäden der Krankheit." |
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| Thema: Re: Ich entscheide, nicht das Heim So 20 Mai 2018, 13:03 © Aggi | |
| 20180520 Sonntagmorgen: Viertel vor acht im Heim kommt mir im Flur schon eine lächelnde Schwester entgegen, sie sei grad bei Mutti fertig. Zwei Schritte weiter kommt meine gute Seele Elisabeth aus ihrem Zimmer und wünscht mir fröhlich „Frohe Pfingsten!“. *gg* Hatte ich schon wieder vergessen. Und ob Mutti’s Rose noch gut ist, sonst würde Elisabeth die gleich noch ersetzen. Aber keine Sorge, die Rose bei Mutti sieht noch prächtig aus. Weiter zu Mutti, wünsche ich Mutti, wo ich grad dran erinnert wurde, Frohe Pfingsten und Mutti meint, daran ist sie grad erinnert worden, dass wir Pfingsten haben. ^^ Ich hole Mutti wieder ihre gelbe Rose von Elisabeth ans Bett, richte die Grüße aus und „Schau selbst, die ist noch so schön, Elisabeth wollte Dir schon wieder eine Neue besorgen!“ Mutti muss grinsen, sie kennt Elisabeths fürsorgliche Art inzwischen ja auch. In dem Moment – „Wenn man den Teufel nennt…“ – kommt Elisabeth zu Besuch. Wünscht Mutti frohe Pfingsten und fragt mich, ob ich kleine Getränkeflaschen mit Erdbeer- oder Kirschgeschmack weiß. Ihr Mann hätte so gerne etwas mehr Abwechslung beim Geschmack der Getränke. Ich schlag Caprisonnen oder Sunkist vor und werde morgen mal je eine zur Probe mitbringen, wir haben noch welche zuhause. Mutti und Elisabeth scherzen dann noch, ob sie abends vielleicht noch gemeinsam zum Schützenfest gehen. So süß, wie sich Mutti bei der Vorstellung im Bett liegend kringelt. Und als wir dann wieder alleine sind, muss ich Mutti ja auf den neusten Stand der königlichen Hochzeit bringen und schildere den ganzen Glanz und die Schönheit und die Pracht der gestrigen Feierlichkeiten. Inzwischen ist es schon 12 nach acht und ich sag grad, ich geh mal los, das Frühstück holen, da klingelt es an der Tür und die Schwester von vorhin bringt das Frühstückstablett. Ich bedanke mich herzlich für den Service! Und dann wie immer erstmal einen Schluck kaltes Wasser auf den Kaffee und wie eigentlich jeden Morgen meint Mutti: „Oh ja, das ist gut!“ Kein Hustensaft mehr dabei, da bin ich auch erleichtert. Möge Mutti bitte bitte bitte keine Erkältung mehr kriegen! Aber anderthalb Scheiben Brot, eine Scheibe mit Käse, eine halbe mit Marmelade. Zum Frühstück schilder ich weiter die Hochzeitsfeierlichkeiten von Prince Harry und seiner Meghan. Mutti hört teils so fasziniert zu, dass sie das Essen vergisst. Sie meint zwischendurch, sie selbst hätte das gestern doch nicht gesehen, wäre wohl darüber eingeschlafen, aber meine Erzählungen machen ihr Spaß! Und wen interessiert, dass sie gar keinen Fernseher hat?! Mutti erinnert ja noch die anderen Hochzeiten, Prinz Charles und Lady Di oder die Krönungszeremonie von Lizzy und von daher passen meine Erzählungen zu ihren eigenen Erinnerungen. Die Zeit vergeht wie im Flug bei heute strahlend Sonnenschein, das gute Wetter findet Mutti auch schön, auch wenn sie nach unserer Stunde immer sehr müde ist. Schätze, es dauert keine fünf Minuten, wenn ich gegangen bin und Mutti schläft erstmal wieder ein. Denn „Essen ist auch Arbeit“. „Oh ja!“ Beim Rausgehen hocke ich mich noch einen Moment zu meinem Freund, ich kann an diesem lieben kleinen Mann nicht vorbeigehen ohne einen kurzen Halt. Die Art, wie er dann meine Hand hält … und nicht loslassen mag … ich fühle seine Einsamkeit und freue mich an seinem Lächeln. Heut Morgen erzählt er mir von seinem Traum und das muss doch ein Traum gewesen sein, ging aber die ganze Nacht. Er hat sich nackig ausgezogen und dann komplett gewaschen und rasiert und dann einen Gala-Anzug angezogen. (Alles nicht so schnell erzählt, wie ich es hier schreibe, das ist die Zusammenfassung.). Und dann ist er nach vorne gegangen und dann fängt mein Freund von vorne an: Das muss doch ein Traum gewesen sein und der hat die ganze Nacht gedauert, wie er sich nackig ausgezogen hat, und er hat sich komplett gewaschen und angezogen und rasiert und wie kommt er denn dazu? Wühlt ihn richtig auf und ich krieg die Kurve, indem ich meine, ich hätte ihn soooo gerne in seiner Gala-Uniform gesehen! Da strahlt er über das ganze Gesicht. – Bis zu dem Punkt noch einiges an Protest, das sei doch nicht normal und wie kann das und was soll das, auch wenn ich dazwischen sage, Gala-Uniform ist aber was Feines (er strahlt) oder das schafft aber nicht jeder (er lacht), protestiert aber eine Weile weiter, bis wir den Abschlusspunkt haben. Waren vielleicht 5 Minuten, keine Ahnung, aber dieser Mann hat es mir angetan. Und ich muss nicht hinterfragen woher oder wohin, ich kann ab und an 5 Minuten für ihn da sein. Und dann wünsche ich noch einen Tisch weiter der anderen Frau Frohe Pfingsten und nehme noch ihr Lächeln mit. So tun wir uns alle gegenseitig gut. ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Und jetzt grad krieg ich noch einen Anruf von meinem Kl.Bruder. Der möchte morgen früh gerne mit zu Mutti fahren, ob ich ihn mitnehmen kann? - Kein Thema. - Aber da wäre noch was. - Ja, was denn? - Er wolle noch seinen Lieblingshund mitnehmen! Jetzt freu ich mich total auf morgen früh und möchte am liebsten schon ins Bett gehen, damit möglichst schnell morgen früh ist, weil ich mich so darauf freue! Da wird die Mutti Augen machen und glücklich sein!!!
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