LillNalle Erstellt: 26.02.08, 17:26
Hallo ihr Lieben
Ich möchte wieder mal ein paar Gedanken und persönliche Erfahrungen schreiben.
Da wir mit Erik (bis zu seinem Heimeinzug) die Hälfte des Jahres in Schweden lebten und die andere Hälfte in der Schweiz (Erik sprach nur schwedisch), konnten wir in Bezug auf andere Menschen, sprachliche Hindernisse und den Umgang damit schon wesentlich früher kennenlernen. Aus diesem Grund durften wir schon im Vorfeld vieles beobachten was sonst bei Demenz sich erst erahnen lässt wenn das eigene Sprachvermögen sehr stark schwindet und Gründe über das wieso und warum vom Betreffenden kaum noch vormuliert werden können....
Je weiter die Krankheit bei Erik vorangeschritten war, je mehr wurde es für ihn einfacher Freunde in der Schweiz zu besuchen als in Schweden. Schon desshalb weil es einfacher war seine Defizite auf die Sprachbarriere zu schieben als auf die Demenz. Schliesslich kommt es dann aber auch Schrittweise soweit das Körper-, Augenkontakt und Mimik zu der Sprache wird mit der noch am besten umgegangen werden kann. In der Schweiz war dies (ausser mit uns) ohnehin die einzige Verständigung. Für unsere Schweizerfreunde war es gerade aber auch desswegen einfacher mit ihm umzugehen. Niemand musste sich fragen: "Was sollen wir mit ihm nur sprechen", sondern einfache Gestik, sowie ein freundliches Lächeln reichten meist aus damit sich Erik wohlfühlen konnte.
In Schweden wollten ihn Freunde und Verwandte logischerweise direkt ansprechen, was aber durch Erik`s Defizite immer schwerer wurde und so zu verschiedensten beklemmenden Situationen führte. Bei den einen ist dadurch ein ungezwungener Umgang unmöglich geworden, andere wiederum sind ihm eher ausgewichen. Bei Erik haben diese Besuche oft das Gefühl gegeben das er den Erwartungen nicht genügt, er dumm sei, oder zumindest er nicht so wie er ist akzeptiert wird. Je mehr er jemand liebte und je näher sie ihm standen umso schmerzlicher wurde dies von ihm wahrgenommen. Verständlicherweise wollte er, obwohl anfänglicher sehr grossen Freude jemanden zu besuchen, dann aber nach einer Viertelstunde doch nur wieder nach Hause fahren. Während er Besuche in der Schweiz immer noch zwischen 1-3 Stunden problemlos mehr oder weniger geniessen konnte.
Mir wurde in der Zeit besonders bewusst wie wir "Gesunden" uns viel zu sehr mit der verbalen Verständigung beschäftigen. Und ausgerechnet dann beschäftigt es uns am stärksten, wenn die Dementen selbst kaum noch Worte finden können (kennen?), sie sich kaum noch verbal auszudrücken vermögen - geschweige noch einem Gespräch gross zu folgen. Ausgerechnet dann wo für Demente Gespräche immer weniger wichtig werden, aber gleichzeitig die Sensibilität für Mimik, Gestik und Körpersprache steigt sind wir wie blinde auf das Verbale ausgerichtet. Erik hatte aber gerade zu der Zeit immer verstärkter non-verbales wahrgenommen, wo ich ohne seine Reaktionen oft gar nicht erst bemerkt hätte. Ich staune auch heute noch wie er damals vieles seiner einstigen sprachlichen Schlagfertigkeit, in Gestik und Körpersprache umwandeln konnte. Das gesprochene war für ihn schnell vergessen (falls er es überhaupt verstanden hatte), aber mit Freude hatte er mir manchmal noch Tage später demonstriert wie jemand gelaufen ist, wie jemand da stand, oder das Gesicht wo jemand wärend dem Erzählen machte u.s.w. Somit hat er mir einen Weg gezeigt wo wir uns bis kurz vor seinen Tod am ehesten noch verständigen konnten. Sicher hat mich trotzdem jeder Verlust seiner geistigen Fähigkeiten zu tiefst geschmerzt, aber dieser unsägliche Schmerz durfte dadurch wenigstens ein bisschen gemildert werden.
Ich wollte dies schreiben in der Hoffnung etwas Mut zu geben, im vermehrten wagen Körpersprache anzuwenden.
Liebe Grüsse
Ursula