hallo, liebes forum,

ich war länger nicht mehr hier.
da ich fast täglich demenz "hautnah" erlebe, wie ihr ja auch (meine gruppe besteht aus 14 zt. schwerstdemenzkranken jdeweder form), muss ich im privatleben den cut machen, also mich auch selbst schützen. ich nehme also ein wenig die hilfreiche seite dieses forums mit und kann mich nicht immer einbringen-sonst verschwimmt die grenze zwischen arbeit und privat.
etwas, was mich aber selbst sehr beschäftigt ist folgender fall:

eine meiner patientinnen ist stark unruhig und bekommt nur abends "melperon".
tagsüber ist sie, da körperlich doch sehr schwach, in einem gehfrei und wandert, wandert, wandert.
dazu kommt in ständiger wiederholung der satz " bitte, bitte ich muss unbedingt aufs klo"....
ich verbringe fast eine stunde täglich nur mit IHR!!!! auf der toilette (stuhl) und selbst, wenn sie darauf sitzt kommt "bitte, bitte, ich muss...".
der harndrang lässt ihr/mir überhaupt keine ruhe-medizinisch ist alles abgeklärt, also KEINE blasenentzündung,-schwäche, keine verstopfung.
medikamente machen sie appetitlos (deshalb tagsüber nicht), ausserdem sehen wir weitgehendst (bei ALLEN) davon ab-ist ein prinzip( ein gutes!)
so und jetzt kommts:
ich mag diese patientin sehr, aber ich merke: ich werde langsam aggressiv. es ist meine eigene hilflosigkeit, weil der ständige drang nicht befriedigt werden kann (keiner kann wirklich alle 5 minuten müssen)...
die aggression kommt natürlich nie zum ausbruch (was glaubt ihr, ich bin schon vom wesen ein absolut friedlicher, weicher mensch), aber ich spüre, dass ich sie einfach nicht mehr so ertragen kann, wie ich das schon aus prof. gründen sollte-dabei hat sie unglaublichen schalk im nacken und ich knuddel sie oft, weil sie eben so eine arg goldige ist.

so, habt ihr rezepte (bis 10 zählen bringt nichts, weil das" bitte, bitte..ich muss..." in der zeit 20mal gesagt wird) ?????????????

und ja, ich beschäftige mich mit ihr im speziellen!!! (gymnastik, übungen, spielen-NICHTS HILFT).
ich bin traurig über mich selbst.

seid herzlich gegrüsst,

marion

mich mal auszukotzen (kraftausdrücke helfen auch:-)).
während ich mich so mit der thematik aggression beschäftigt habe-allein das niederschreiben-zugeben-konfrontieren war erlösend-kam mir eine idee: meine unruhige hat immer gern getanzt-ich wag das morgen...sie ist eh klein und überzart, ich "tanz" mit ihr...vielleicht ist das-nur für den augenblick-einfach ein aggressionsabbau und zuwendung zugleich.
danke also fürs nichtantworten:-), manchmal brauchst dann einfach doch den schlag auf den hinterkopf-ich berichte euch, wie´s war.
namaste,

marion

Liebe Marion,
lese gerade, aber wie du schreibst, hast du vielleicht schon deine Antwort. Würde mich freuen.

Mir fällt dazu spontan auch nicht viel ein. Ist es vielleicht auch nur eine Macke? Ein noch abrufbarer Satz, den sie noch gut behalten hat? Oder Aufmerksamkeit erregen?

Unsere Mutter hat manchmal noch Phasen, obwohl man sonst nichts mehr versteht, und sie sagt dann immer: Nein, das kann ich nicht mehr....wieder und wieder, je nach Tagesform. Sonst ruft sie inzwischen viel nach ihrer Mama. Sie bekommt auch nur Melperon.

Kannst ja mal berichten, ob du mit deiner Idee Erfolg hattest.

LG Biggi

liebe biggi,
ich glaube es ist die mischung "unruhe/macke/aufmerksamkeits(-defizit)"..manchmal kommt auch der satz "bitte, bitte-mir tut mein klo so weh":-).
ich kenne das, was du beschreibst, sehr gut...das rufen nach der mama-die eigene hilflosigkeit erkennen.schlimm, nicht wahr? schlimm und furchtbar und doch so authentisch. die konfrontation mit der eigenen hilflosigkeit und ja-ich habe gefühle für meine patienten-empathie ist zwar das stichwort, aber mitgefühl ist nicht weg-denk-bar. wie auch....sind wir nicht alle zutiefst menschlich? und können wir wirklich auf leid emotionslos re-agieren?
ich gestehe: ich kann das nicht
sei herzlich gegrüsst und danke dafür, dass du antwortest, weil dir dein gegenüber wichtig ist,

marion

Liebe Marion

Ich stelle mir gerade die Frage, ob in diesem Fall, die dauernde Wiederholung dieses einen Satzes nicht reines Redebedürfnis sein könnte. Genau so wie es den Drang zum Rumwandern gibt (Bewegungsdrang) so kann es auch den Rededrang geben. Könnte es eventuell sein das es ihr gar nicht um die Bedeutung ihrer Aussage geht, sondern lediglich um Kommunikation? Meine Frage wäre also. Erwartet sie eine bestimmte Antwort, oder geht es nur darum das man mit ihr redet - unabhängig was? Wenn du mal gar nicht darauf reagierst, wird sie dann gereizt? Oder wie wäre die Reaktion, wenn du manchmal eine Melodie summen würdest? Eine möglichst bekannte Melodie. Würde sie dann eventuell eine kurze Pause in der endlosschleiffe ihres Satzes einlegen?

Das sind so meine ersten Gedanken und Fragen dazu. Wärend ich hier immer noch überlegte, hast du schon eine gute Antwort gefunden . Ja, Tanzen kann wirklich Türen öffnen, damit habe ich sehr viele und schöne Erfahrungen machen dürfen. Ich könnte mir also gut vorstellen, das es auch hier hilfreich sein darf.

Liebe Grüsse und hoffentlich gutes Gelingen

Ursula

es ist schön dich wiederzulesen..deine ruhige, liebevolle art..
ich lache gerade in mich hinein, weil du mich auf eine idee gebracht hast.

nehmen wir an, meine patienten hiesse "müller", so wäre das lied: "das klogehen ist des müllers´lust"...
auf meine patientin trifft nun ein anderes volkslied voll ins schwarze und wie ich sie kenne wird sie reagieren-und grinsen (sie sieht dabei aus wie ein junges mädchen).
oh...fühl´ dich umarmt und hab dank, das lenkt sie sicher ab, weil sie auch noch dazu gerne singt-also die berühmten zwei fliegen mit einer klappe *breitgrins*, also der morgige (vormals letzté 6-schicht-tag) wird singend und tanzend verbracht:-), aber natürlich und wir wissen das alle-nur für DEN EINEN KURZEN MOMENT.
ich muss wieder öfter kommen, ich seh´schon...ihr tut halt einfach gut,
marion

"Das klogehen ist des Müllers lust"....Ich lach mich gerade schief Na da kann morgen wirklich nichts mehr schief gehen. Ich wäre am liebsten dabei

Ich wünsche dir einen erfüllten, wertvollen Tag. Geniesse den "einen kurze Moment" genauso wie es Frau "Müller" tun wird - ungetrübt und zu 100%, dann wird es für euch beide viel, viel geben können. Würde mich freuen, wenn du uns dann auch erzählst wie es war

Liebe Grüsse und eine erholsame Nacht wünscht dir

Ursula

Liebe marion gespräche mit dem pflegepersonal helfen auch probiert zusammen einen weg zu finden,ich denke dass es anderen genau gleich geht wie dir.Beschäftigung machst du soweit ja super spazieren gehen oder gib ihr mal Wolle zum aufrollen oder verschiedene stoffe die sie anschauen kann und greifen.Zeitschriften zum anschauen oder zerreissen.oder etwas zum ausmalen.Musik im hintergrund entspannungsmusik.oder einen handmassage.Oder ball zu rollen singen tanzen.Oder verschiedene socken auf den tisch leeren zum zusammen legen egal ob es zusammen passt am ende.Ws du noch ausprobieren kannst gib ihr mal ein schönes plüschtier oder eine schöne Puppe ,wir haben eine frau die schaut so liebevoll zu ihrem Kind (Puppe) nehme es ihr manchmal ab dass sie dann in ihrer welt nicht ueberfordert wird mit (ihrem Kind)
oder die angehörigen sollen ein Fotoalbum mit Fotos von ihrer Familie machen damit sie es mit dir oder jemand anderen anschauen kann.Validaton denke ich dass du auch machst.ich hoffe dir ein paar hilfreiche Tips gebne konnte melde dich wenn du mehr Tips brauchst,Ich wohne auch in der Ost schweiz

Liebe Marion,

als ich deinen Bericht las, dachte ich, es wäre mein eigener. Auch ich habe immer wieder mit aufkeimender Aggression zu kämpfen. Der Grund dafür ist wohl tatsächlich die eigene Hilflosigkeit, dieser ständige Murmeltier-Zustand (Ihr kennt sicher den Film "Und täglich grüßt das Murmeltier"). Und ja, es hilft, die Aggressionen einfach mal "auszukotzen".

Viel Kraft und liebe Grüße
Karin

Hej,

das ewige wiederholen von Worten oder Satzfragmenten durch einen Demenzkranken sind oft ein Ausdruck der Mitteilung - meine Mutter wollte oft erzählen und es kamen nur "Herbert, Herbert,...." über ihre Lippen (ist der letzte lebende Bruder meiner Mutter). Dies macht einen fertig, ja noch so 3 - 4 Stunden ist man platt und die Aggression steigt, ich bin oft in den keller oder auf den Balkon und haben meinen Frust raus geschrieen, hat geholfen! Mir haben zum Frust- und Aggressionsabbau auch Spaziergänge im Wald, alleine geholfen.

LG

Frederik

danke für die tipps (DIE SOCKENKISTE IST GUT), angel und danke für eure offenheit...
ich habe tatsächlich ein tänzchen gewagt (sie hat mir den rheinländer gezeigt-wobei ich bin da nicht sicher, was wir wirklich getanzt haben) und ein lied auf sie gesungen, allerdings geht es immer nur für ein paar (1-2??) minuten, dann kommt die stereotype "ich muss unbedingt..." sofort wieder.
wenigstens haben wir beide ein wenig lachen können miteinander, das war befreiend.

mein problem dabei ist eben, dass ich tatsächlich ständig mit ihr zur toilette gehe, weil ich immer angstlich bin, dass der drang zu gross ist. dabei bleibt aber für die gruppe dann weniger zeit und das ist einfach schade...ich werde mich mit den kollegen besprechen (auch hier danke)
und werde bei "frau müller" vermehrt einzelbetreuung anwenden...mal sehen welche lösungen es personell geben kann.
zur not stelle ich einen antrag auf einen boxsack

im übrigen werde ich in der nächsten zeit in einer anderen einrichtung hospitieren, dort soll man noch prof. mit präsenz/ergotherapie umgehen und ausserdem wäre es bei mir "um die ecke", also zu fuss erreichbar.über "daumendrücker" bin ich also dankbar .

herzliche grüsse,

marion

Liebe Marion,,
hast ja schon viele Tips bekommen...
Mir geht es geade mit meinem Mann genauso,nur auf einer anderen Art.. Es kommen jeden Tag x mal die Sätze... wie spät ist es,was gibts zu essen,wann heizt du an auch im Sommer bei 30 Grad im Schatten man könnte echt manchmal auf die Barikaten steigen,so ein Boxsack wäre wirklich nicht schlecht,aber auch Frederiks Vorschläge,Spaziergänge im Wald sind nicht zu verachten

Liebe gissi ich wünsche dir ganz viel kraft

Liebe marion dir auch viel Kraft und ich drücke dir die Daumen von wo kommst du in der schweiz?

ich wohne am bodensee, allerdings gerade noch auf der deutschen seite, bin aber halbschweizerin, grützi also .
du arbeitest in der pflege oder ergotherapie? beschreibst du es mir genauer? ich freue mich über austausch und tipps!
ich selbst bin innenarchitektin, bin aber irgendwann ausgestiegen und male (habe gerade eine 2 monatige ausstellung hinter mir). im seniorenheim arbeite ich nur 20% als präsenzkraft/ergotherapieassistin.
a grüssle von marion

bist du alleine mit deinem mann oder hast du unterstützung? ich kann zumindest nach 6, 7 stunden dann abschalten, aber-wie man sieht-beschäftigt mich die thematik demenz doch auch über den feierabend hinaus...ich kann mich nur schwer abgrenzen, das muss ich noch lernen.
sei lieb gegrüsst,

marion

arbeitest du mit dementen oder bist du persönlich betroffen? der umgang mit der demenz ist immer kräftezehrend, ich bin nach der schicht oft körperlich und psychisch k.o..erzähl mir von dir.
grüsse vom bodensee,
marion

Liebe marion ich habe 30 jahre in der pflege gearbeitet und hatte vor einem jahr einen bandscheibenvorfall und darf nicht mehr in der Pflege arbeiten.habe noch Aktivierungsfachfrau gelernt und arbeite bei demenziell erkrankten bewohner.Ich betreue 16 Bewohner den ganzen Tag habe die Leitung Aktivierung seit 1oktober und bin Berufsbilnerin für lehrlinge

da bist du mir 30 jahre voraus...ich habe zwar die kreativität. aber mir fehlt es an professionalität, oft kann ich mich nur schwer abgrenzen und muss ganz arg differenzieren zwischen mitleid und mitgefühl. im moment herrscht krankheitsbedingt pflegenotstand bei uns, so dass ich nun ein paar mal mit in der pflege war, das ergänzt meine arbeit sehr und ehrlich: die pflege tut mir richtig gut, weil ich da so herrlich verwöhnen kann (eincremen usw)...es kann in zukunft sein, dass ich zwischen pflege und ergo springe, das würde mir sehr gefallen.
über austausch freut sich,

marion

Liebe marion wenn du fragen hast dann bin ich da für dich

da ich einen hund habe und am wald/weiher/see wohne bin ich ca. 2 stunden täglich "gassi"...das reicht mir aber nicht.
die thematik stressabbau im umgang mit dementen finde ich sehr wichtig, um nicht zu viel anstauen zu lassen, da man oft ja nicht "normal" reagieren kann/darf (mit normal meine ich zb. an die einsicht appelieren).
ich habe mir heute deshalb inliner bei ebay ersteigert, da ich die ganzen tage überlegt habe, was mir hilft, um spannung abzubauen-da ich der bewegungstyp bin und immer gerne rollschuhgelaufen bin, könnte mir das wirklich helfen.
danke für die anregung und
herbstliche grüsse,
marion