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 Begleitung in eine andere Welt

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BeitragThema: Begleitung in eine andere Welt
Begleitung in eine andere Welt EmptySo 18 Nov 2007, 10:31    © Admin
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Pflegedokument Eta Erstellt: 26.02.07, 12:30


Teil 1:

Begleitung in einer anderen Welt

Umgang mit dementen Bewohner und ihren Angehörigen
Ein Plädoyer für den Dementen von Detlef Luther
(Pflegefachberater für Pflegedokumentation)

Diese Zeilen sollen dazu dienen, Einblick in die Arbeit, in die direkte Pflege von Dementen, alter Menschen in gerontopsychiatrischen Pflegeeinrichtungen(Abteilungen) im Land Brandenburg zu geben. Es handelt sich hier um Einblicke, die ich in Laufe meiner Jahre als Pflegefachkraft sammeln konnte.

Ich habe gleichzeitig versucht einige Vorschläge aus meinem Gedankengut mit einzubringen um eine ganzheitliche Pflege für Körper, Geist und Seele zu erreichen.
Wer sind diese Menschen, die hier aufgenommen werden?

Es sind Menschen wie Sie und ich- oder: : Eltern, Großeltern, Männer und Frauen aus allen Schichten der Bevölkerung, mit einer mehr oder weniger reichen Lebensbiographie; Menschen also, die eines Tages in ihrem Leben, meistens im Senium oder im dritten Lebensabschnitt, an Demenz erkranken. Die Krankheit, die durch verschiedene Faktoren beeinflußt wird, wie z. B. Umweltfaktoren, Lebensweise oder andere Erkrankungen, wird oft gesehen als eine heimtückische Krankheit, die weniger schlagartig auftritt, sondern mehr schleichend und das Hirn des Menschen in Besitz nimmt. Es zerstört mit all den Folgen, die wir kennen und die ich später in meinen Ausführungen beschreiben werde.

Während der Vorbereitungen zu diesem Plädoyer wurde mir immer mehr bewußt, dass ich hier keine Patentrezepte liefern kann. Denn der Umgang mit dementen Menschen ist sehr stark abhängig von der momentanen geistigen und körperlichen Verfassung der Bewohner aus der Einrichtung und der des verantwortlichen Pflegepersonals.

Ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, dass das, was ich hier sage, das "Gelbe vom Ei" ist und alles andere seine Gültigkeit verliert. Dieser Bericht ist der Versuch, ein Erlebnisbericht aus meiner täglichen Arbeit vorzutragen, der geprägt ist von vielfältigen Erfahrungen und meine persönlichen Erlebnisse auf diesem Gebiet, im speziellen der Geronto-Psychiatrie. Ich hoffe und wünsche mir sehr, dass viele Pflegekräfte sich mit meinen Äußerungen in ihrem Berufsalltag auseinandersetzen mögen, dass sie vielleicht einzelne neue Erkenntnisse im Umgang mit Dementen in Ihre eigene Arbeit einfließen lassen. Wenn ich Ihnen mit meinem Bericht neue Impulse für die weitere Arbeit mit dementiell Erkrankten vermitteln und die Neugier für dieses aktuelle Thema wecken kann und Sie noch dazu bewegen kann, neue Wege in Ihrem Berufsalltag zu gehen, dann habe ich mein Ziel bestens erreicht.

Die Formen der Demenzerkrankungen können in der med. Fachliteratur ausführlich nachgelesen werden, ich beschränke mich hier auf das eigene Erleben der Bewohner während meines Selbststudiums, wo ich mich immer wieder täglich einfühlen kann: Um diesen Bewohnern gerecht werden zu können, hat die Pflegeleitung in meiner jetzigen Einrichtung eine Konzeption entwickelt, der jederzeit als Unterstützung und Leitfaden dienen kann, sowohl für Anfänger wie auch für langjährige Mitarbeiter/Innen, die auf dem Gebiet der Geronto - Psychiatrie tätig sind und die im Berufsalltag immer wieder mit komplexen und emotional belastenden Situationen konfrontiert werden. Die ausliegende Konzeption und deren Richtlinien ermöglicht allen Mitarbeitern auch, eine klare Linie zu verfolgen, ohne dass dabei die Kreativität und Erfahrung des Einzelnen beeinträchtigt wird.

Ich selbst bin überzeugt, dass es Pflegenden bei Belastungen, Anforderungen und Ansprüchen hilfreich sein könnte, mit den Augen eines Dementen zu sehen. Auf die Perspektive kommt es an! Das könnte als Versuch gewertet werden, sich gefühlsmäßig auf Alltagssituationen einzulassen und uns beispielsweise zu fragen, was an diesen Situationen verwirrt oder überfordert. Anfänglich hatte ich selbst große Schwierigkeiten meine Linie zum Wohl der Bewohner zu finden, daher scheint es mir auch sehr wichtig als Pflegefachkraft von den Erfahrungswerten aller Mitarbeiter zu profitieren um eine ganzheitliche Pflege für Körper, Geist und Seele jeden einzelnen Bewohnern mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern kennen zu lernen. [b]

Was heißt dement sein ?

Der Leidensdruck eines kranken Menschen.

"Stellen Sie sich vor, sie befinden sich bei sonnigem Wetter auf einer Spätherbstwanderung. Der letzte Wegweiser gibt noch 30 Minuten an bis zum Ziel in die schützende Berghütte.

Rauhreif bedeckt Boden und Sträucher, Eis die Pfützen am Wegesrand, die Natur offenbart ihre Vergänglichkeit in überwältigender Farbenkraft. Sie genießen mit voller Lebenskraft den herrlichen Tag. Plötzlich treten hinter den weiß glänzenden Gletschern und den verschneiten Bergspitzen bedrohliche dunkle Gewitterwolken auf. In Kürze wütet ein heftiger Schneesturm, eine 15 cm dicke Schneedecke bedeckt den sicheren Weg. Nach kurzer Zeit merken Sie, dass Sie die Orientierung verloren haben, und es weit und breit keinerlei Anhaltspunkte mehr gibt. Ein beklemmendes Gefühl überwältigt sie, Ängste kommen hoch, eine lebensbedrohende Situation bahnt sich an. Sie stehen unter Streß, handeln plötzlich irrational, Sie bekommen Herzklopfen, der Puls beschleunigt sich, und Ihre Gedanken und Handlungen sind von außen nicht mehr nachvollziehbar. Sie können nicht mehr die richtigen Entscheidungen treffen und zum Schluß macht sich Panik breit."


So könnte eine akute Situation aussehen mit allen den erwähnten Symptomen, mit denen ein Dementer tagtäglich konfrontiert ist. Wie reagiert der an Demenz erkrankte alte Mensch? Hilflos, machtlos, wütend, elend, verzweifelt und manchmal auch aggressiv. Vieles stürmt auf den Kranken ein. Personen um ihn herum machen unangenehme Geräusche, reden auch mit ihm: Lautes zum Teil unverständliches Gerede. Woher kommen diese Geräusche? Was ist das? Was will man von mir? Wo bin ich hier? Diese Fragen können die Betroffenen oft nicht oder nur zum Teil formulieren. Statt dessen drücken sie hier Gefühle von Panik und Angst aus, die in ihnen unaufhaltsam aufsteigen. Sie suchen nach Orientierungspunkten und versuchen, das Durcheinander von Eindrücken zu ordnen. Dazu haben nicht verwirrte Menschen eine Strategie: Sie sortieren die unbekannte Umgebung und filtern die vielen verschiedenen Eindrücke. Wichtiges ist von Unwichtigem zu trennen. Gezielt werden das Gehör und die Augen eingesetzt. Auf diese Weise lassen sich bedrohliche und verwirrende Situationen bewältigen. Das anfängliche Gefühl von Hilflosigkeit und Desorientierung in der unbekannten Umgebung verschwindet, und es geht vorbei, bevor es sich zu Panik und lähmender Angst steigern kann. Das Bild von dem bedrohenden Ereignis auf der Wanderung könnte uns als Parallele dienen. Der an Demenz erkrankte Mensch empfindet seine Situation ähnlich. Aber es gibt einen wichtigen Unterschied: Sein Gehirn hat die Fähigkeit des Sortierend und des Filterns verloren. Der Betroffene kann sich nicht mehr distanzieren; und das - im Grunde genommen normale, gesunde - Gefühl von Hilflosigkeit, das jeder gut kennt, wird zur Angst. Der Kranke fühlt sich hilflos, weil er keine Lösung finden kann. Das sind die wichtigsten Symptomen und Schlüsselerlebnisse, mit denen wir in unserem Berufsalltag konfrontiert sind. Und hier sind noch alle somatischen Nebendiagnosen ausgeschlossen, die den Gesundheitszustand des einzelnen Bewohners zusätzlich und erheblich beeinträchtigen und beeinflussen können. Eine große Herausforderung für die Pflege, diese Menschen während des Aufenthaltes zu begleiten, zu pflegen, ihnen Lebensinhalt zu geben, ihnen zu helfen, mit ihren Ängsten umzugehen, bei Einzelnen von ihnen bis zum Ende. Wie begegnen wir diesen Menschen und ihren Angehörigen?

Jeder einzelne Bewohner und ihre Angehörigen stehen immer emotional unter starkem Druck. Meistens wird der Leidensdruck fast unerträglich, seelische Not, sogar Aggression und Ohnmacht, machen sich breit. Die Angehörigen, Freunde und Ehepartner/Innen erleben hautnah den Zerfall der geistigen und körperlichen Fähigkeiten des dementen Menschen. Das Perfide an der Krankheit ist die schleichende unaufhaltsame Entwicklung, die in allen Fällen bis zum erlösenden Tod führt. So oder so ist eine Rückkehr in die Normalität unmöglich. Bei vielen Angehörigen machen sich Schuld und Schamgefühl breit. Wünsche nach z.B. einem gemeinsamen sorglosen Lebensabend werden somit zerstört. Die Hoffnungen auf gegenseitige Unterstützung im Alter werden zunichte gemacht. Noch mit den letzten Kräften - körperlich wie seelisch - und meistens über Jahre versorgten und betreuten sie ihren Angehörigen oder Partner/In bevor der Entschluß kam, ihren geliebten Menschen in eine Pflegeeinrichtung zu geben.

Auf uns Pflegende entfällt somit die nicht einfache Aufgabe, den uns anvertrauten Menschen zu pflegen, ihm Halt zu geben, ihn vor sich und seiner Umgebung zu schützen, ihn während der akuten Phase zu begleiten und ihm zu helfen, mit seinen Ängsten umgehen zu können. Wir haben die Aufgabe, die Angehörigen und Freunde der einzelnen Bewohner zu stützen, und ihnen beratend beizustehen in der Hospitalphase.

Während des Aufenthaltes in der Pflegeeinrichtung bauen wir als Pflegekräfte eine enge Beziehung auf, die es wieder zu lösen gilt. Die Betreuung und Unterstützung der Angehörigen nimmt für uns Pflegende während unserer täglichen Arbeit viel Zeit in Anspruch, die sicher sehr gut investiert ist.

Bereits während der erster Begegnung mit dem neuen Bewohner und Familienmitgliedern können wir Pflegende großen Einfluß nehmen auf das Verhalten und weiteren Begegnungen mit dem Bewohner und deren Angehörigen. Den ersten Eindruck, den wir vermitteln, können wir nicht mehr rückgängig machen. Daher ist es wichtig bei allen Pflegemaßnahmen die Angehörigen mit einzubeziehen. Bei der Aufnahme des Bewohners treffen wir meistens einen verängstigten Menschen an, der sehr unter dem Milieuwechsel leidet. Die Angehörigen sind verunsichert von der neuen Situation. Es ist wichtig, dass wir versuchen die Situation zu entspannen, indem wir für eine ruhige Umgebung sorgen, ihnen ein Getränk anbieten, natürlich, freundlich und sicher in unserer Aufgabe wirken. Während des Aufnahmegespräches ist es wichtig, dass ich, wenn möglich, eine ausführliche Pflegeanamnese erstelle, so kann ich die üblichen Muster des neuen Bewohners erfassen, z. B. Tagrhythmus, Medikamenten Einnahme, Ausscheidung, Nahrungsaufnahme und Selbstpflege. Die Angehörigen befrage ich über die körperlichen, sozialen und psychologischen Verhaltensmuster des Kranken, z.B. Aggressivität, Apathie, sexuelles Verhalten, Schlaf- und Ess’ Gewohnheiten. So kann ich in meiner Pflegeplanung die entsprechenden Probleme formulieren, Maßnahmen planen und kurz-, mittelfristige oder langfristige Ziele formulieren und das Team in den Pflegeprozess einschließen, Ressourcen wahrnehmen. Alle vorausgesehenen oder möglichen Probleme können so abgefedert werden und verlieren dadurch an Intensität. Während des Gespräches kann ich einschätzen, welche Ressourcen und Fähigkeiten noch vorhanden sind. So kann ich auch die Familienmitglieder in die Planung, Durchführung und Auswertung der Pflege einschließen. Dieser Prozeß wird ständig überprüft und eventuell während des gesamten Aufenthaltes des Bewohners ausgebaut und angepaßt. Dieser erste Teil ist von größter Wichtigkeit, er erlaubt mir ein Gesamtbild über das Leben des neuen Bewohners zu machen und ermöglicht uns für die weitere Pflege - wie ich bereits erwähnt habe - mit den Augen des Dementen zu sehen, um sich innerlich gefühlsmäßig auf die Alltagssituationen einlassen zu können.


Detlef Luther,

Brieselang Januar 2007


Zuletzt von am So 18 Nov 2007, 10:32 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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BeitragThema: Re: Begleitung in eine andere Welt
Begleitung in eine andere Welt EmptySo 18 Nov 2007, 10:32    © Admin
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Pflegedokument Eta Erstellt: 26.02.07, 12:30

Teil 2:

Das Umfeld, in dem der alte Mensch seinen Aufenthalt verbringt, kann den Verlauf seiner Krankheit maßgebend beeinflussen - positiv als auch negativ. Wenn es uns möglich ist, müssen wir primär sofort bei der Aufnahme oder vorher einen richtigen Entscheid treffen bei der Auswahl der anderweitigen Bewohner, wer mit wem zusammenpaßt. Die Einrichtung muß auch soweit flexibel sein, um dem neuen Bewohner ein reizarmes Milieu zu ermöglichen. In den meisten Fällen ist das möglich. Da der Bewohner meistens stark in der Orientierung eingeschränkt ist, werden die Räume großzügig angeschrieben, Symbole, die für den Kranken von Bedeutung sind, werden an den Zimmertüren angebracht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Bewohner beruhigt wirken, wenn sie Toiletten und Aufenthaltsräume selbständig finden, es vermittelt Ihnen auch das Gefühl von Eigenständigkeit und Würde.

Er freut sich, dass er einen ihn vertrauten Raum selbständig gefunden hat. Ein reizarmes Milieu schaffen wir, indem wir verhindern, dass die Bewohner mit unangepaßten und ununterbrochenen Geräuschen und Musik berieselt werden. Auch hier liegt es in der Verantwortung des Pflegenden, Musik aus den Aktivzeiten des Dementen zu berücksichtigen und nicht irgendeinen Radiosender einzustellen. Alte Schlager rufen meistens Erinnerungen wach, die große Bedeutung für den Einzelnen haben. Diese Situation wird auch als Gelegenheit zum Gespräch genutzt oder kann als Gedächtnistraining wirken. Auf alle Fälle werden die Wünsche der Bewohner im einzelnen berücksichtigt. Die Aufenthaltsräume sind so gestaltet, dass der Bewohner ruhige Farben mit erkennbarem Muster antrifft. Alle Zimmer weisen eine gemütliche Atmosphäre auf, die mit einer beruhigenden Pastellfarbe bemalt sind. In jedem Zimmer hat der Demente die Möglichkeit sich zurück zu ziehen und nutzt diese auch um Mittags eine Schlafpause einzulegen. Um sich zeitlich orientieren zu können, hängt im Aufenthaltsraum ein großer Jahreskalender mit täglichen, gut lesbarem Tag, Jahr und Wochentag. Ein strukturierter Tagesablauf ermöglicht dem Bewohner sich zurechtzufinden in der Einrichtung. So können sich eine gewisse Routine und Muster entwickeln, die dem Bewohner eine Hilfe sein können in der Bewältigung seiner Bedürfnisse. Bereits die lebenswichtigen Bedürfnisse befriedigen zu können, z.B. Essen, Trinken und regelmäßige Ausscheidung, können eine Beruhigung und auch Wohlbefinden hervorrufen. Sehr differenziert sollte mit stark verwirrten und erregten Bewohnern umgegangen werden.Primär ist wichtig, dass die Pflegenden die Konsequenzen eines solchen Zustandes auf keinen Fall persönlich nehmen.

Ich persönlich versuche bei meiner Arbeit immer herauszufinden, auf welcher Gefühlsebene der Betroffene sich befindet. Auch hier müssen wir aus der Optik des Bewohners sehen und dementsprechend handeln, meistens sind diese Zustände mit starken Ängsten, Trauer und Wut verbunden.(Nicht bei Wahnvorstellungen) Es gilt die Gefühle anzuerkennen und ihm zu sagen, dass seine Gefühle wahr sind. Auf keinen Fall ist es von Nutzen, die Mitteilungen des Dementen zu korrigieren. Dies bedeutete für den Bewohner noch mehr Angst und Unsicherheit, anderseits könnte er gar nicht folgen. Bei verbalen Aggressionen habe ich gute Erfahrungen in einer vollstationären Einrichtungen gemacht, indem ich dem Bewohner die Möglichkeit gab, allein zu sein in einem geschützten Rahmen, wo die für ihn und die Umgebung gefährlichen Gegenstände vorher entfernt worden sind, z.B. Gläser Telefon, Radio, Bettbügel, Stühle etc. So konnte er sich beruhigen von den vielen Eindrücken. Um das aggressive Verhalten des Kranken beeinflussen zu können, setzen ich persönlich lieber Ablenkung als Konfrontation ein. Auch hier mußte sollte man differenziert vorgehen. Wir sollten vermeiden, dass zu viele an der Pflege Beteiligte in diesem kritischen Moment mit dem Bewohner zu tun haben, um nicht noch zusätzlich die Verwirrung zu steigern. Es darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass wir bei großen Erregungszuständen verbunden mit Tätlichkeit und extrem großen Ängsten, die bis zu Erschöpfung führen können, mit sedierenden Medikamenten in Form einer Injektion handeln mußten. In einem solchen Moment ist es wichtig für betroffene Pflegende und Arzt, die Situation genauesten zu koordinieren, jeder muß wissen, welche Aufgabe er wahrnehmen muß. Nur so können wir den Eingriff in die Persönlichkeit des Bewohners in einem engen Rahmen halten. Von großer Hilfe kann ein Standard sein für solche Ausnahmesituationen, der genau das Vorgehen für alle verständlich und im Sinne der Institution beschreibt. Hier müssen wir uns eingestehen können, dass wir mit unserem Wissen und unseren Erfahrungen an Grenzen stoßen. Meistens machen wir die Erfahrung, dass nach einer solchen Handlung und einer gewissen Beruhigungsphase der Bewohner wieder aufnahmefähiger und zugänglicher wird. Die Chance nützen wir, um einen neuen [b]Zugang
zu finden. Zum Teil ist diese Aufgabe verbunden mit Detektivarbeit und Geduld, sie gleicht der Zusammensetzung eines Puzzles, das zum Ziel führt. Je mehr ich vom Dementen weiß, desto besser kann ich auf ihn eingehen. Solche Ausnahmesituationen sollten immer in der Pflegegruppe thematisiert und aufgearbeitet werden. Die größte Herausforderung für die Pflege zur Beschleunigung des Pflegeprozesses ist die Art von Kontaktaufnahme und die angepaßte Kommunikation mit dem Bewohner und den Angehörigen. Es lohnt, sich bei dem stark dementen Bewohnern immer wieder vorzustellen. So verhindern wir, dass der Bewohner ein schlechtes Gefühl oder auch Scham entwickelt, wenn er nicht den Name des Gegenübers aussprechen kann. Erlebt, reagiert er auf seine Weise, meistens mit verwirrten Botschaften, weinerlichem Verhalten, Erregung oder Rückzugsverhalten (er fällt negativ auf). Darum empfehle ich, sich die Zeit zu nehmen, den Blickkontakt aufzunehmen und wenn es angebracht ist ihn leicht zu berühren und Präsenz zu zeigen. Die Minuten die wir hier verlieren, gewinnen wir sicher, wenn wir die Notfälle dadurch reduzieren und psychische Not mildern können. Wir sprechen die Bewohner immer direkt an und sprechen langsam und deutlich mit einem warmen und respektvollen Ton in der Stimme, so hat auch ein schwerhöriger Bewohner die Chance uns zu verstehen. So nützen wir auch eine Ressource, denn viele Schwerhörige haben die Fähigkeit entwickelt, die Bewegung der Lippen ins Gespräch einzubeziehen.

Abschließend möchte ich auf etwas hinweisen, was wir noch tun können:

Wir müssen uns verabschieden von Vorurteilen und den dementen Mensch als vollwertige Persönlichkeit begegnen, der uns vorgelebt hat, was auf uns noch wartet.

Detlef Luther,

Brieselang Januar 2007
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BeitragThema: Re: Begleitung in eine andere Welt
Begleitung in eine andere Welt EmptySo 18 Nov 2007, 10:35    © Admin
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LillNalle Erstellt: 27.02.07, 19:41


Lieber Detlef
Danke für den guten Bericht.
Der Leidensdruck eines kranken Menschen.....Der Vergleich mit dem Schneesturm finde ich sehr gut. Aber auch sonst sind die Beschreibungen sehr Lebensnah. Kurz gesagt der Bericht hat mir sehr gut gefallen und setzt ein grosses Einfühlungsvermögen voraus, aus dem sowohl Fachleute wie pflegende Angehörige vieles für sich entnehmen können.
Ein wertvolles Plädoyer, das ich sicher immer wieder mal durchlesen werde.
Liebe Grüsse
Ursula
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