Über länger anhaltende Fixierungen muss künftig ein Richter entscheiden. 690 Fälle im Jahr 2017. Auch Gefängnisse betroffen.
Hamburg. Insgesamt 690-mal wurden Patienten in Hamburger psychiatrischen Kliniken im vergangenen Jahr gegen ihren Willen fixiert, also etwa an ein Bett gefesselt. Dies geschieht in der Regel zum Eigenschutz, aber auch zum Schutz von Personal oder anderen Patienten. Im Strafvollzug wurden Gefangene im vergangenen Jahr 18-mal fixiert. Diese Zahlen gaben Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) und Justizsenator Till Steffen (Grüne) am Dienstag im Rathaus bekannt.
Anlass war die Vorstellung einer Gesetzesreform, die die Rechte von Patienten und Gefangenen bei solchen Zwangsmaßnahmen künftig stärken soll. Vom 1. Januar 2019 an muss demnach ein Richter jeder Fixierung zustimmen, „die absehbar länger als eine halbe Stunde andauern“ wird. Hamburg reagiert damit laut Senat „als eines der ersten Bundesländer auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Juli dieses Jahres, das diese Fixierungen als Freiheitsentziehung einstuft“.
Richter sollen sich selbst ein Bild vor Ort machen
Die Freiheit der Person sei unverletzlich und stelle ein besonders hohes Rechtsgut dar, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf, sagte Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks. „Dennoch sind Zwangsmaßnahmen in manchen Fällen unvermeidlich, wenn die Patientinnen und Patienten mit schwersten psychischen Erkrankungen sich oder andere gefährden.“ Die Schwelle für solche Eingriffe sei schon bisher in Hamburg „sehr hoch“ und die Hamburger Krankenhäuser setzten dieses Instrument verantwortungsvoll und zurückhaltend ein. „Mit der Neuregelung werden die Rechte der Betroffenen noch einmal gestärkt.“
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts setze neue Maßstäbe und stärke die Rechte der Betroffenen, sagte Justizsenator Steffen. „Wir führen mit dem Richtervorbehalt nun eine rechtsstaatliche Kontrolle der freiheitsentziehenden Maßnahme der Fixierung ein. Mit dem richterlichen Eildienst erhöhen wir den Rechtsschutz und bringen die Praxis in den Einrichtungen in Einklang mit den Anforderungen aus Karlsruhe. Damit ermöglichen wir rechtssicheres und schnelles Handeln in Ausnahmesituationen.“ Richter sollen sich nach den Plänen jeweils vor Ort in Kliniken oder Justizvollzugsanstalten selbst ein Bild von der Situation machen.
Richterlicher Bereitschaftsdienst von 6 bis 21 Uhr
Durch den am Dienstag vom Senat verabschiedeten Gesetzesentwurf werde konkret neu geregelt, dass bei Fixierungen „zumindest sämtlicher Gliedmaßen, wobei es sich insbesondere um so genannte 5-Punkt- und 7-Punkt-Fixierungen handelt, die absehbar länger als eine halbe Stunde dauern, ein Richtervorbehalt vorgesehen ist“. Das Bundesverfassungsgericht gebe dabei vor, dass dafür täglich zwischen 6 und 21 Uhr ein richterlicher Bereitschaftsdienst zur Verfügung stehen muss. Um die „notwendige Reaktionsschnelligkeit an den Gerichten zu garantieren“, werde der Senat „bedarfsgerecht neue Stellen für Richter und Servicekräfte zur Verfügung stellen“.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts beziehe sich auf Menschen, die öffentlich-rechtlich (also zwangsweise) in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung in Krankenhäusern untergebracht sind. Die Entscheidung sei jedoch auch auf Fixierungen in anderen hoheitlichen Bereichen, wie zum Beispiel im Straf- und Maßregelvollzug und bei der Abschiebehaft, übertragbar, so der Senat.
Auch Zwangsmedikationen werden dokumentiert
Schon nach bisheriger Rechtslage sei sichergestellt, „dass die Fixierung nur als letztes Mittel angewandt wird, wenn kein milderes Mittel mehr in Betracht kommt. Ferner muss die Fixierung auch heute schon von einem Arzt in medizinischen Einrichtungen beziehungsweise der Anstaltsleitung im Vollzug angeordnet werden und die fixierte Person grundsätzlich ständig und in geeigneter Weise persönlich betreut werden“, so die Senatoren.
Schon jetzt dokumentiere Hamburg Fälle von Zwang in diesem Bereich im Rahmen der Vorgaben des Hamburgischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG). Hamburg sei derzeit „das einzige Bundesland, das die Zahl der angewandten Zwangsmaßnahmen in psychiatrischen Abteilungen von Krankenhäusern nicht nur systematisch erfasst, sondern in Form einer Drucksache dem Parlament und der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich macht“, so Prüfer-Storcks. Demnach sei es 2017 in Hamburg „lediglich in 2,7 Prozent der insgesamt rund 24.000 behandelten Fälle zu einer Fixierung“ gekommen.
Neben Fixierungen werden laut Gesundheitsbehörde auch Zwangsmedikationen dokumentiert, also etwa die Verabreichung starker Beruhigungsmittel gegen den Willen der Patienten. Im Jahr 2016 seien in der Psychiatrie 161 Mal Medikamente unter Anwendung von Zwang verabreicht worden.
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lieben gruß gisela mein Vorbild ?....der Löwenzahn...wenn er es schafft durch Asphalt zu wachsen...kann auch ich scheinbar unmögliches schaffen