Ich muß heute leider eine traurige Geschichte erzählen. Ich tue es besonders, um Angehörigen von Demenzkranken einmal mehr vor Augen zu führen, wie schnell etwas passiert. Als ich aus dem Urlaub kam, hat mir meine Freundin (71) am Telefon von dem Vorfall erzählt, an dem sie noch sehr lange leiden wird.
An einem Vormittag im November stieg sie aus dem Bus aus und wollte über die Straße zu ihrem Haus gehen. Auf der Mittellinie blieb sie stehen, in jeder Hand einen schweren Einkaufsbeutel. Plötzlich kam mit ziemlicher Geschwindigkeit ein PKW um die Ecke (die Straßen bilden einen spitzen Winkel, sind aber übersichtlich). Der Fahrer überfuhr die Linie seiner Fahrbahn und sie wurde vom Seitenspiegel erfaßt und auf die Straße geschleudert, Taschen und Inhalt weit verstreut, der Spiegel riß ab und wurde später von der Polizei auf der Straße gefunden. Der Unfallverursacher fuhr einfach weiter. Ein nachfolgender PKW hielt an, der Fahrer hatte alles beobachtet. Rettungskräfte und Polizei bestätigten später, daß sie nicht nur einen Schutzengel gehab habe.
Nach längerem Krankenhausaufenthalt liegt sie nun daheim in der ersten Etage, Metall im zertrümmerten Bein und eine Schiene außen herum. 3 Monate nicht auftreten! So hüpft sie notdürftig auf dem anderen Bein in den Flur zu ihrem Toilettenstuhl (Toilette eine halbe Treppe tiefer, wie das in alten Häusern so ist) oder mal in die Küche. Selbst das Hüpfen ist schwierig, weil auf dieser Seite das Hüftgelenk noch recht neu ist, das sie vor einiger Zeit bekam. Glücklicherweise wohnen zwei Söhne und die Schwiegertochter mit im Haus, so daß wenigstens morgens und abends jemand da ist, um sie zu versorgen.
Durch den Spiegel konnte die Polizei den Fahrzeugtyp bestimmen und als der Fahrer am nächsten Morgen ins Autohaus kam, um sein Fahrzeug reparieren zu lassen, hat man ihn gleich in Empfang genommen. Es war ein 71jähriger Mann, der ausgesagt haben soll, er hätte gedacht, mit dem Seitenspiegel einen entgegen kommenden PKW gestreift zu haben. Für ihn offensichtlich kein Grund anzuhalten. Wenn das nicht auf zumindest eine beginnende Demenz hindeutet, dann weiß ich auch nicht.
Vielleicht sollte man doch nicht bis zur Katastrophe warten, ehe man einen dementen Angehörigen auch mit drastischen Mitteln am Fahren hindert.
Meine Freundin ist noch mal davon gekommen. Sie hatte wirklich ein paar aufmerksame Schutzengel.