[size=32]In der Verwirrtheit Sinn entdecken [/size]
Beschämung und Betroffenheit nicht als „Schikane“ oder „Lüge“ fehlinterpretieren
Denken Sie daran, dass der Kranke Sie nie vorsätzlich schikanieren will. Auch lügt er nicht, wenn er Fehlleistungen verleugnet; auf diese Weise versucht er nur, seine Beschämung und Betroffenheit zu bewältigen.
Kindliches Verhalten als Wunsch nach Sicherheit und Geborgenheit
Versuchen Sie den Sinn auch noch so bruchstückhafter Äußerungen von Demenz-Kranken zu entziffern. Selbst hinter Schreien und ständigem Wiederholen gleicher Worte kann sich ein "Sinn" verbergen: Vielleicht will der Kranke verhindern, dass Stille eintritt, vielleicht sucht er Kontakt oder sollen seine Redefetzen eine für ihn bedrohliche Leere füllen. Wenn sich der Kranke zunehmend "kindlicher" verhält, so kann dies den Wunsch nach mehr Sicherheit und Geborgenheit ausdrücken (sich wieder so zu fühlen wie in früheren Lebensphasen). Vielleicht hofft der Kranke, durch seinen "Rückzug in die Vergangenheit" wieder an früheren Fähigkeiten und Fertigkeiten anknüpfen und so gekräftigt in die Welt der Gegenwart zurückkehren zu können.
Verwirrtheit als “Suche nach Halt” verstehen
Viele Verhaltensweisen dementer Menschen werden verständlicher, wenn man sie als “Suche nach Halt” bzw. als Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit versteht. Aus dieser Perspektive kann es zum Beispiel sinnvoll erscheinen, räumliche Nähe und Körperkontakt zum Patienten herzustellen. Wachsende Unruhe des Kranken lässt sich als Ausdruck seiner Einsamkeitsgefühle und als Kontaktwunsch interpretieren. Auch der Ruf der alten Menschen nach ihren Eltern wird verständlich, weil zu diesen Personen meist eine besonders enge Halt und Sicherheit gebende Bindung bestand. Umgekehrt überrascht es nicht, dass sich manche Demenz-Kranke wieder an den Tod der eigenen Eltern erinnern und deshalb die Suche nach ihnen einstellen, sobald sie die Nähe zu einem Betreuer spüren (sich “versorgt”, “beruhigt”, “getröstet”, “gewärmt” fühlen). Selbst das stundenlange Festhalten und Rumschleppen von Handtaschen, zerknüllten Taschentüchern und anderen Gegenständen macht als Form der “Haltsuche” Sinn. Wer im Weglaufen (“Ich will nach Hause”) die Botschaft “Ich fühle mich hier nicht zu Hause” entschlüsselt, kann neue Wege entwickeln, ein solches Verhalten möglicherweise verzichtbar zu machen.
Verleugnung von Verlusten erhält seelisches Gleichgewicht
Fragen Sie sich, ob sich hinter "verwirrtem Verhalten" vor allem der Versuch verbirgt, einen Verlust auszugleichen (und alte Menschen müssen viele Verluste verkraften!). Manchmal verleugnen die Kranken regelrecht einen Verlust, indem sie etwa erwarten, dass ein Verstorbener (z.B. Vater oder Ehemann) zu Besuch bekommt und sie deshalb für diesen den Tisch decken. Das Verleugnen der Wirklichkeit hilft ihnen dann, seelisch im Gleichgewicht zu bleiben, Kränkungen abzuwehren und das eigene Selbstwertgefühl zu erhalten.
Bei Verleugnung nicht verstummen
"Verleugnen" geht typischerweise mit einem "Verstummen" einher. Es ist deshalb wichtig, mit dem Kranken ins Gespräch zu kommen, dabei seine verborgenen Wünsche anzusprechen ("Es wäre schön, wenn Vater hier wäre") und Nähe und Sicherheit in einer neuen Beziehung anzubieten (anstelle der verlorenen alten).
Realitätsbezug von „Halluzinationen“ und „Unruhe“
"Halluzinationen" und "Unruhe" Demenz-Kranker sind manchmal einfühlbar: Wenn ein Demenz-Patient im Pflegeheim von schwerkranken bettlägerigen Mitpatienten umgeben ist und anschließend "überall Leichen sieht", so erscheint dies schon gar nicht mehr so verrückt. Auch kann man die Verfolgungsangst eines Demenz-Kranken nachvollziehen, die entsteht, wenn er (zu Recht!) merkt, dass seine ganze Umwelt mehr über ihn weiß als er selbst.
Wahnideen als Reaktion auf Verlust interpretieren
Betrachten Sie Wahnideen des Kranken als Kompensation eines Verlustes. Wer Stimmen hört, muss sich nicht eingestehen, dass er sich allein und verlassen fühlt. Statt den Wahn rigoros zu bekämpfen (etwa medikamentös), kann es sinnvoller sein, die auslösenden Bedürfnisse zu befriedigen (z.B. bei Einsamkeit Kontakt herzustellen). Wahnideen können auch ein beeinträchtigtes Selbstwertgefühl stützen oder das Vermeiden von Konflikten ermöglichen. Wer nicht mehr über sein Vermögen verfügt und sich machtlos fühlt, kann sich z.B. mit der Vorstellung trösten, er sei beraubt worden. Sprechen Sie unbedingt mit allen anderen Betreuer ab, wie sie gegebenenfalls einheitlich auf Wahnideen des Demenz-Kranken reagieren wollen.
Hinter Wahn den Kontaktwunsch und nicht einen Angriff vermuten
Lassen Sie sich von Wahnvorstellungen auch dann nicht kränken, wenn diese gegen Sie selbst gerichtet sind ("Du hast meine Brieftasche gestohlen"). Hinter einem Wahn verbirgt sich oft ein Kontaktwunsch und das Bemühen, eigenes Versagen zu verleugnen. So kann es den Kranken zu sehr kränken, wenn er sich eingestehen muss, dass er nicht mehr weiß, wo er einen Gegenstand verlegt hat. Für ihn ist die Idee angenehmer, bestohlen worden zu sein.
„Nervende“ Kontaktwünsche nicht als „aggressives Verhalten“ missverstehen
Interpretieren Sie Hinterherlaufen und ständiges Wiederholen der gleichen Frage durch einen Demenz-Kranken nicht vorschnell als "aggressives" Verhalten. Möglicherweise ist es nur ein sehr unbeholfener Versuch, zu Ihnen Kontakt aufzunehmen, bzw. der "Versuch eines kranken Hirns, sich durch Kontakte mit gesunden Hirnen zu stabilisieren".
Durch „Gespräche“ aufwerten
Durch regelmäßige Gespräche vermitteln Sie dem Demenz-Kranken das Gefühl, "irgendwie bedeutsam zu sein" und erhöhen so sein Selbstwertempfinden. Zugleich werten Sie ihn in den Augen anderer auf. "Gespräche" sind selbst mit sprachlich stark gestörten Demenz-Kranken möglich. Allerdings lassen sich die Betroffenen dann eher "unterhalten". Sprachlich weniger stark beeinträchtigte Demenz-Kranke können durchaus in der Lage sein, Konfliktsituationen zu verstehen, von eigenen Werten und Idealen zu berichten und damit Stellung zu beziehen.
Den Kranken wie ein Kind lieben, ihn aber nicht als solches behandeln
Lassen Sie sich nicht von der Vorstellung abschrecken, dass sich der Demenz-Kranke wie ein Kind verhält. Kindern bringt man ja schließlich auch Verständnis und Liebe entgegen. Allerdings gibt es wesentliche Unterschiede: Der Demenz-Kranke lässt sich nicht mehr wie ein Kind erziehen und seine Würde verbietet es, ihn (herablassend) wie ein Kind zu behandeln. Lassen Sie sich nicht unbedingt auf die "Mutterrolle" ein; wenn es sein muss, dann sollten sie diese mit anderen teilen. Ansonsten werden Sie auf Dauer unersetzlich.
Gewissens- und andere Steuerungsfunktionen für den Kranken übernehmen
Es gibt seelische Funktionen, die der Demenz-Kranke immer weniger bewältigt (z.B. sich bei Aufregung unter Kontrolle zu haben, sich anzustrengen). Scheuen Sie sich nicht, diese Aufgaben stellvertretend für ihn zu übernehmen. Bleiben Sie unbeirrt, wenn der Kranke nicht aus Einsicht, sondern Ihnen zuliebe handelt.
In der Phantasiewelt verborgene Wünsche erkennen
Holen Sie verwirrte Demenz-Kranke nicht mit Macht aus ihrer Phantasiewelt. Verzichten Sie auch darauf, Illusionen zu korrigieren oder zu bestätigen. Sie helfen dem Betreffenden am meisten, wenn Sie herausfinden, welche Gefühle und verborgenen Wünsche seinen Vorstellungen zugrunde liegen. Wenn Sie diese einfühlsam ausdrücken, wird sich der Patient am ehesten verstanden fühlen (Beispielsinterpretation für einen Kranken mit Diebstahlswahn: "Du hast so vieles verloren").
Motorische Unruhe als Darstellung eines inneren Konfliktes
Halten Sie sich bei motorisch unruhigen Demenz-Kranken vor Augen, dass der Betreffende möglicherweise einen inneren Konflikt bzw. Gefühlsspannungen (Angst, Wut) motorisch auslebt. Indem Sie dem Kranken verständnisvoll zuhören und sein Verhalten moralisch akzeptieren, erleichtern Sie es ihm, seine Probleme weniger
mit lieben Grüßen
Wenn jemand sagt: Das geht nicht! Denke daran: Das sind seine Grenzen, nicht deine.“ (Unbekannt)