|
| Autor | Nachricht |
---|
Cookie12 Gast
| Thema: Was soll ich nur machen? Mi 28 Nov 2012, 11:07 © Cookie12 | |
| Hallo Ich war noch nie in so einem Forum, aber vielleicht hilft es ja doch, sich mal mit anderen auszutauschen. Meine Mutter (70) hat seit vier Jahren Demenz und wurde bis vor einiger Zeit von meinem Vater (71) zuhause gepflegt. Mein Bruder und ich haben geholfen wann immer wir konnten, aber da wir beide Schicht arbeiten ist es nicht so einfach alles unter einen Hut zu bekommen. Meine Mutter hatte im September eine Knie-OP, sie bekam ein künstliches Kniegelenk. Die OP ist auch gut verlaufen, sie mußte wieder neu laufen lernen. Da mein Vater das nicht alleine hinbekommen hat, haben wir sie erstmal in eine Verhinderungspflege geben müssen. Diese geht nur bis 28 Tage und dann wurde sie in dem Heim zur vollstationären Pflege übernommen. Dort bekommt sie Krankengymnastik, die auch gut anschlägt. Mit der Krankengymnastin und auch mit den Pflegern dort im Heim kann sie schon ein paar Schritte am Rollator laufen. Und auch das Aufstehen aus dem Bett oder dem Rollstuhl klappt mit den Pflegern sehr gut. Wenn wir mit ihr üben geht es mal besser und mal schlechter. Nun kam mein Vater auf die Idee, sie wieder nach Hause zu holen. Das ist auch geschehen und sie hat sich auch gefreut wie ein kleines Kind. Er hat auch extra einen Toilettenstuhl besorgt, um es ihr am Anfang leichter zu machen, bis sie wieder alleine zur Toilette gehen kann. Aber es klappte nicht. Wir haben sie nur mit sehr viel Mühe aus dem Rollstuhl bekommen, weil sie sich mit einem Malle völlig steif macht und uns erklärt sie könne es nicht. Wir wissen aber genau das sie es kann. Das Ende vom Lied war, dass wir sie nach nur zwei Tagen wieder ins Heim bringen mußten. Sie leidet dort sehr und auch mein Vater leidet sehr darunter. Ich bin seit September jeden Tag bei ihr gewesen, aber ich schaff es einfach nicht mehr. Ich weiß auch nicht, wie ich meinem Vater helfen kann, ich habe Angst dass er sich völlig verrückt macht und uns dann auch noch zusammenbricht. Den Gemütszustand von meiner Mutter brauch ich, glaube ich, nicht zu schildern, es geht über Wut, Traurigkeit, Resignation und alles was es sonst noch gibt. Aber am schlimmsten sind die Vorwürfe. Wir würden sie abschieben und sie möchte nicht mehr leben und wir würden ihr ja nicht helfen.
Unser Leben besteht momentan eigentlich nur aus Tränen.
Marianne |
| | | jellyamber Ist hier Zuhause
Situation bezieht sich auf :
Anzahl der Beiträge : 4407
Alter : 56
Ort : München
Anmeldedatum : 30.10.09
| Thema: Re: Was soll ich nur machen? Mi 28 Nov 2012, 11:25 © jellyamber | |
| Hallo Marianne,
hier bist du richtig gelandet mit deinem Anliegen. Vielen von uns geht es ähnlich wie dir. Lies dich mal ein, wenn du dich anmeldest, findest du noch mehr Informationen.
Zu deiner Mutter: Dass mit dem hinsetzen und pieseln ist nicht so leicht. Die Demenz verändert vieles, eben nicht nur das Gedächtnis, sondern auch gelernte Bewegungsabläufe. Das hat nichts mit dem Charakter zu tun oder Trotz, sondern ist der Teil der Erkrankung. Irgendwann mal klappt das mit dem Hinsetzen nicht mehr, nicht nur auf dem Klo. Irgendwann mal werden unsere Angehörigen dann inkontinent, weil die Schließmuskeln nicht mehr funktionieren. Das hat alles nichts mit "Können" oder "Nichtkönnen" zu tun.
Beispiel: Meine Mutter muss ganz dringend auf die Toilette, ich bringe sie hin, helfe ihr, die Hose herunterziehen, weil sie nicht mehr weiß, wie das geht mit den Knöpfen, was man da überhaupt machen muss. Irgendwann kam dann der Tag, da wusste sie auch nicht mehr, wie das mit dem Hinsetzen geht. Sie hat sich ganz versteift, ich konnte ihr das nicht mehr begreiflich machen, Knie einknicken, langsam herunter gehen... es ging einfach nicht mehr. Da hilft auch kein gutes Zureden mehr, da helfen nur noch Profis.
Bei uns war das u.a. mit ausschlaggebend, dass meine Ma ins Heim gegangen ist. Ich kam einfach nicht mehr nach mit der Wäsche, Körperpflege und überhaupt. Im Heim sind 2 Pfleger da, die ihr geholfen haben beim Toilettengang. Vor allem das Hochholen geht nur noch zu zweit, weil der ganze Muskeltonus durch die Demenz verloren geht und die Betroffenen so schwer und unbeweglich werden.
Versuch dich hier ein bisschen einzulesen, es hilft sehr, mehr über die Folgen der Erkrankung zu wissen und Entscheidungen nachzuvollziehen. Dann kannst du vielleicht auch deinen Vater alles verständlicher machen. Die Entscheidung, jemanden ins Heim zu geben, ist wahrlich nicht leicht. Vielleicht hilft es dir von uns zu lesen, wie wir alle damit umgehen.
LG Jelly
"Und was die Jugend dalässt, ist ein Spiegel. Da guckt man rein und sieht: Man hat keine Eierschale mehr auf dem Kopf. Man hat jetzt eine Frisur."Martina Holzapfl |
| | | Paula Ist hier Zuhause
Situation bezieht sich auf :
Anzahl der Beiträge : 1272
Alter : 63
Anmeldedatum : 10.09.12
| Thema: Re: Was soll ich nur machen? Mi 28 Nov 2012, 12:31 © Paula | |
| Hallo Marianne,
herzlich willkommen hier im Forum. Wie Jelly schon beschrieben hat, verändert die Demenz viele, alltäglich Abläufe. Besonders auch die OP, daß nicht mehr richtig gehen können, ist auch für nicht Demente eine große Belastung, und für Demente noch mehr. Wenn deine Mutter zur Zeit stationär versorgt wird, hat sie sicherlich bereits eine Pflegestufe. Ihr könntet dann zwar einen amb. Dienst beauftragen, aber die restliche Zeit, muß dann dein Vater sich kümmern. Wie sind die beiden denn vor der OP zurecht gekommen? Sicherlich ist es für dich und deinen Vater schwer, zu akzeptieren, daß sie im Moment, im Heim, besser aufgehoben ist. Das Personal kümmert sich darum, daß sie weiterhin Krankengymnastik bekommt, und die richtige Pflege.
Suche das Gespräch mit dem behandelnden Arzt und dem Pflegepersonal, und nimm deinen Vater unbedingt mit. Vielleicht kann er es dann besser verstehen.
Liebe Grüße
Paula |
| | | Cookie12 Gast
| Thema: Was soll ich nur machen? Mi 28 Nov 2012, 21:43 © Cookie12 | |
| Hallo Erst mal danke für eure Antworten. Ja, meine Mutter hat Pflegestufe 2. Mit einem amb. Pflegedienst wird es nicht gehen, weil das Problem die Toilette ist. Vor der OP konnte sie ja noch alleine aufs Klo gehen. Da sind meine Eltern auch gut klargekommen. Natürlich war es auch da schon eine große Belastung für meinen Vater gewesen. Es gab auch manchmal Anrufe von ihm, wenn er dann mal wieder völlig fertig war, aber dann konnte mein Bruder oder ich hinfahren und ihm wenigstens für ein paar Stunden Zeit für sich geben. Ich muß auch dazu sagen, das meine Eltern in ihrer Ehe (immerhin 50 Jahre) nie getrennt waren und immer wie die Kletten aneinander gehangen haben. Deshalb ist es ja jetzt auch für beide so schwer. Mein Vater kommt sich vor, als wenn er meine Mutter abgeschoben hat. Das ist natürlich Blödsinn, aber dieses Gefühl kann ich ihm nicht nehmen. Er ist auch nicht mehr der Gesündeste aber er will dass sie wieder nach Hause kommt. Es bricht mir immer fast das Herz wenn ich sehe, wie er wieder Hoffnung schöpft wenn sie mal einen guten Tag hat. Und am nächsten Tag ist dann alles wieder weg. Er denkt, mit der Demenz kann er umgehen und das es nur am Laufen liegt, aber ich denke mittlerweile dass es für alle besser wäre wenn sie im Heim bliebe. Ich schäme mich für diesen Gedanken, aber es wäre für meinen Vater auch am besten. Nur wie soll ich ihm das klarmachen? Das Pflegepersonal und auch ihr Arzt sagen dass es für sie momentan das Beste ist, aber mein Vater will es einfach nicht glauben. Ich weiß manchmal einfach nicht mehr weiter Marianne |
| | | soda1964 Ist hier Zuhause
Situation bezieht sich auf :
Anzahl der Beiträge : 5261
Alter : 60
Ort : Biberist, Schweiz
Anmeldedatum : 02.05.11
| Thema: Re: Was soll ich nur machen? Mi 28 Nov 2012, 22:21 © soda1964 | |
| Liebe Marianne,
das ist wirklich eine schwierige Situation, in der ihr alle steckt. Ganz besonders deine Eltern, die, wie du schreibst, einander eng verbunden sind und an einander hängen. Da kann man nicht einfach vernünftig entscheiden. So hart es ist: manchmal hilft nur die Erfahrung, dass es einfach nicht mehr geht...
Es gibt ja die Möglichkeit von Windelhosen, Pants, wenn das mit der Toilette nicht mehr klappt. Vielleicht brauchen deine Eltern einfach noch mal ein paar gemeinsame Tage zu Hause, mit Pflegedienst und allem drum und dran, bis sie, vor allem dein Vater, wirklich verstehen und akzeptieren können, dass das so nicht mehr machbar ist.
Lies hier im Forum. Da gibt es viele, viele verschiedene Erfahrungsberichte, Tipps und hilfreiche Informationen rund um Demenz, Pflege zu Hause etc. Vielleicht ist etwas dabei, das euch weiter helfen kann.
Liebe Grüsse Therese
ThereseMan muss mit Allem rechnen - auch mit dem Guten.
Die wahre Lebenskunst besteht darin, im alltäglichen das Wunderbare zu sehen. Pearl s. Buck
|
| | | jellyamber Ist hier Zuhause
Situation bezieht sich auf :
Anzahl der Beiträge : 4407
Alter : 56
Ort : München
Anmeldedatum : 30.10.09
| Thema: Re: Was soll ich nur machen? Do 29 Nov 2012, 08:55 © jellyamber | |
| Liebe Marianne, du steckst exakt in der gleichen Situation wie meine Eltern damals. Auch ich musste sie nach 50 Jahren Ehe trennen, weil wir trotz vieler guter Hilfe meine Mutter zuhause nicht mehr betreuen konnten. Denn die Inkontinenz wurde quasi "stündlich", das Umziehen war sehr sehr schwierig, das Verständnis für die Demenz im Rahmen von Vergessen - ja, vorhanden, aber dass die Demenz auch körperliche Auswirkungen hat, das konnte mein Vater nicht verstehen. Natürlich müssen unsere Väter so denken, dass ein guter Tag die Hoffnung auf Besserung nährt. Jeder Strohhalm vom alten Leben zählt. Mein Vater hat noch sehr sehr lange gedacht, dass meine Ma nur vorübergehend im Heim ist, obwohl ich sehr klar und deutlich mit ihm gesprochen habe und er auch von den Pflegern und Ärzten jede Menge liebevoller klare Ansagen bekommen hat. Unsere Väter müssen so denken. Denn so schwer es schon für uns ist, so schwieriger ist es für sie - wie ein Verrat am Lebenspartner, dem man bis zum Schluss die Treue geschworen hat. Allerdings ging die Treue meines Vaters nicht so weit, dass er mit meiner Ma mitgegangen wäre, die Möglichkeit gab es ja auch. Da war ihm das Haus und sein Garten wichtiger. Diese Haltung hat es mir dann aber auch leichter gemacht, die Entscheidung beizubehalten. Das Schwierige an der Demenz für uns Angehörige ist zu akzeptieren, dass es keine Besserung oder Heilung gibt. Denn die Inkontinenz ist vergleichsweise "leicht" zu "händeln" gegenüber das, was noch an Schwierigkeiten mit der Nahrungsaufnahme kommt. Aber auch das ist schwierig, dem Vater plausibel zu machen, denn er sieht wahrscheinlich so wie mein Vater nur das eine: Ist sie zuhause, ist wieder alles gut. - Cookie12 schrieb:
- Das Pflegepersonal und auch ihr Arzt sagen dass es für sie momentan das Beste ist, aber mein Vater will es einfach nicht glauben. Ich weiß manchmal einfach nicht mehr weiter
Liebe Marianne, gib den Gedanken auf, von deinem Vater ein volles Einverständnis für die Entscheidung zu bekommen. Versuch erst mal selber für dich die Klarheit zu bekommen, dass du das richtige getan hast. Und du hast das richtige getan! Denn deine Mutter hat dort im Heim die Chance, die allerallerbeste Pflege zu bekommen. Viele liebe Menschen geben ihr über den Tag verteilt Zuwendungen, finden es nicht schlimm, wenn sie inkontinent ist. Meine Ma hat das sehr genossen, so viele Frauen um sich herum zu haben, die ihr Zuwendung und vor allem professionelle Hilfe gegeben haben, sie ebenbürtig behandelt und in ihren Wünschen respektiert haben. Dass ich trotzdem gelitten habe wie ein Hund, das bleibt, selbst jetzt nach ihrem Tod. Diese Entscheidung zur Trennung müssen manchmal wir Kinder fällen und tragen. Wir bekommen dafür weder Lob noch Akzeptanz von den Eltern. Aber dafür hier im Forum ganz viel Unterstützung. Wenn du mal im Kapitel "Gedanken gegen das schlechte Gewissen..." nachliest - du bist nicht allein und es gibt eine Menge, was du für dich und deine Lieben tun kannst, damit ihr euch an den neuen Lebensabschnitt gewöhnt. Denn je mehr ihr über den Verlauf der Demenz wisst, umso leichter wird es, damit umzugehen. LG Jelly
"Und was die Jugend dalässt, ist ein Spiegel. Da guckt man rein und sieht: Man hat keine Eierschale mehr auf dem Kopf. Man hat jetzt eine Frisur."Martina Holzapfl |
| | | Paula Ist hier Zuhause
Situation bezieht sich auf :
Anzahl der Beiträge : 1272
Alter : 63
Anmeldedatum : 10.09.12
| Thema: Re: Was soll ich nur machen? Do 29 Nov 2012, 09:12 © Paula | |
| Hallo Marianne,
es gibt nicht mehr viele Menschen, die so lange, so eng verbunden sind. Bei meinen Eltern ist es auch so. Seit über 50 Jahre verheiratet, und durch ihre Krankheiten, und KH Aufenthalten, eigentlich noch enger zusammengeschweißt. Wie die anderen schon gesagt haben, müsst ihr in erster Linie abwägen, ob dein Vater es zu Hause mit amb. Dienst, und wie lange schaffen kann, sich 24 Std. um sie zu kümmern. Ihr habt ja auch die Möglichkeit der Tagespflege, der stundenweisen Betreuung. Erkundige dich bei eurer Stadt (Pflegestützpunkt, Pflegeberatung).
Liebe Grüße
Paula |
| | | Cookie12 Neu im Forum
Situation bezieht sich auf :
Anzahl der Beiträge : 3
Alter : 61
Ort : Berlin
Anmeldedatum : 28.11.12
| Thema: Was soll ich nur machen? Do 29 Nov 2012, 10:15 © Cookie12 | |
| Erst mal danke für eure Anteilnahme. Bisher haben mich aussen stehende Personen für nicht ganz normal gehalten. Sätze wie "hab dich nicht so" oder "sie soll Platz machen für die nächste Generation" haben mich schon sehr verletzt. Deshalb bin ich dazu übergegangen gar nichts mehr zu sagen. Da tut es ganz gut, mal zu hören, dass es anderen genauso geht wie mir und das ich mit den Problemen nicht alleine dastehe. Ich hoffe nur, dass sie irgendwann in ihrer, für mich nicht sichtbaren Welt, glücklich ist. Denn noch ist sie sehr verzweifelt und versteht dass alles nicht. Es ist ihr auch nicht bewusst das sie im Heim ist, sie denkt jeden Tag wir nehmen sie mit nach Hause. Das ist eigentlich das Schlimmste, sie immer wieder weinen zu sehen und sie doch so enttäuschen zu müssen.
Marianne |
| | | dirtsa66 Ist hier Zuhause
Situation bezieht sich auf :
Anzahl der Beiträge : 15093
Alter : 58
Ort : Graz, Österreich
Anmeldedatum : 24.02.12
| Thema: Re: Was soll ich nur machen? Do 29 Nov 2012, 10:54 © dirtsa66 | |
| Liebe Marianne,
hier sagt sicher keiner "Hab dich nicht so". Wir alle wissen wie schwierig es ist - vor allem auch wie schwierig es ist solche Entscheidungen zu treffen und wie weh es tut. Meine Mama ist nun seit knapp drei Wochen im Heim. ich hab es einfach nicht mehr geschafft mit ihr allein zu Hause. Mir bricht es fast das Herz sie jeden Tag dort lassen zu müssen, aber irgendwann geht es einfach nicht mehr.
Vor allem, wie Jelly auch schreibt, hat die Demenz ja auch körperliche Auswirkungen. Meine Mama zum Beispiel wurde immer steifer, sie kann sich nicht mehr alleine umdrehen im Bett, muss gelagert werden (damit kein Dekubitus entsteht). Es ist ganz schwer beim Aufstehen und niedersetzen, die Arme heben (beim Anziehen zum Beispiel), das gehen selbst geht auch kaum mehr. Da muss man sich irgendwann eingestehen, dass man zu Hause nicht mehr die Hilfe und Betreuung leisten kann, die nötig ist.
Vielleicht magst du dich ja anmelden, dann hast du Zugang zu mehr Bereichen und wirst sehen dass wir alle mit gleichen oder ähnlichen Problemen zu kämpfen haben.
Alles Liebe
Astrid
Anteilnehmende Freundschaft macht das Glück strahlender und erleichtert das Unglück - Marcus Tullius Cicero |
| | | |
Ähnliche Themen | |
|
| |