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Gabika Ist hier Zuhause
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| Thema: Demenz als langsamer Tod So 08 Jul 2012, 10:38 © Gabika | |
| Hi, ich lese gerade zum 3. Mal ein Buch von M. Renz, einer Sterbebegleiterin. Das Thema Tod lässt mir keine Ruhe. Ich will verstehen oder zumindest erahnen, was ich nicht begreifen kann. Frau Renz schreibt, dass das Sterben selbst in 3 Phasen gegliedert ist. Das Davor, das Hindurch und das Danach. Alle 3 Phasen noch vor dem klinischen Tod. In der ersten Phase meint sie, würde sich die Wahrnehmung verändern: Zeit und Raum würde teils krass verzerrt wahrgenommen. Ist es nicht bei Demenzkranken auch so, dass die Fähigkeit, Raum und Zeit wahrzunehmen schwindet? Auch das Ich würde sich auflösen, die eigenen Bedürfnisse immer mehr zurücktreten. Da fällt mir ein, dass Demenzkranke ihre Interessen verlieren. Danach kommt die Phase der Urangst, Kampf, usw. Es haben auch die Dementen oft eine Phase der Aggression und des Kampfes. Vielleicht ist der Vergleich zu weit hergeholt - ich habe derzeit den Eindruck, dass es Parallelen gibt. Beim "normalen" Sterben passiert alles innerhalb weniger Stunden oder Tage, bei Demenzkranken stirbt das Gehirn über Jahre hinweg. Ich kämpfe mit diesrer Überlegung. Wenn der Tod nur das "Kaputtwerden" des Gehirn ist, wo ist dann Platz für die Nicht-materiellen Beobachtungen und Empfindungen, die ich im Zusammenhang mit dem Tod lieber Angehöriger hatte? Alles nur Spinnerei? Diese Woche hatte ich einen Traum: eine Alltagsszene mit meiner Mutter, die schon vor fast 14 Jahren verstorben ist. Im Traum wurde mir plötzlich klar, dass ich träume, weil Ma ja schon tot ist. Ich hielt meine Ma an den Armen und sagte: das ist ein Traum, Du bist schon tot. Sag mir bitte, was ist der Tod? Sie sagte, sie könne mir das nicht erklären. Ich meinte: ist alles aus? Sie antwortete nicht richtig, es klang wie "eher ja". Auf meine Bitte: "versuch doch bitte wenigstens es mir zu erklären", meinte sie "je näher Du kommst umso klarer wird es". Seither denke ich immer: vielleicht ist die Wirklichkeit der Demenzkranken gar nicht viel mehr falsch, als die unsrige. Vielleicht sehen sie Teile der Realität klarer als wir. Das sind völlig unlogische Empfindungen. Ich bin normalerweise imm streng logisch. Bin ich am Überschnappen? lg, Gabika |
| | | Marie Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Demenz als langsamer Tod So 08 Jul 2012, 11:02 © Marie | |
| Hallo Gabika,
natürlich bist Du nicht am überschnappen. Du machst Dir einfach Gedanken, verarbeitest Gelesenes und Deine eigenen Erfahrungen und kommst natürlich noch zu keinem endgültigen Ergebnis. Sonst brauchtest Du ja nicht weiter nachdenken.
Nur mal zum Unterschied: Ich denke über den Tod im Allgemeinen und im Besonderen nicht mehr nach, lese auch keine Bücher dazu (nur früher mal die von Elisabeth Kübler-Ross oder von Reinhold Messner über Nahtoderfahrungen von Bergsteigern), schon gar nicht mehrfach. Ich verdränge einfach solche Gedanken. Bin zwar jemand, der gern vorausplant - aber nur die angenehmen Dinge (z.B. meinen nächsten Urlaub im November). Unangenehmes wird weggeschoben bis es aktuell wird. Geht mir ganz gut damit, heißt aber nicht, daß es für Dich oder andere eine Alternative wäre.
Deine Überlegungen zum Vergleich der Sterbephasen mit der Demenz und ihrem Verlauf erscheinen mir logisch - aber ich mag nicht drüber nachdenken, weil ich keine Schlußfolgerung daraus ziehen kann.
Laß Dir das Wochenende nicht vermiesen. |
| | | Biggi Moderator
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| Thema: Re: Demenz als langsamer Tod So 08 Jul 2012, 13:24 © Biggi | |
| Liebe Gabika, ich verstehe deine Gedankengänge, und du bist sicherlich nicht übergeschnappt, weil du dich mit diesem Thema auseinandersetzt. Muss aber sagen, dass ich es wie Marie handhabe, und Unangenehmes erst annehme, wenn es aktuell ist. Kommt bei mir vielleicht daher, dass ich beide Elternteile auf tragische Weise verloren habe. Dies war von sehr viel Schmerzen, Krankheit, Hoffen und Entäuschung geprägt. Diese Zeiten haben mich sehr runtergezogen, so dass ich das Thema für mich heute verdränge und einfach mit positiven Gedanken leben möchte. Aber der Traum von deiner Mutter hat mich schon sehr beeindruckt. Das macht deutlich, dass dich das Thema doch sehr beschäftigt. Ich wünsche dir, dass du eine für dich passende Erklärung finden wirst. Liebe Grüsse Biggi
--- Besondere Menschen erkennst du daran, dass sie dich berühren ohne ihre Hände zu benutzen --- |
| | | Gabika Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Demenz als langsamer Tod Mi 11 Jul 2012, 07:53 © Gabika | |
| liebe Marie, liebe Biggi,
danke für Eure Antworten.
Ihr habt beide recht: man soll die schönen Dinge planen und nicht über etwas nachdenken, wo man zu gar keinem Ergebnis kommen kann.
Mal sehen, wie weit es her ist, mit meiner Selbstdisziplin und Verdrängung.
glg,
Gabika |
| | | jellyamber Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Demenz als langsamer Tod Mi 11 Jul 2012, 09:38 © jellyamber | |
| - Gabika schrieb:
- Wenn der Tod nur das "Kaputtwerden" des Gehirn ist, wo ist dann Platz für die Nicht-materiellen Beobachtungen und Empfindungen, die ich im Zusammenhang mit dem Tod lieber Angehöriger hatte? Alles nur Spinnerei?
GdS, liebe Gabika, speichern wir Empfindungen und Erinnerungen nicht nur an einer Stelle im Hirn. Ich finde deine Vergleiche sehr gut - sie sind fast deckungsgleich mit dem Erleben meiner Ma. Seit meine Ma immer "weniger" wird in ihrer Persönlichkeit, ihren Fähigkeiten und ihrem Körper, habe ich ähnliche Überlegungen wie du und bin wütend über dieses langsame, "qualvolle" Sterben. Ich wünschte ihr mittlerweile einen schnellen Herzinfakt, zack, bumm, aus. Komisch, denn früher habe ich anders gedacht und in ihrer Alzheimererkrankung eine Chance gesehen, im Bewusstsein langsam Abschied von ihr nehmen zu können. Doch meine Ausdauer des Abschiedsnehmen hat krass abgenommen, meine Kraft dafür ebenso. Der Abschied ist kein Abschied mehr, sondern nur noch ein Warten auf's aus. Wir sind es nicht gewohnt, so lange einem Sterben beizuwohnen. Gestern sagte mir mein bester Freund, sei froh, dass deine Ma wenigstens keine Schmerzen hat, kein Krebs, der sie auffrisst. Damit hat er recht. Darüber bin ich auch froh. Aber es hilft nur wenig beim Anblick meiner Ma, die irgendwie zwischen dem Hier und dem Demnächst hängt wie eine Schallplatte mit kaputter Nadel. Ich träume so wie du oft von meiner Ma oder auch anderen verstorbenen Familienmitgliedern oder Freunden. Ich freue mich über jede "Nachricht" von ihnen, die mir hilft, meine Gegenwart zu verstehen. Ich wünschte, meine Ma könnte mir mehr über ihren jetziges Erleben und Empfinden sagen. Ich finde dich total überhaupt gar nicht übergeschnappt Liebe Grüße Jelly
"Und was die Jugend dalässt, ist ein Spiegel. Da guckt man rein und sieht: Man hat keine Eierschale mehr auf dem Kopf. Man hat jetzt eine Frisur."Martina Holzapfl |
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