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Michie Neu im Forum
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| Thema: Wie geht ihr damit um? Sa 16 Apr 2011, 01:39 © Michie | |
| Hallo Ihr Lieben,
ich bin froh, dieses Forum gefunden zu haben, da es für mich manchmal einige emotionale Klemmen gibt aufgrund von Fragen, bei denen ich nicht so recht weiterweiß.
Zur Vorgeschichte: Mein Vater lebt seit knapp 4 Monaten im Pflegeheim. Vorher war er fast zwei Monate lang in Krankenhäusern. Der soziale Dienst dort hatte uns darauf aufmerksam gemacht, dass unser Vater sich nicht mehr selbst versorgen könnte. Deshalb haben wir ihn im Pflegeheim untergebracht. Leider haben wir noch keine Diagnose, ob er Demenz hat. Diagnostiziert wurde eine hapatische Encephalopathie und die Vergesslichkeit und die Verwirrung wurde darauf geschoben. Meiner Meinung nach ist mein Vater jedoch demenzkrank. Er weiß nicht mehr genau, wie alt er ist, welches Jahr wir haben, wo er sich gerade befindet. Er denkt immer noch, er sei im Krankenhaus, obwohl ich ihm immer wieder gesagt habe, dass er im Pflegeheim ist. Er weiß auch nicht, dass er schon Rentner ist und denkt immer noch, dass er wieder zur Arbeit muss. Das ist auch nicht so, dass man ihm einmal sagt, wie es ist und dann weiß er es das nächste Mal noch. Beim nächsten Besuch fängt alles wieder von vorne an.
Er denkt, wenn er aus dem "Krankenhaus" entlassen wird, kann er wieder ganz normal leben wie früher. Und hier fängt mein Problem an. Wie geht man mit der Wahrheit um? Macht es überhaupt noch Sinn, die ganze Wahrheit zu erzählen? Seine Wohnung ist bereits aufgelöst, da er natürlich nicht dauerhaft die Wohnung und den Heimplatz finanzieren könnte. Wir haben ihm vor Monaten erzählt, dass wir seine Wohnung gekündigt haben und ihm auch erklärt, warum. Das hat er verstanden. Danach haben wir so nicht mehr darüber gesprochen. Er fragt nur immer, wann er denn wieder nach Hause kann und ich erkläre ihm dann immer, warum das nicht geht, nämlich weil er sich nicht selbst versorgen könnte. Das versteht er auch immer, ist aber sehr traurig darüber.
Leider hat ihm heute irgend jemand, vermutlich ein Verwandter am Telefon, erzählt, dass wir seine Wohnung aufgelöst haben. Die diensthabende Schwester rief mich an, weil mein Vater ganz außer sich war und sie nicht wusste, wie sie ihn beruhigen sollte. Sie meinte, wenn er meine Stimme hört, würde er sich wieder beruhigen. Mein Vater war wirklich ganz außer sich und hat mich sehr beschimpft. Ich war sehr erschrocken und wusste erst mal gar nicht, wie ich damit umgehen sollte, fühlte mich auch persönlich angegriffen. Nach dem Gespräch war mir schon klar, dass es mit mir persönlich nichts zu tun hat. Ich wäre auch sauer, wenn jemand meine Wohnung auflösen würde und ich denken würde, wenn ich aus dem Krankenhaus komme, kann ich in meine Wohnung zurück. Ich mache mir Sorgen darüber, dass mein Vater jetzt erst mal wieder in ein Loch fällt. Und er fing gerade langsam an, sich in dem Heim einzugewöhnen.
Und hier kommt meine Frage: wieviel Sinn macht es, meinen Vater mit der Wahrheit zu konfrontieren, mit der er nicht umgehen kann? Die Wahrheit über die aufgelöste Wohnung nützt ihm doch nichts mehr, verunsichert ihn nur sehr, weil er nun aus seiner Sicht gar nicht mehr weiß, wo er hin soll. Ich hoffe, dass er sich wieder beruhigt und nicht so reagiert, wie er früher reagiert hätte. Denn dann wird er vermutlich sehr beleidigt und böse sein und wenn ich Pech habe, nie mehr mit mir sprechen (er ist sehr sehr nachtragend). Wenn er sich beruhigt, werde ich ihm sagen, dass er wenn er entlassen wird, in eine andere Wohnung ziehen kann.
Wie seid ihr damit umgegangen? Ich mag meinen Vater nicht anlügen, denn ich habe ja nun mal auch gelernt, dass man nicht lügt. Andererseits tut ihm die Wahrheit auch nicht gut.
Ich bedanke mich bei euch im voraus!
Liebe Grüße
Michie |
| | | Susel Wohnt hier fast immer
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Sa 16 Apr 2011, 06:53 © Susel | |
| Hallo Michi.Erst einmal herzlich willkommen hier bei uns im Forum. Leider gibt es kein Rezept dafür,wie du es deinem Vater beibringen kannst. Du hattest ihm ja auch schon des Öfteren erklärt,dass er nicht mehr alleine wohnen kann.Jeder Mensch reagiert ja anders. Mein Paps ist sehr gerne ins Heim gezogen ( ist jetzt grade mal vier Wochen her) und fühlt sich auch sehr wohl dort. Ich habe ihm auch erklärt,dass es für ihn halt zu gefährlich sei,allein zu Hause zu sein,weil er stürzen könnte usw. Dem hat er auch zugestimmt.Neulich hatte er aber erwähnt,dass er auch mal wieder nach Hause müsse. Das ist das,was die Krankheit halt ausmacht.Das ständige Vergessen. Ich hoffe,du konntest deinen Vater etwas beruhigen. |
| | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Sa 16 Apr 2011, 08:06 © sylvia | |
| liebe Michie, ersteinmal kleine "Notlügen" sind erlaubt. Du mußt nicht alles erzählen, so kannst Aufregungen vermeiden. Er sollte von einem Neurologen untersucht werden. Den Verwandten solltest Du versuchen zu erklären, das sie bestimmte Dinge nicht erzählen sollen. Es wäre nur zum Schaden Deines Vaters. Der Vorteil bei einer Demenz ist das Vergessen. Laß die Zeit für Dich arbeiten. Alles Gute. LG Sylvia
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
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| | | Admin Administrator
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Sa 16 Apr 2011, 10:22 © Admin | |
| Auch von mir ein herzliches Willkommen im Forum Michi Schön das du zu uns gefunden hast Nachdem du deinem Vater nun schon mehrmals erklärt hattest, das er nicht mehr alleine Wohnen könne, seine Wohnung gekündigt sei, das er sich jetzt nicht mehr im Krankenhaus sondern im Pflegeheim befinde u.s.w und seine Reaktionen zwischen Neutral bis hin zu Wütend und Aufgelöst waren. Würde ich nun solche Gespräche nach Möglichkeiten vermeiden. Ich finde da sind deine Überlegungen schon berechtigt. Ob es sich nun um hapatische Encephalopathie, oder eine Demenz handelt, so ist es Fragwürdig wieweit es Sinn macht, etwas Vergessenes durch Aufklärung immer wieder von Neuem, als ob erst gerade jetzt geschehen zu Beleben. Da das Vergessen, auch das Bearbeiten von Informationen verhindert, bedeutet dies, alle Informationen immer wieder emotional Akut durchzustehen. Informationen nicht weiter zu geben, oder eine Ausweichsantwort anzuwenden, muss nicht Unweigerlich mit Lügen zu tun haben. Ich nenne dazu mal ein Beispiel, vielleicht kann es dir ein bisschen weiter helfen. Z.B Wenn dein Vater meint im Krankenhaus zu sein und nachher wieder nach Hause gehen zu dürfen: Da könnte die Antwort in Etwa so aussehen. "Du musst erst Gesund werden, bevor du wieder nach Hause gehen kannst." Ich sehe das nicht als gelogen an, da es ein 100% Fakt ist, das alleine die Krankheit das selbständige Wohnen verhindert. An ein Wunder glauben zu dürfen, gibt nicht nur Hoffnung und Lebensmotivation, sondern ist gleichzeitig auch ein Lebensrecht. Erst recht wenn bei einer Demenz, nur der jeweilige Augenblick und dessen Emotionen und Gefühle zählen. Manchmal sagte ich damals unserem Erik auch einfach nur: "Wir schauen mal wie es nächste Woche, oder nächsten Monat aussieht und sich deine Gesundheit entwickelt." Und dann lenkte ich so schnell möglich wieder vom Thema ab. Wenn wir Gesunden oft das Verahlten unserer lieben Dementen nur schlecht einschätzen können, manchmal dabei auch grosse Überraschungen erleben - und zwischen Hoffen und Bangen stehen - mit welchem Recht sollten wir da unsere "Wahrheit und Wissen" unseren lieben Dementen dauernd unter die Nase halten? Wärend sie diese weder Verarbeiten, noch nachhaltig annehmen und verstehen können? Es ist für mich ein grosser Unterschied, ob ich jemandem ein Märchen als Wahrheit verkaufen will, oder ob ich einfach nicht alles sage und unter die Nase halten möchte. Ich finde dein Gespühr und deine Überlegungen sehr gut und auch dein Einfühlungsvermögen gegenüber deinem Vater Liebe Willkommensgrüsse und fühle dich einfach wohl in unserer Runde Ursula
Liebe Grüsse
"Trauer ist ein Teil des Lebens, aber sie darf nicht das ganze Leben werden." |
| | | Michie Neu im Forum
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Sa 16 Apr 2011, 13:18 © Michie | |
| Hallo Ihr Lieben,
vielen Dank für eure lieben Antworten!
Ja, ich glaube schon, dass die ganze schonungslose Wahrheit nicht immer dienlich ist. Andererseits will mein Vater aber auch immer wieder aufs neue die Konfrontation. Das geht gar nicht von mir aus. Er fängt immer wieder damit an. Und ich erkläre ihm immer wieder dasselbe und in dem Moment versteht er das ja auch. Und ich mache es normalerweise nie am Telefon. Ich rede mit ihm immer persönlich darüber, weil ich dann die Situation besser einschätzen kann.
Leider konnte ich ihn nicht beruhigen. Er hat heute morgen noch einmal angerufen und war genauso aufgebracht wie gestern. Einige böse Worte sind gefallen und auch ich bin nicht so ganz ruhig geblieben. Jetzt tut es mir schon wieder leid, aber meine Nerven liegen auch einfach blank. Ich kann ihn verstehen. Er ist in keiner schönen Situation. Wir können nur versuchen, es so gut wie möglich für ihn zu gestalten. Leider gefällt es ihm im Heim nicht so gut. Er will da nicht sein. Dabei weiß ich, dass sich alle dort total um ihn bemühen. Aber wie zu Hause ist es eben nicht, und er ist nicht mehr so frei. All das braucht wahrscheinlich seine Zeit.
Viele liebe Grüße
Michie
Ich hoffe, dass wirklich die Zeit für mich arbeitet und er auch das wieder vergisst. Dann werde ich sehen, wie es weitergeht. |
| | | Biggi Moderator
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Sa 16 Apr 2011, 13:36 © Biggi | |
| Liebe Michie, herzlich Willkommen bei uns im Forum. Ich finde die Ausführungen unserer lieben Ursula sehr gut. So ähnlich haben wir es damals mit unserer Mutter auch gehandhabt. Dass du auch mal aus der Haut fährst ist ganz menschlich. Man muss erst lernen, solche Situationen zu steuern. Klar kann man verstehen, dass er wieder nach Hause möchte. Doch leider kommt für viele halt der Punkt, wo es nicht mehr verantwortbar ist. Da geht einfach die Sicherheit vor. Gib ihm die Zeit, die er braucht. Irgendwann wird er sich sicherlich eingelebt haben und vergessen, dass er in seine Wohnung möchte. Durfte er persönliche Gegenstände, wie Möbel, Bilder etc.. mitnehmen? Das gibt auch oft ein vertrauteres Gefühl. Alles Liebe und weiter viel Kraft wünscht Biggi
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| | | Michie Neu im Forum
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? So 17 Apr 2011, 00:41 © Michie | |
| Hallo Ihr Lieben,
jetzt habe ich ein bisschen mehr Zeit und habe mich auch schon wieder etwas beruhigt.
@Ursula:
ja, so mache ich es mit meinem Vater auch. Wenn er fragt, wie es weitergehen soll, habe ich ihm auch gesagt, dass wir erst mal gucken müssen, dass es ihm wieder besser geht. Als wir ihm gesagt haben, dass wir seine Wohnung kündigen, haben wir ihm gesagt, dass er in eine Erdgeschosswohnung ziehen kann, wenn es ihm wieder besser geht. Ich habe immer versucht, so mit ihm zu sprechen, dass die Einsicht auch teilweise von ihm selbst kam. Das hat eigentlich ganz gut geklappt.
Naja, jetzt ist da etwas schiefgelaufen, das kann man nicht mehr ändern. Wie gesagt, ich hoffe, dass er darüber hinwegkommt. Und die Dinge, über die er sich im Pflegeheim beklagt, wären in anderen Pflegeheimen genauso. Ich werde mich jetzt erst einmal darum bemühen, dass er auf die Warteliste für ein Einzelzimmer kommt. Dann hat er wenigstens schon einmal einen Rückzugsort ganz für sich allein. Ich glaube, das braucht er. Leider kann man viele Dinge nicht mehr so gut mit ihm klären. Einerseits beschwert er sich, dass der Mitbewohner auf seinem Zimmer schnarcht und andererseits sagt er, es wäre gut, dass er einen Mitbewohner hat.
Einerseits will er nicht dortbleiben, andererseits sieht er auch ein, dass z. B. beim betreuten Wohnen er sich selbst um sein Essen kümmern müsste und er das nicht könnte. Das macht es nicht gerade leichter. Es kommt mir halt oft so vor, dass ich für ihn eigenmächtig Entscheidungen treffen muss. Und genau da fängt mein Problem ja an. Denn erstens vergisst er, was wir besprochen haben und andererseits kann er ja sehr schnell seine Meinung wieder ändern. Ich glaube, ich muss einfach lernen, zu sehen, dass ich mein Bestes tue und das auch nicht in Frage zu stellen, egal wie heftig seine Reaktionen darauf auch sein können.
Gehört diese Widersprüchlichkeit zum Krankheitsbild? Ich kenne mich da noch nicht so gut aus.
@ Biggi,
er wohnt auf einem Doppelzimmer. Er hat noch nicht viele persönliche Sachen dort, außer einem CD-Player mit CDs und natürlich einem Teil seiner Kleidung. Leider ist das Zimmer so klein, dass da kein persönliches Möbelstück von ihm mehr hineinpasst. Und ich wollte ihm auch noch Bilder oder eine Decke für das Bett von ihm mitbringen. Aber ich habe Angst, dass ihn das ja auch wieder an seine Wohnung erinnert...
Ich danke euch noch einmal vielmals!
Viele liebe Grüße
Michaela |
| | | Marie Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? So 17 Apr 2011, 12:00 © Marie | |
| Liebe Michie, auch von mir . Das mit der Bettdecke und den Bildern finde ich eher gut. So sieht er doch, daß Ihr seinen Haushalt nicht "beseitigt" habt. Vielleicht lenkt ihn das etwas von der Wohnungsauflösung ab. So sieht er, daß seine Sachen nicht "weg" sind. Grüße von Marie |
| | | Biggi Moderator
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? So 17 Apr 2011, 12:19 © Biggi | |
| Liebe Michie, dass alles so beengt ist, ist schade. Ich hoffe, es klappt mit dem Einzelzimmer. Doch mit den Bildern würde ich versuchen. Den meisten, bei unserer Mutter damals auch, hilft es, wenn sie was vertrautes sehen.
Es ist bei dieser Krankheit leider immer bei allem ein Versuch, da ganz unterschiedlich reagiert wird.
Diese Widersprüchlichkeit gehört auch dazu. Manchmal werden Meinungen und Äusserungen wieder vergessen. Dann haben viele, gerade im Anfangsstadium, immer wieder völlig klare Momente. Das ist für uns Angehörige nicht immer leicht, aber wir müssen es halt so nehmen. Unsere Lieben können es halt nicht mehr anders...
Alles Liebe Biggi
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| | | Admin Administrator
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? So 17 Apr 2011, 13:18 © Admin | |
| Liebe Michaela - Michie schrieb:
- Gehört diese Widersprüchlichkeit zum Krankheitsbild? Ich kenne mich da noch nicht so gut aus.
Das gehört definitiv zum Krankheitsbild dazu und ist gar eines der Hauptmerkmale. Wie gesagt, mit dem Vergessen wird auch das logische Denkvermögen und die Erinnerung dessen immer schlechter. Die Folge davon ist, schrittweise verstärkte Reaktionen aus den jeweils hervorgerufenen Emotionen heraus. Je mehr wiederum Emotionen und Gefühle die reaktionen Dominieren, je launischer erscheint uns diejenige Person. Gerade darum sollen und dürfen gewisse Fakten den Betroffenen gegenüber auch verschwiegen werden. Dort wo Informationen nicht mehr langhaltig eingeordnet werden können, bleiben diese auf (meist unangenehmen) Emotionsebenen stecken. Vernünftiges Reden und Erklären macht nur dort Sinn, wo auch Vernünftig damit umgegangen werden kann. Gerade da liegt aber bei einer Demenz das Hauptproblem. Alles wird immer vermehrter zu einem Kreislauf an Wiederholungen. =Nicht Wissen --> Aufklärungsinformation --> Vergessen --> = wieder nicht Wissen. Dem Gegenüber funktionert jedoch die Emotions- und Gefühlsebene immer noch sehr gut. Dies wiederum bewirkt, das die Informtionen zwar wieder vergessen gehen, aber die damit verbunden Gefühle immer noch präsent bleiben. Selbst wir "Gesunden" haben meist irgendwann in unserem Leben mal erlebt, das wir zB mit einer Person Streit hatten. Mit den Jahren geht eventuell der Grund und Werdegang des Streites vergessen. Aber dennoch können wir uns noch haargenau an die damals entstandenen Gefühle und Emotionen erinnern. So geht es unseren Dementen. Leider bedeutet dies für sie aber ihren Alltag. Die dringendst notwendige Kommnikationsänderung, wo Angehörige ihren Dementen gegenüber lernen müssen, ist ein langwieriger schwer erkämpfter Prozess. Stolpern, Hinfallen und Fehler machen - leider Inbegriffen. Das gehört zu unserem Lernen dazu. Nur die Gleichgültigen glauben keine Fehler zu machen. Darum kann ich nur sagen: Gerade dein dich Hinterfragen und deine Selbstkritik, um jeweils den besten Weg zu finden, ist gerade das was dich als einfühlsame, liebenswerte Person auszeichnet Versuche dies auch für dich selber so anzunehmen, um für das was alles noch kommen wird, auch die jeweils notwendige Kraft zu bekommen. - Michie schrieb:
- Und ich wollte ihm auch noch Bilder oder eine Decke für das Bett von ihm
mitbringen. Aber ich habe Angst, dass ihn das ja auch wieder an seine Wohnung erinnert... Ich würde es dennoch ausprobieren. Vielleicht fühlt er sich dann sogar eher etwas mehr wie in seiner eigenen Wohnung. So das sein Heimweh eventuell sogar etwas kleiner wird. Oder besser gesagt: Ich könnte mir vorstellen, das wenn ihm alles im Raum fremd vorkommt, er sich dort noch fremder fühlt und sein Heimweh dadurch noch grösser ist. Nun, schwer zu sagen.....Manches weiss man leider erst im Nachhinein mit Bestimmtheit. Aber ohne ausprobieren, würde man es nie wissen - und sich folgedessen auch im Nachhinen immer wieder hinterfragen: Hätte ich nicht doch damals sollen?..... Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft und ja - ich finde du machst es toll Liebe Grüsse Ursula
Liebe Grüsse
"Trauer ist ein Teil des Lebens, aber sie darf nicht das ganze Leben werden." |
| | | Murmelchen Wohnt oft hier
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| Thema: Hallo Michie So 17 Apr 2011, 15:26 © Murmelchen | |
| Hallo Michie,
mir geht es ähnlich wie Dir, und zwar mit meiner Mutter... Alles Mögliche haben wir schon wieder und wieder besprochen und doch hat sie es krankheitsbedingt wieder vergessen.... Jeden Tag muss alles wieder und wieder erklärt werden.. Wir suchen nun nach einer Lösung, wenn ich (mit Familie) 10 Tage im Urlaub bin. Meine Vorschläge (Pflegedienst oder Kurzzeitpflege) will sie nicht. Sie meint, bis zum Sommer ("ist ja noch lange", sagte sie) ist das mit ihrer Vergesslichkeit wieder besser. Warum sollte sie dann nicht zu Hause bleiben können?? Wir haben am kommenden Dienstag einen Termin bei der Neurologin (habe schon vorher mit ihr Kontakt aufgenommen und über das "Problem" informiert) und hoffe, dass diese irgend einen Rat weiß.
Ich wünsche Dir viel Kraft weiterhin!
LG Murmelchen |
| | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? So 17 Apr 2011, 17:24 © sylvia | |
| Liebe Michie, ich sehe es auch wie Biggi und Ursula. Eine kleine Bildgalerie kannst doch auf den Nachttisch stellen. LG Sylvia
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
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| | | Michie Neu im Forum
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Mo 18 Apr 2011, 00:02 © Michie | |
| Hallo Ihr Lieben,
@Ursula,
vielen Dank für deine ausführliche und liebevolle Erklärung zum Thema Widersprüchlichkeit, das hast du toll geschrieben!
Ich weiß zur Zeit nicht, ob mein selbstkritisches Hinterfragen so gut ist. Es grenzt manchmal an Selbstzermarterung, und das ist nicht gut für mich. Ich wünsche mir, dass es meinem Vater so gut geht, wie es in seiner Situation möglich ist, das steht außer Frage. Ich habe in den letzten 6 Monaten sehr viel für ihn gemacht, ohne meine Motivation wirklich zu hinterfragen. Da waren auch ganz viele Schuldgefühle mit im Spiel. Und da war irgendwo der Wunsch, dass er erkennt, was ich für ihn tue, obwohl mir gleichzeitig klar war, dass er das gar nicht kann und das auch nicht böse gemeint ist. Es war eine Motivation, die irgendwo von dem kleinen Mädchen in mir gekommen ist. Und ich bin ja nicht schuld an seiner Situation. Wenn wir ihn nicht im Heim untergebracht hätten, hätte der soziale Dienst einen Platz für ihn gesucht. Und wenn wir uns nicht um seine Angelegenheiten kümmern würden, würde es ein Betreuer tun. Seine Situation wäre die gleiche. Und das ist mir heute endlich klargeworden.
Die Ereignisse vom Wochenende haben irgend etwas in mir in Gang gebracht. Da erwacht etwas in mir, worüber ich sehr froh bin. Ich werde weiterhin soweit es in meiner Macht steht, dafür sorgen, dass es meinem Vater gut geht. Aber ich werde es gelassener angehen und diese Situation nicht mehr mein ganzes Leben bestimmen lassen. Es ist Zeit für mich, nicht mehr das kleine Mädchen zu sein, das es den Eltern recht machen möchte, um von ihnen geliebt zu werden.
Es ist an der Zeit, Kämpfe, die aussichtslos sind, aufzugeben. Denn diese Kämpfe tun mir nicht gut.
Es tat gut, mir das von der Seele zu schreiben...
@ Sylvia, Biggi und Ursula,
ich werde auf mein Bauchgefühl hören, wann ich ihm seine Sachen vorbeibringe. Ich glaube, im Moment wäre es nicht gut, weil er sich ja dort nach seinen Worten "nicht häuslich einrichten will". Er will ja nun einmal nicht dableiben. Und das ganze Ausmaß seiner Situation ist ihm nun ja am Wochenende erst so richtig bewusst geworden. Ich glaube, da wäre es jetzt nicht gut, ihm die Sachen zu bringen.
Leider hat er sich immer noch nicht beruhigt. Die Schwester hat mir heute Bericht erstattet und es erscheint mir, als ob sein ganzer Kampfeswille nun erwacht ist. Er konnte sich heute sogar selbst anziehen und wollte das Heim verlassen und in unsere Stadt fahren (er ist im Heim im Nachbarort). Das geht ja nun so ohne weiteres nicht und er hat wohl in seiner Hilflosigkeit und Wut auch die Schwestern verbal angegriffen. Da er so außer sich ist, mussten die Pflegerinnen ihn erst mal in einem anderen Zimmer unterbringen. Von uns will er niemanden sehen. Vielleicht ist diese Wut ja auch heilsam für ihn. Ich glaube, das ist eine ganz normale Reaktion in seiner Situation. Er muss sich vielleicht erst dagegen auflehnen, bevor er es halbwegs annehmen kann.
Ich habe mir überlegt, dass ich ihm einen Brief schreibe. Das ist vielleicht die beste Möglichkeit, die Wogen ein wenig zu glätten.
@Murmelchen:
ja, es ist manchmal nicht leicht, damit umzugehen. Ich finde es gerade komisch, dass ich dir ganz leicht etwas raten kann, wo ich selbst wohl erst mal sehr hadern würde.
Ich glaube, du kannst deiner Mutter nicht die Entscheidung überlassen, ob sie einen Pflegedienst oder die Kurzzeitpflege möchte. Da musst du die Entscheidung treffen, bei der du das beste Gefühl hast. Denn deine Mutter kann das nicht entscheiden. Wenn du die Entscheidung getroffen hast, kannst du alles dafür tun, dass die Zeit für deine Mutter nicht so schwer wird. Wenn du dich für die Kurzzeitpflege entscheidest, kannst du mit ihr mehrmals in das Heim gehen, damit sie es kennenlernt. Vielleicht kann sie dann auch vorher schon einmal an einer der Aktivitäten dort teilnehmen. Dann verbindet sie vielleicht vorab schon ein gutes Gefühl mit dem Heim und die Situation wird ihr später leichterfallen.
Wie gesagt, das ist leicht gesagt und ich weiß sehr wohl, was für eine ungewohnte Situation das ist, für einen Elternteil solche eigenmächtigen Entscheidungen zu treffen. Doch es geschieht ja zu ihrem Wohle. Und du hast auch ein Recht auf eine Auszeit.
Ich wünsche dir auch ganz viel Kraft!
Liebe Grüße
Michaela |
| | | Gabika Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Mo 18 Apr 2011, 06:43 © Gabika | |
| Liebe Michaela, es ist gerade die Anfangsphase, die ich selbst als sehr schwer empfunden habe: man ist noch nicht daran gewöhnt, dass sich die Verantwortung umgedreht hat. Nun ist man als Kind verantwortliche für seinen Vater. Man muss den Vater, den man nie im Leben anlügen würde, etwas "hinhalten" oder "anflunkern", um ihn zu schützen. Das ist extrem schwer, weil man auch gegen sein Gewissen kämpft. Ich habe mich damals von einer Psychologin beraten lassen: das schlechte Gewissen, nicht immer die ganze Wahrheit zu sagen, ist nicht nötig. Es geht um die Motive, die einen dazu bringen etwas zu Verschweigen oder zu Verbiegen. Man macht das ja, um seinen Vater zu schützen, um ihm Kummer zu ersparen. Was das umgedreht Verhältnis Eltern-Kind betrifft: es ist sehr schwer für Dich und auch für Deinen Vater. Er merkt ja, dass plötzlich so viel nicht mehr geht. Ein selbständiger Mensch, der sein Leben selbst gemeistert hat, wichtige Entscheidungen getroffen hat, muss plötzlich andere Menschen fagen, wenn er das Heim verlassen möchte. Plötzlich muss er sich von allem verabschieden: seiner Selbständigkeit, seinem Denken, seiner Rolle als Papa, der sich lebenslang um seine "Kleine" sorgt. Es tut ihm sicher gut, wenn er merkt, dass Du ihn noch respektierst. Seine Wünsche anerkennst, zB den nach Hause zu wollen. Da ist es bestimmt besser, man dehnt die Wahrheit, wie es Ursula gesagt hat (sobald Du gesund bist...). Lass Deinen Papa so viel als möglich selbst entscheiden und lass ihn merken, dass Dich seine Gedanken, seine Gefühle interessieren und Du sie ernst nimmst. Es wird ihm gut tun, wenn er sich noch um Dich kümmern kann, Dein Papa sein kann. Auch wenn jetzt eigentlich Du den Elternpart übernimmst. lg, Gabika |
| | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Mo 18 Apr 2011, 06:55 © sylvia | |
| Moin Gabika, das hast Du sehr schön ausgedrückt und so sollte man es sehen. LG Sylvia
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
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| | | Marie Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Mo 18 Apr 2011, 11:09 © Marie | |
| Das ist wieder mal eine Stelle wo es mir auffällt, daß ich es doch leichter als andere habe. Ich habe seit mehr als 10 Jahren einzelne Aufgaben für meinen Vater übernommen wie Verhandlung mit Handwerkern, später mit extra Vollmacht Schritt für Schritt die Bankgeschäfte. So ist er nun schon daran gewöhnt, daß er bestimmte Dinge nicht mehr selbst macht und das erleichtert es mir natürlich sehr. Die Generalvollmacht, die jahrelang in seinem Schrank lag, habe ich das erste Mal benutzt, um vor einem Jahr die Pflegestufe zu beantragen. Das hat ihm natürlich nicht gepaßt aber langsam hat er sich dran gewöhnt oder resigniert auch nur. Den Hinweis, daß er selbst mich bevollmächtigt hat, mußte ich nur einmal geben. Heute wird er eher unwirsch, wenn ich bestimmte Dinge von ihm verlange, die er gerade nicht machen möchte aber noch gut machen kann. Grüße von Marie |
| | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Mo 18 Apr 2011, 17:33 © sylvia | |
| Liebe Marie, das sehe ich ähnlich. Mir ist viel erspart geblieben. Da meine Mutter das Regiment führte. Mein Papa war immer sehr dankbar mich wieder an seiner Seite zu haben, daher kam auch nie ein Groll auf. Für mich eine schöne Zeit mit ihm, wenn auch kurz und manchmal etwas schwierig. Aber ich vermisse ihn unendlich. LG Sylvia
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
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| | | jolalina Neu im Forum
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Mi 22 Jun 2011, 23:48 © jolalina | |
| Mir fällig dazu ein: Eine Ärztin einer psychologischen Ambulanz, die Demenztests mit meiner Mutter gemacht hatte, riet mir eindeutig: Sagen, dass es kein zurück in das alte Zuhause gibt. Sonst bewegt sich der Demenzkranke ständig in der Ungewissheit und Schwebe, wartet auf das, was noch kommt, und das behindert ein Einleben im Heim, er kommt nicht zur Ruhe. In diesem Link kann man davon lesen, wie schmerzhaft es für einen Demenzkranken sein kann, zu erkennen, dass er hingehalten wurde.
http://altenheimblogger.wordpress.com/2011/02/10/trend/#comments
Ich weiss selbst nicht, was besser ist.... |
| | | Marie Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Do 23 Jun 2011, 10:37 © Marie | |
| Ich habe kürzlich meinem Sohn vorsorglich Generalvollmacht erteilt und gleich festgelegt, daß er auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat. In einem extra Schreiben werde ich festlegen, wie und wo er bei der eventuell nötigen Heimsuche vorgehen soll. Durch die Betreuung meines dementen Vaters, der keinesfalls in ein Heim will und es aller Voraussicht nach auch nicht muß, aber auch durch die Erfahrungen der anderen hier im Forum habe ich gelernt, worauf es ankommt. Seine Generalvollmacht für mich erleichtert mir die Hilfe ganz ungemein. Ortswechsel hat es in meinem Leben immer mal wieder gegeben (in dem meines Vater nie). Damit bin ich vertraut. Trotzdem habe ich entschieden, daß ich - solange es eben allein geht - hier in der Kleinstadt bleiben möchte, wo ich mich auskenne und einen Bekanntenkreis habe. In einer Großstadt in der Nähe meines Sohnes im Alter ganz neu allein anzufangen, davon bin ich abgekommen, seit ich weiß, wie wichtig es ist, zu wissen wo man im Bedarfsfall Hilfe jeglicher Art bekommen kann. Da ich auch mal 5 Jahre in einem abgelegenen Dorf gewohnt habe, weiß ich, daß ich in dem Dorf, in dem mein Sohn lebt, nie ständig sein möchte. |
| | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Wie geht ihr damit um? Do 23 Jun 2011, 10:50 © sylvia | |
| Liebe Joalina, alles hat im Leben zwei Seiten. Wer nicht fragt, dem muß man auch die Fragen nicht beantworten. Weißt es hat einen Vorteil Dement zu sein, man vergißt. Liebe Marie, so sollte es jeder beizeiten halten. LG Sylvia
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
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