LillNalle Erstellt: 10.11.07, 11:21
Als erstes möchte ich dich ganz herzlich hier im Forum willkommen heissen.
Bin sehr froh das deine Oma, eine so besorgte Tochter und Enkelin hat - was leider nicht immer so selbstverständlich ist.
Aber erst mal zu deiner Oma und meinem Versuch die Situation aus ihrer Sicht zu sehen. Du schreibst das sie früher eine starke Frau war. Ich denke dieser Wesenszug von ihr ist immer noch sehr stark vorhanden, auch wenn es sich nun durch die Krankheit eher in Sturheit äussert. Es muss für sie unheimlich schwer sein, von ihrer früheren Selbständigkeit nun immer mehr in die Abhängikeit zu rutschen. Bis weit in den Krankheitsverlauf hinein, wird dieses immer grösser werdenden Unvermögen sehr stark wahrgenommen und bewirkt dadurch gleichzeitig einen ungeheuren Leidensdruck. Nicht umsonst bewirkt die Demenz meist auch Depressionen. Ich gehe mal davon aus, das die Zeit bevor das mit der Hand passierte und sie die meiste Zeit nur noch im Bett verbrachte, gerade auch so eine ausgeprägte depressive Phase war.....Durstgefühle lassen im Alter auch bei gesunden Menschen nach und desshalb muss immer mehr aus Vernunftsgründen getrunken werden. "Vernunftsgründe" setzt aber voraus das man Zusammenhänge erkennen und einsehen kann - was gerade bei Demenz immer schwieriger wird. Mit dem waschen und essen geht es ähnlich......
Nun zu euch. Auch ihr leidet sehr. Alle ihre Veränderungen zu sehen und zu erleben tut unsäglich weh. Je mehr ihr aber mit Früher und Heute vergleicht, je mehr wird es zusätzlich schmerzen. Ja, wie sollst du und deine Mutter damit umgehen? Das was ich jetzt sage ist ein unheimlich schwerer Lernprozess. Ich weiss nicht wie oft ich selbst daran gescheitert bin und dennoch hat es mir immer wieder wichtige Orientierungpunkte im direkten Umgang mit der Demenz gegeben. Je weniger ich versuchte das was "Früher" war, bei Erik zurückzuholen und mehr im "Heute", oder "ist Zustand" leben konnte, je harmonischer konnte unser gegenseitiger Umgang sein. Sowohl er, wie auch ich konnten dadurch stärker die noch vohandenen Möglichkeiten wahrnehmen, anstatt an den Defiziten zu resignieren. Es hilft einem auch dabei, Freudenmomente voll zu geniessen und daraus ein bisschen Kraft zu schöpfen für die schweren, bedrückenden Augenblicke.
Das die Angst immer im Hinterkopf sitzt - es könnte was passieren und was wäre wenn u.s.w. Ich glaube das kennen wir alle. Auch das schlechte Gewissen wird sich immer wieder mal bemerkbar machen. Ich fürchte dies wird sich auch nie ganz vermeiden lassen, egal wieviel wir auch tun. Wir könnten uns selbst und unser eigenes Leben völlig aufgeben, um unserem lieben Dementen möglichst 100% gerecht zu werden - und dennoch würde sich unser schlechtes Gewissen immer wieder mal melden. Einfach schon alleine durch die Tatsache das unsere eigenen Möglichkeiten und Kräfte leider auch immer begrenzt bleiben werden.
Was mich auch noch interessieren würde, wie sieht es mit Medikamenten bei deiner Oma aus? Auch wenn es nichts heilendes auf dem Markt gibt, so können doch Bremsmedikamente, wenn so früh wie möglich eingesetzt, vieles am Krankheitsverlauf verlangsamen und eine gewisse Selbständigkeit länger aufrecht erhalten.
Wie weit von euch weg wohnt die Oma und wie oft könnt ihr bei ihr sein?
Es gäbe noch viel dazu zu schreiben, aber eins nach dem anderen......
Viele liebe Grüsse und mitfühlende Gedanken sende ich dir und auch deiner Mutter erst mal.
Ursula