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| Thema: So schnell? Mo 19 Nov 2007, 09:56 © Admin | |
| Kassandra Erstellt: 28.01.07, 15:48 Hallo, hab grad per google das Forum gefunden und möchte was fragen. Meine Mutter hat seit Jahren eine leichte Demenz. Also sie hat alles mögliche vergessen, Sachen nicht mehr gefunden und wußte ab und zu nicht mehr den Weg. Aber ansonsten konnte sie sich unterhalten und auch alle alltäglichen Verrichtungen erledigen. Sogar Gesellschaftsspiele hat sie gespielt. Und jetzt, ganz plötzlich, kriegt sie gar nichts mehr geregelt. Sie kann keinen Satz mehr beenden, da sie mittendrin vergisst, was sie sagen wollte. Weiß nicht, dass sie zu Hause ist und will nach Hause gehen. Kann sich nicht mehr richtig anziehen. usw. Ich bin total geschockt. Ich dachte immer, das geht langsam. So Schritt für Schritt rückwärts. Aber so von eben auf gleich. Vor 2 Monaten war sie noch relativ okay. Dann war sie 3 Tage im KH. Dort hatte sie nachts schreckliche Angst und seit her wird es täglich schlimmer. Ist das normal, dass das auf einmal so plötzlich geht?
Grüße Kassandra |
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| Thema: Re: So schnell? Mo 19 Nov 2007, 10:00 © Admin | |
| LillNalle Erstellt: 29.01.07, 16:58 Liebe Kassandra Ganz am Anfang möchte ich dich erst mal ganz herzlich willkommen heissen in unserem Forum und hoffe das du dich hier so richtig wohl fühlen darfst. Eine gewisse Zeit können Demenzkranke noch recht viel an Defizite kompensieren, so das es selbst die nächsten Angehörige kaum wahr nehmen. Je mehr aber die Krankheit fortschreitet je schwieriger wird dies und alltägliche Verrichtungen fangen an, geistige Höchstleistungen an demente zu stellen. Plötzlich können Kleinigkeiten zu so starker verwirrtheit führen, dass in solchen Momenten fast gar nichts mehr funktioniert. Da spätestens wird einem als Angerhörige bewusst, das nun mehr hilfe gefordert wird und man anfangen muss auch für sich selbst, sich mit diesem komplexen Thema intensiver auseinander zu setzen. Ich glaube die meisten von uns denken anfänglich, so weit geht doch alles noch recht gut und das wird sicher auch noch länger so bleiben. Dann plötzlich kommen beim Dementen die ersten ernsthaften Verwirrtheitszustände, wo sich leider auch immer mehr häufen und es wird einem schmerzhaft bewusst, wie schnell sich selbst die alltägliche Situation verändern kann. "Was so schnell?" Oh, wie oft habe ich diesen Ausspruch selbst gesagt, wenn plötzlich, wie aus heiterem Himmel die Realität, mein Hoffen und glauben wollen, mit eiskalter Hand uberrumpelt hat. Leider geht der Verlauf nicht einfach Schritt für Schritt rückwärts, sondern eher in unterschiedlichen Wogen. Genauso wie die schlechten Phasen meist erschreckend sind, gibt es manchmal aber auch wieder die guten, die einen wiederum in staunen versetzen können. Es gäbe noch viel zu sagen, aber dazu müsste ich erst einiges wissen wie z.B. Lebt deine Mutter alleine? Wie weit weg wohnst du? Hast du noch Geschwister, die eine Hand reichen könnten? Dieses Wissen wäre wichtig, wenn es darum gehen sollte, Lösungen mit zu überlegen. Ich wünsche dir viel Kraft und weiterhin Mut, dich mit dem Umgang deiner Mutter und ihrer Demenz auseinander zu setzen. Einen guten Anfang dazu hast du schon gemacht. Sei lieb gegrüsst von Ursula |
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| Thema: Re: So schnell? Mo 19 Nov 2007, 10:01 © Admin | |
| palousunny Erstellt: 30.01.07, 08:52 Hallo Kassandra
Du hast die richtige Tür aufgemacht, hier wirst du gut betreut werden weil Ursula genau weiss wovon du spricht, sie hat alle Höhen und Tiefen durchgemacht und ist jeder Zeit da um einem zu helfen und mitzudenken was sehr wichtig sein kann und einem eine grosse Hilfe ist.
Ich wünsche dir viel Kraft und zuversicht.
Gruss Janine |
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| Thema: Re: So schnell? Mo 19 Nov 2007, 10:04 © Admin | |
| Kassandra Erstellt: 18.04.07, 20:18 Hallo, sorry das ich mich so lange nicht gemeldet hab. Ich danke euch für euere netten Worte. Es fällt mir sehr schwer mit der Situation meiner Mama um zu gehen. Und oft weiß ich auch gar nicht, wie ich mich verhalten soll. Besonders belastend ist, dass sie ziemlich genau merkt, was los ist. Ihr ist bewußt, dass sie nichts mehr geregelt bekommt, alles vergißt und häufig verwirrt bzw. in einer ganz anderen Welt ist. Und deshalb weint sie sehr oft. Zur Situation: Meine Mama lebt mit meinem Papa in einer "normalen" Wohnung. Die ist ca. 3 km von meiner Wohnung entfernt. Somit trägt mein Papa die Hauptlast. Er tut mir schrecklich leid. Es ist sehr schwer für ihn. Er ist 78 Jahre alt und herzkrank. Geschwister hab ich keine. Ich würde meinen Papa gerne mehr entlasten, aber ich leide an Depressionen (bin zur Zeit in teilstationärer Behandlung) und habe oft mit mir selbst genug Last. Zudem hab ich auch noch ein Enkelkind, dass ich betreue, wenn meine Tochter arbeitet. Das ist meist 2 mal pro Woche der Fall. Mein Papa weigert sich in ein betreutes Wohnen oder eine ähnliche Einrichtung zu gehen. Und ein ambulanter Pflegedienst würde auch nicht wirklich was bringen. Ich bin total verunsichert. Ich würde meinen Papa gern mehr unterstützen und häufiger für meine Mama da sein. Aber ich kann die Kraft dazu einfach nicht aufbringen. Und meine Therapeuten sagen mir ständig, dass ich zuerst an mich denken soll. Guter Spruch. Immerhin sind es meine Eltern und ich hab ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht helfe(n kann).
Grüße Kassandra |
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| Thema: Re: So schnell? Mo 19 Nov 2007, 10:06 © Admin | |
| LillNalle Erstellt: 19.04.07, 08:11 Liebe Kassandra Deine Mama wird ihre Defizite noch lange merken und mit dem Wissen was diese beinhalten - ja, da werden leider auch noch viele Tränen kullern. Erik und ich haben uns oft einfach in den Arm genommen und Geweint über die Tatsache was diese Krankheit ausmacht. Ich habe ihm dann immer wieder gesagt, das ich versuchen will so gut wie es geht, das für ihn zu übernehmen was er nicht mehr kann, er hilft mir dort was für ihn möglich ist und mehr kann niemand für einen anderen Menschen tun - auch er nicht. Dann wiederum meinte er oft auch, ich muss mich zusammenreissen, damit mir dieser oder jene Fehler nicht wieder passiert. Manchmal folgten darauf ein paar ganz gute Tage und er war fröhlich und wollte einfach daran glauben, das jetzt alles wieder gut, sprich, er gesund wird. Ist doch alles nicht so schlimm....Bis wieder irgendwas so eingetroffen war, wie es noch nie zuvor geschehen ist, oder sich wieder etwas schwerwiegendes wiederholte. Darauf hin folgte logischerweise wieder das Tief, weil er meinte, ich hätte es doch wissen müssen, war doch früher noch nie ein Problem - ich kann nichts mehr, bin nichts mehr wert und kann nicht mal mehr grundsätzliches zuverlässig verrichten, selbst wenn ich mich noch so konzentriere. Wieviele Fehler machen "gesunde" Menschen und wissen im Nachhinein das sie diese nicht hätten machen sollen? Bei Demenzkranken häufen sich solche Fehler, und das führt unweigerlich zu Depressionen, gerade weil sie kaum was dagegen machen können und keine Chance auf Verbesserung in Sicht sein kann......Das ist die Seite deiner Mutter. Nun zur Seite deines Vaters. Seine Frau, wo in seinem Leben eine Partnerin war und zusammen mit ihm die gemeinsamen Aufgaben geteilt hatte. Für ihn da war wo er schwach war und umgekehrt und sie sich immer gegenseitig aufeinander verlassen konnten. Diese Partnerin wo er stolz war als solches, wird nun immer mehr zu seinem Kind. Immer weniger kann er sich auf sie verlassen und immer mehr muss er nun auch ihre Aufgaben übernehmen. Diese "Partnerin" stirbt schrittweise für ihn indem sie zu seinem Kind wird. Sich darauf einzustellen und damit richtig umzugehen, wird fast zur unmenschlichen Aufgabe. Los lassen können was nicht mehr vorhanden ist und sich darüber freuen zu können was noch vorhanden ist, wird gerade in Partnerschaften zu einem schier unmenschlichen Unterfangen. Dazu kommt das damalige Heiratsversprechen - "in guten wie in schlechten Zeiten". Gerade in guten Ehen beinhaltet dies in solchen Situationen meist - wenn ich den Alltag mit dir nicht schaffe dann gehe ich mit dir unter. Bei keinem Angehörigen kann Demenz so belastend sein, wie beim jeweiligen Lebenspartner von einer glücklichen Ehe - vorallem in Bezug auf das Gewissen. Nun zu deiner Seite. Du leidest mit deinem Vater, weil du sein Leiden wahr nimmst. Der Umgang mit deiner Demenzkranken Mutter fällt dir schwer. Sie reagiert so ganz anders als früher und du weisst gar nicht so richtig wie du auf die jeweiligen Stimmungen eingehen sollst. Früher konntest du mit ihr reden, jetzt musst du es immer öfters einfach erahnen, erspühren und vielleicht sogar ohne Worte richtig reagieren. Dort wo früher Worte waren, musst du jetzt beobachten und ihre anderen Signale erkennen. Eine schwierige und vorallem ganz neue Situation. Dazu kommen deine eigenen Depressionen und dein Gefühl der Ohnmacht und Unfähigkeit..... Ich bin in deiner Situation vielleicht ein schlechter Ratgeber und kann desshalb nur von meinen Erfahrungen sprechen. Aber vielleicht kannst du damit ja doch was anfangen, weil Depression für mich leider auch kein Fremdwort ist. Ich musste mich oft fragen, wie gehe ich selbst am besten damit um. Ich merkte schnell, das meine Depression mich zwingt, mich selbst anders zu organisieren. Erst an mich zu denken ohne rücksicht auf mein Umfeld zu nehmen hätte jedoch schädliche Folgen gehabt. Also musste ich lernen neue Prioritäten zu setzen - vorallem in meiner Denkweise. So habe ich angefangen mir selbst nicht dauernd die Kraft zu rauben indem ich mich immer wieder um das gedreht habe was nicht zu ändern ist, oder einfach Geduld fordert. Jeden Tag wo ich aufstehe, entscheide ich ganz alleine, ob ich nun das halb leere oder das halb volle Glas mit Wasser sehen möchte. Ob ich auf meinen Verstand oder auf meine Gefühle hören will. Der Verstand weiss meist ziemlich schnell was zu tun ist, die Gefühle sind da schon wesentlich launischer. In den letzten Jahren war ich gezwungen mehr auf meinen Verstand zu hören und den Gefühlen das Recht zu lassen hinterher zu hinken. Irgendwann schaffen es die Gefühle wieder mich einzuholen, aber dazu dürfen sie sich ihre eigene Zeit lassen. Solange man glaubt Gefühle und Verstand müssen auf der selben Bühne sein, solange wird man nie über Depressionen hinweg kommen.....Ich könnte noch viel dazu schreiben, aber ich belasse es für`s erste mal dabei. Nun ein paar (nur) Vorschläge an dich. Ist es nicht so, das wenn man anderen helfen kann gleichzeitig auch sich geholfen hat, weil man sich mitfreuen kann? Könntest du nicht ab und zu mit deiner Enkelin zu deinen Eltern fahren? Kinder können oft ein Schlüssel zu Demenzkranken sein. Für deinen Vater ist die Situation wesentlich härter. Könnte da geteiltes Leid nicht auch halbes Leid bedeuten - auch für dich? Wenn man bei Demenzkranken lernt, weniger das zu sehen was nicht mehr geht, sondern sich über noch vorhandene Gemeinsamkeiten, dafür doppelt freut kann es vieles wett machen. Die Freudenmomente deiner Mutter sind echt und unverfälscht, wie bei einem Kind, warum sollten wir uns weniger darüber freuen? Weint sie und ist traurig, warum nicht einfach in den Arm nehmen und trösten - das könnte doch euch beiden helfen? Wenn es für dich wirklich nicht geht, dann braucht es unbedingt andere Hilfen für deinen Vater, wenn nicht beide daran zu Grunde gehen sollen. Wie wäre es mit Tagestätte für sie? Wo sie mit anderen Demenzkranken einfach auch mal nur Demenzkrank sein darf. Gemeinsam etwas gemacht wird, ohne zu viele Erwartungen zu haben. Wenn das immer noch nicht funktioniert, dann würde ein ambulanter Pfelgedienst immer noch mehr bringen, als wenn man alles einfach nur so belässt. Jede Stunde "eigene Luft" für deinen Vater ist erholung..... Ich hoffe das ich in meinem geschriebenen nicht zu hart rüber komme. Aber das liegt an der Kürze meines Textes, wo sehr viele Aspekte, die da mit spielen und mitberücksicht werden sollten. Ich sehe einfach und spühre, das es bei euch wirklich brennt und unbedingt etwas getan werden muss - bevor es zu spät ist. Ich wünsche dir viel Kraft und hoffe das dir meine Zeilen ein paar konstruktive Denkanstösse geben dürfen. Liebe Grüsse Ursula |
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