Von: LillNalle2 Gesendet: 24.10.2006 11:12
Liebe Steppcke
Ich glaube bis es zu einer klaren Demenzdiagnose kommt, ist diese meistens schon recht stark fortgeschritten. Schon weil man anfänglich versucht vergesslichkeit u.s.w. irgendwie noch anders zu erklären. Das eine Sache immer wieder wiederholt gesagt wird ist etwas wo eigentlich im recht frühen Stadium schon anfängt. Das deine Schwiegermutter, soviel was dort passiert nicht mehr so richtig mitbekommt ist auch etwas, was die Krankheit leider immer mehr auszeichnen wird. Das sie über Dinge, wie das vergessen der Geburtstage ihrer Kinder u.s.w, herzhaft lacht, könnte ohne weiteres ihr eigener Selbstschutz sein. Wäre sie entsetzt darüber, würde es ja auch nichts an der Tatsache ändern.
Ich finde es sehr gut, das du möglichst versuchst mit ihr keine Streitgespräche zu führen. Es würde auch kaum was bringen, weil so wie sie was erzählt ist es immer mehr ihre Realität wenn auch nur noch Bruchteile davon und das solches für gesunde sich wie Schwachsinn anhört ist mehr als verständlich. Du fragst ob man das auf die Dauer durchhält? Nun es kommt darauf an was wir von den Gesprächen erwarten. Mit der Zeit ist der Inhalt immer weniger wichtig, aber das miteinander reden gehört zum sozialen Grundbedürfnis eines jeden Menschen dazu. Wo Worte nicht mehr helfen, müssen wir uns mehr auf den Ton, die Gestik und Mimik konzentrieren. Stimmungen lassen sich auf verschiedene Arten beeinflussen. Sich in gedankliche verworrenheiten von Demenzkranken einzulassen, ist manchmal sogar sehr fördernd für unsere eigene Fantasie, auch wenn es uns oft an unsere Grenzen bringt. Aber ich glaube die Vorteile in unserem eigenen lernen müssen wir sehen können, um damit klar zu kommen und nicht daran zu verzweifeln.
Wie geht man mit Situationen wie z.B jeden Tag wäsche waschen um: Je weiter die Krankheit voranschreitet, je mehr ist das was nach der Beurteilung deiner Schwiegermutter wichtig ist, abstrakter für ihr Umfeld. Das Grundbedürfnis sich selbst aber mit was zu beschäftigen bleibt. In unserer Situation, habe ich damals angefangen einfach mehr zusammen mit Erik zu machen. Da er sehr hilfsbereit war, freute er sich immer wenn er mir mit etwas konkretem helfen konnte, auch wenn es nur noch ganz einfache Tätigkeiten waren. Für ihn war immer mehr die Hauptsache das ich in Griffnähe war. Oft ist da sehr viel an Fantasie gefordert und eigener flexibilität, gleichzeitig wo diese beim Betroffenen immer kleiner wird. Aber ich habe immer versucht seine hobbys im Alltag einzuflechten, auch wenn wir sie teilweise zusammen ausführen mussten. Er hat sich darüber gefreut und ich freute mich über seine Freude.....Was macht deine Schwiegermutter gerne? Womit hat sie sich beschäftigt? Woran hatte sie freude? Wie könnte man das eine oder andere so anpassen und für sie Situationsgerecht machen, das sie sich auch wenn beschränkt doch gerne noch beschäftigt? Mit der Zeit ging es bei uns immer weniger darum was ich als Sinnvoll anschaute, sondern mehr das Erik aus seiner Sicht soviel Lebensqualität wie möglich beibehalten konnte. Seine Hände brauchten was zu tun und sein Bedürfnis sich an unserem Alltag zu beteiligen war verständlicherweise sehr gross. Sich wiederholende Tätigkeiten habe ich, meist zugelassen und musste immer mehr, möglichst unauffällig ein Auge auf ihn haben, um einfach Unfälle so gut wie möglich zu vermeiden.
Gerade auch solche Punkte müssen berücksichtigt werden wenn es um die Heim frage geht. Wie weit sind die nächsten Angehörigen bereit ihren eigenen Alltag so umzugestalten - oder wie weit ist dies überhaupt möglich. Da spielt auch sehr stark - ich nenne es mal, die "Vorbelastung" eine Rolle. Für den gesunden Ehepartner kann es zum Beispiel unerträglich werden, wenn der andere Partner immer mehr zum Kind wird. Wärend der kranke Partner sich schnell durch die Erwartungshaltung überfordert fühlt und dadurch zusätzlich unnötig verwirrt wird. Auch z.B die reaktion der Kinder zu den Eltern ist je nachdem ganz verschieden. Aber auch da hat es zum grössten Teil mit der vorausgegangenen Relation zu den Eltern zu tun. Selbst wenn Kinder verwöhnt wurden und eine immer grosse Stütze in ihre Eltern hatten, so können auch sie manchmal nicht verkraften wenn ein Elternteil plötzlich zu einem Kind wird. Ich denke darum sind gerade solche Situationen grosse Prüfsteine auch für die Kinder und dementsprechend manchmal auch deren Reaktion schwer nachvollziehbar. Darum ist es manchmal wirklich einfacher für aussenstehende einen Demenzkranken zu pflegen, weil sie ihn dort abholen können wo dieser steht, ohne Unter- oder Überforderung.
Es sind wirklich viele Aspekte die immer und immer wieder von neuem abgewogen werden müssen. Wenn ich dabei helfen kann diese ein bisschen aufzuzeigen, bin ich sehr froh darüber und hoffe das es für dich/euch eine kleine Hilfe sein kann. Ausserdem finde ich es ganz toll, das du dich so für deine Schwiegereltern einsetzt und das Wagnis auf dich nimmst, dich mit diesem schweren Thema so auseinander zu setzen.
Ganz liebe Grüsse
Ursula