Von: LillNalle2 (Ursprüngliche Nachricht) Gesendet: 30.09.2005 10:52
Hallo ihr Lieben
Ich möchte wieder mal was schreiben über die Wichtigkeit von Musik. Jedes mal wenn ich zu Erik gehe, sitzt er oft ziemlich apathisch. Mein kommen, setzt ihm aber ein erfreutes lächeln ins Gesicht. Ohne die Hilfe von Musik wäre es aber um einiges schwerer ihn aus seiner "eigenen Welt" heraus zu holen. So haben meine Besuche auch einen gewissen Ablauf bekommen. In aller Ruhe gehen wir in sein Zimmer, schalten Musik ein. Dann hole ich seine Trommeln hervor wo er etwas dazu spielen kann. Nachdem aber die Konzenztration für etwas bestimmtes nur eine kurze Zeit anhalten kann, galt es für mich etwas neues zu entdecken. Erik war einer der immer sehr gerne tanzte - warum also nicht auch mit dem Rollstuhl? So verbringen wir die meiste Zeit mit Trommeln und tanzen. Zwischendurch etwas trinken und sprechen - soweit dies eben möglich ist. Innerhalb kurzer Zeit wird er dann sehr gesprächig. Leider lässt sich aber davon nicht mehr viel verstehen. So wird man gezwungen Antworten zu suchen, die auf jeden Fall möglichst nicht falsch sein können. Auch wenn es mir nicht immer gelingt, so werde ich wenigstens doch immer geschickter darin und dies gibt ihm wenigstens das Gefühl wirklich verstanden zu werden. Was ihm auf jeden Fall wieder ein bisschen Selbstwertgefühl geben kann. Mir persönlich tut es sehr weh, das sein Sprachvermögen so schlecht geworden ist. Vorallem weil ich davon überzeugt bin, das sich in seinem Kopf bei weitem mehr abspielt als was er wiedergeben kann.
Wenn ich aber bedenke, wie viel solche Aktivitäten helfen, verwundert es mich doch sehr, dass nicht mehr in zusätzliches Personal gesetzt wird. Vorallem wenn ich bedenke wieviel dadurch an teuren Medikamenten gespart werden könnte, zu besserem Nutzen für alle. Es gäbe schliesslich nicht nur für die Bewohner ein erfüllteres, meinungsvolleres Leben, sondern auch für das Personal mehr Zufriedenheit im ausüben ihres Berufes. Nachdem es mir schwer fällt einfach solche Tatsachen zu schlucken ohne eine vernünftige Antwort zu bekommen, werde ich mich mit diesem wie ähnlichen Anliegen sicher versuchen an bestimmte Stellen zu wenden. Ob ich erhört werde ist allerdings eine andere Frage, aber einfach ruhig zu sein liegt irgendwie nicht in meiner Natur.
Gerade solche Sachen machen es mir unheimlich schwer mit dem Gedanken bald wieder für 2 Monate in der Schweiz zu sein und damit Erik einem wichtigen Lichtblick in einem doch sehr langweiligen Alltag im Heim zu entziehen.
Wieso wird soviel mehr für das Optische von Angehörigen gemacht und damit zu wenig auf die Bedürfnisse der Bewohner eingegangen? Ist für die Bewohner ein Staubfussel wirklich wichtiger als wenn sich das Personal einmal mehr Zeit nehmen kann, um Bewohnern die Hand zu halten und z.B zu trösten? In wievielen Heimen müssen die Bewohner mehr als 12 Stunden in den gleichen Windeln dort sitzen, aber es fliegt kein einziges Staubfussel rum - wieso? Sparen könnte ich ja noch verstehen. Aber werden nicht nur für das gleiche Geld die Prioritäten pervertiert?
Solange ich darauf keine vernünftige Antworten bekommen kann, werde ich keine Ruhe geben. Ich glaube es müssen sich wirklich mehr Angehörige gehört machen, in einer Situation wo es die Bewohner nicht mehr können und dem Personal zu einem grossen Teil die Hände gebunden sind aus beruflicher Abhängigkeit.
Ich denke auch dies gehört zu diesem Forum und ist mindestens genau so wichtig darüber zu reden wie alles andere. Ich wünschte mir sehr, das Personal und Angehörige besser zusammen arbeiten könnten - zum Vorteil von allen Seiten. Ausserdem fängt ja alles damit an, das man miteinander redet um jede einzelne Position besser zu verstehen.
Ich musste dies einfach mal los werden da ich mir auch in dieser Beziehung sehr viele Gedanken mache. Auch viel sehe und lese, was nicht nur mit Erik zu tun hat.
Ganz liebe Grüsse an euch alle
eure Ursula