Meine Mutter ist dement und von ihr kenne ich auch die stundenlangen Gespräche mit einzelnen imaginären Personen oder gleich ganzen Gruppen. Sie haben sich angeregt unterhalten, meistens freundlich und lebhaft, aber bisweilen auch aggressiv-abweisend.
Dazu hat Mutti immer wieder mal gesungen und zwar so kunstvoll und schön, daß ich schon gefragt wurde, ob sie eine künstlerische Arbeit oder Ausbildung hatte, sowohl in Gesang als auch im Poetik. Sie hat Gedichte rezitiert, die es nicht gibt und dazu noch lustige Verse grad so ausm Stegreif erdacht, eines davon habe ich gleich aufgeschrieben:
"Hat die Erde gebebt,
hat das Zimmer gewackelt?
Nein! Es ist der Erdbeerbär,
--- der hat gehackelt."
Sie hat lange, lange Jahre Orgel gespielt, da war sie Autodidakt, aber Gesang und Poetik waren immer nur Interessen, also weder gabs eine Ausbildung dazu noch je einen Beruf in dieser Sparte.
Mit fortschreitender Demez haben sich diese doch sehr unterhaltsamen Stunden verändert. Nun spricht sie zwar noch gleich viel, doch mehr als die Hälfte der Worte ist Ra-ra-ra...
Mit diesem Ra-ra-ra ersetzt sie die Worte, die sie einfach vergessen hat. Ra-ra-ra hält auch den Redefluß in Gang und es ist ihre Welt. Mir selber fällt es meistens sehr schwer, mit ihr einen Dialog zu halten, weil ich ja so gut wie nie weiß, was sie meint. Es ist dann schwierig und meine letze Rettung ist oft, einfach das Thema zu wechseln. Ich komme mir dabei oft schäbig vor, weil sie sicher fühlt, daß ihre Erlebnisse und Fragen nicht wichtig genug für mich seien... Verflixt.
Sie WEISS, daß sie anders ist und grübelt oft stundenlang darüber nach... Es zereißt mir das Herz, weil ich so dann nicht trösten kann. Meine Worte müssen in ihren Ohren wohl so falsch klingen, wie sie eigentlich sind.
Sie wartet schon lange darauf, daß sie wieder 'wie bisher' oder 'wie die Andren' wird. Und das sind für mich die schwersten Momente.
Amelu