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| Nie, nie, niemals streng sein oder widersprechen? | |
| Autor | Nachricht |
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liss Gast
| Thema: Nie, nie, niemals streng sein oder widersprechen? So 07 Feb 2016, 17:29 © liss | |
| Mein Vater, seit fünf Jahren mit Alzheimer-Diagnose unklarer Ausprägung, ist seit einigen Tagen wirrer denn je, ganz plötzlich (das kam vorher nicht vor) behauptet er, von seinem Pfleger (24-Stunden-Pflege) geschlagen und beklaut und zu Boden gestoßen zu werden, er würde "abgehört", seine Frau hätte ein Verhältnis mit dem Pfleger usw.
Bisher höre ich mir alles an, bleibe ruhig, sage, dass alles in Ordnung ist, wiederhole, was er sagte als Frage (wurde mir so empfohlen), sage dann, dass ich mich um alles kümmere und so fort und versuche dann das Thema zu wechseln. Ich widerspreche niemals, so wurde es mir empfohlen.
Nur: Es bringt nichts. Themawechsel ist unmöglich, er fängt immer wieder davon an, beruhigt sich nicht, steigert sich weiter hinein, wird immer wütender und macht mir Vorwürfe, dass ich ihm nicht helfe. Ich würde ihn allein lassen, er würde eingehen und mich brauchen und ich würde nichts für ihn tun. Würde ihn einfach verrecken lassen.
Da frage ich mich dann schon ob ich nicht auch mal versuchen sollte, DOCH zu widersprechen. Ihm klar zu machen, dass niemand ihn schlägt und betrügt, sondern im Gegenteil ALLE nur bestrebt sind, ihm das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Gott, und das seit Jahren!!!! Also: Muss man nicht manchmal wie bei einem Kind auch streng sein und sagen: Es reicht? Hör auf? |
| | | Gregor Neu im Forum
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| Thema: Der "richtige" Umgang Mo 08 Feb 2016, 13:45 © Gregor | |
| Meine Frau ist an Demenz erkrankt, stufe drei. Ich betreue, pflege Sie überwiegend allein zu Hause. Habe Sie auch in einer Tagesbetreuung an drei Wochentagen. Man soll Demenzerkrankte, dort aufnehmen wo Sie grade sind. Will heißen: wiedersprechen, belehren und beformunden usw. sind kontraprodiktiv. Das liegt nach meiner Erfahrung, allerdings auch am Krankheitsstadium. Für deinen Papa, ist das was er sagt, realietät. Ich würde einen anderen Weg gehen. (Aufnehmen wo er grade ist) Ihm, zustimmen, "wie schlecht die Welt und die Menschen sind" usw. Aber gemeinsam, Du und Ich, wir schaffen das, daß zu ändern, (Ihn mitnehmen) ich bin ja bei Dir. Das was Dein Papa über Dich meint, seh ich als Hilferuf. Das ist soein Rundumschlag. Je nach Situation, würde, ich auch rausgehen, mit den Worten: wenn Du nur schimpfst und mich traurig machst, dann geh ich. Dann ging ich einen Kaffee trinken und nochmal durchatmen. Das kostet Nerven, daß weiß ich nur zu gut. Anschließend würde ich wieder zu Ihm gehn und sofort ein Thema beginnen. Das, rausgehen, würde ich gegebenenfalls wiederholen. liss, bei kindern, daß weiß Du auch, kommen klare ansagen, auch an und das ist richtig so. Oder Trauer zeigen und Sie mal links liegen lassen. Bei Deinem Papa fürcht ich weitere Demenzschübe, die den Krankheitsverlauf noch beschleunigen. Wünsch Dir, viel Kraft. |
| | | Kathra Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Nie, nie, niemals streng sein oder widersprechen? Mo 08 Feb 2016, 14:24 © Kathra | |
| Liebe Liss,
willkommen hier in diesem Forum. Du bist genau richtig hier mit deinen Fragen....
Meine Mutter ist vor geraumer Zeit richtig gemein und böse geworden. Sie behauptete u.a. Sachen, die nie stattgefunden haben und deswegen bekam sie anfänglich richtig richtig Gegenwind von mir. Ich versuchte mich zu rechtfertigen oder sie zur Besinnung zu bringen... und alles ohne Erfolg!
Mich hier angemeldet zu haben war das Beste was ich dann für mich tun konnte, denn jetzt kann ich viel besser mit ihr umgehen was aber nicht heißen soll, dass mich ihr Verhalten weniger belastet.
Ich weiß einfach, das sie jetzt so ist wie sie ist und ich dagegen nichts, aber auch gar nichts, dagegen machen kann. Die ganzen Rechtfertigungen oder Richtigstellungen kosten nur Kraft. Wenn sie mich jetzt für irgendetwas beschuldigt dann reagiere ich meist mit der Antwort, das es mir von Herzen leid täte, das sie das von mir glauben würde. Etwas anderes gibt es einfach nicht (mehr) zu sagen. Es bringt nichts in ihr Thema einzusteigen, denn sie ist überzeugt und von nichts und niemanden davon abzubringen.
Auf Vorwürfe, das ich dieses und jenes hätte besser machen können reagiere ich unterschiedlich, je nach meiner eigenen Verfassung. Ganz oft mit Humor: " Mutti, ich gebe alles...für mehr hat es nicht gereicht ". Manchmal hat auch meine Antwort nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun was sie etwas iritiert, hilft aber in dem Moment aus der Situation rauszukommen. Bin ich nicht so gut drauf lasse ich ihr die Wahl: Entweder Themawechsel oder Verabschiedung (für heute).
Ich wünsche dir ganz viel Kraft und alles Gute,
Kathra |
| | | Gregor Neu im Forum
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| | | | lisspo20 Neu im Forum
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| Thema: Re: Nie, nie, niemals streng sein oder widersprechen? Mo 08 Feb 2016, 15:26 © lisspo20 | |
| Liebe Kathra, lieber Gregor,
vielen Dank für eure unterstürzenden Worte.
Es ist leider so, dass ich nicht einfach mit ihm Kaffee trinken kann, weil ich im Ausland lebe. Diese Gespräche zwischen uns finden am Telefon statt und sind ziemlich neu. Also diese Behauptungen, dass er geschlagen und beklaut wird gab es bis vor ein paar Tagen noch gar nicht. Der Pfleger meint, es liegt am Wetter, die Patienten würden oft auf viel Wind reagieren und so weiter, und in Deutschland ist es wohl gerade sehr unangenehm.
Ich habe mir einige Validations-Videos bei youtube angesehen, das war auch interessant. Und geht direkt ins Herz.
Momentan fliege ich jeden Monat für eine Woche etwa zu ihm, bin dann den ganzen Tag mit ihm zusammen. Aber es ist natürlich so, dass ich ein furchtbar schlechtes Gewissen habe, nicht mehr für ihn da sein zu können. Aber es geht nicht. Schon mit den monatlichen Flug komme ich an meine Grenzen, ich muss ja auch arbeiten und so weiter. Mein Verstand sagt mir, dass ich ihn sowieso nicht retten kann, er hat auch eine Frau, doch leider war die Ehe schon viele Jahre vorher kaputt.
Ja, es ist wie es ist, ganz genau. Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass manche Dinge einfach nie wieder gut werden, egal, was man tut. Oder nicht tut. |
| | | lisspo20 Neu im Forum
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| Thema: Re: Nie, nie, niemals streng sein oder widersprechen? Mo 08 Feb 2016, 15:35 © lisspo20 | |
| Ach so, und noch mal wegen widersprechen oder nicht:
Ich befürchte, wenn ich ich ihn dort aufnehme, wo er ist, also dass er geschlagen und eingesperrt und beklaut und betrogen wird, wenn ich dem zustimme und ihn bemitleide, wird es dann nicht noch schlimmer? Das kam mir auch bei einigen dieser Validations-Videos so vor, dass die Patienten dann zwar ruhiger aber total traurig waren ... Vielleicht ist Wut besser zu ertragen als Traurigsein und Angst haben? |
| | | Admin Administrator
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| Thema: Re: Nie, nie, niemals streng sein oder widersprechen? Mo 08 Feb 2016, 17:55 © Admin | |
| Liebe Liss
Etwas möchte ich gerne noch zu den schon guten Antworten noch ergänzend sagen. Es ist nicht so, das in jedem Fall recht gegeben werden muss, aber dennoch bringt leider auch das Widersprechen wie auch schon von vielen Anderen hier erlebt nichts. Der aus meiner Sicht einzige Mittelweg in Härtefällen ist, entweder klar, deutlich und konsequent zu sagen, das man zu den Beschuldigungen nichts sagen kann, oder nichts weiss und desshalb auch nicht darüber reden will - im schlimmsten Fall dann desswegen auch ersmtal einfach kurz raus geht. Was aber nicht selten auch ein gutes Schlüsselwort sein kann ist z.B auch: Tut mir leid "ich bin irgendwie leider zu Doof" um deine Aussage verstehen und nachvollziehen zu können. Können wir nicht über etwas reden was ich in meiner Beschränktheit verstehen kann? Denn leider weiss ich genauso wie du auch nicht alles"....
Unser Problem ist all zu oft, das wir meinen auf alles eine Antwort haben zu müssen und dabei erst noch auf unsere Lieben super reagieren zu können. Dabei ist ein zugeben der eigenen Beschränktheit betreffend eigenem Wissen und Können, oft gerade das was unsere Dementen brauchen um sich selber nicht so Defizitär fühlen zu müssen. Also manchmal zu sagen, sorry aber irgendwie bin ich an diesem, oder jenem Punkt im Augenblick genauso Ratlos wie du, kann Wunder bewirken. Denn gemeinsam Ratlosigkeit zu tragen kann auch gemeinsam eine tiefe Verbundenheit und Stärke ausmachen. Mit anderen Worten, geteiltes Leid ist halbes Leid.
Unsere Lieben wollen uns nicht unbedingt als "Supermenschen" die ihnen jedes Problem aus dem Weg räumen können (sie dadurch noch unfähiger dastehen zu lassen), sondern meist einfach nur Menschen die sie in ihrer Not verstehen und diese mit ihnen rein Emotional teilen - selbst dann, wenn keine Lösung direkt geschaffen werden kann.
Liebe Grüsse
"Trauer ist ein Teil des Lebens, aber sie darf nicht das ganze Leben werden." |
| | | Fränzchen Gast
| Thema: Wahrscheinliche Demenz Do 24 Nov 2016, 13:01 © Fränzchen | |
| Seit längerer Zeit (ca. 2 Jahren) verändert sich mein Vater (73). Zu Beginn fiel auf, dass er Ereignisse durcheinander gebracht hat, Wortfindungsstörung hatte und alltägliche Dinge nicht mehr so schnell erledigte. Er hat kaum Freunde, bzw eigtl gar keine, und hängt an meiner Mutter (14 Jahre jünger) wie eine Klette (was sehr belastend ist). Nun ist es so, dass er Überweisungen nicht mehr tätigen kann, keinen Brief mehr formulieren kann, vergisst, wer da eigtl gerade angerufen hat, sich an Personen nicht mehr erinnern kann, Dorfnamen in der Nähe nicht mehr weiß etc... Die Liste ist lang. Ich war vor ca 9 Monaten bei seinem Hausarzt und berichtete davon. Er nahm es auf... Mehr passierte erstmal nicht. Nun ist es soweit, dass es so nicht mehr weiter geht. Insbesondere die hohe Belastung für meine Mutter ist eine Herausforderung. Wie bekommen wir ihn zum Arzt? Er reagiert oftmals gleichgültig und aggressiv, wenn man ihn zu etwas bewegen möchte. Gutes Zureden funktioniert nicht immer.... Und wie kann ich meine Mutter entlasten? Ich wohne zum Glück nur 20 Kilometer entfernt und kann regelmäßig nach Hause fahren. Wie kann ich meinen Vater beschäftigten und ihm das Gefühl geben, dass er gebraucht wird? Und wie entlaste ich meine Mutter? Über Ratschläge und Antworten wäre ich sehr dankbar!
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| | | Momo Neu im Forum
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| Thema: Re: Nie, nie, niemals streng sein oder widersprechen? So 27 Nov 2016, 21:08 © Momo | |
| Hallo Fränzchen, ich habe meinen Opa quasi überlistet und die Ärztin einfach nach Hause bestellt ... ich schilderte ihr das er nicht aus dem Haus zu bekommen ist (als wenn er es riecht das es zum Arzt geht ) und ein Hausbesuch war kein problem mehr . Entlastet habe ich mich von anfang an mit einem pflegedienst der das morgentliche wecken waschen und anziehen übernimmt...danach bin ich soweit wach und gefestigt das ich ihn versorgen kann. Vll hilft dir das ein wenig weiter. Liebe grüße Momo |
| | | | Nie, nie, niemals streng sein oder widersprechen? | |
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