Hallo,
mal wieder habe ich stundenlang im Internet gesucht ... mal wieder habe ich nichts gefunden. Deshalb schreibe ich nun hier in der Hoffnung, von einem anderen Schreiber zu hören, dass es doch noch einen zweiten Alzheimerkranken auf dieser Welt gibt, bei dem das Verhalten zumindest ähnlich wie bei meiner Mutter ist.
Meine Mutter ist jetzt 65 Jahre alt, vor 11 Jahren wurde bei ihr Alzheimer diagnostiziert (davor hatte sie sich allerdings schon knapp 2 Jahre "merkwürdig" verhalten, allerdings wurde sie damals ausschließlich auf eine Depression hin behandelt). Man kann also sagen, dass sie seit ihrem 52. Lebensjahr Alzheimer hat - uns wurde bei Diagnosestellung eine Lebenserwartung von max. 7 Jahren prophezeit (bei so jungen Alzheimerkranken verläuft die Krankheit i.d.R. schneller). Und schon hier zeigt sich, dass meine Mutter in keinster Weise der Regel folgt. Es begann zwar so, wie ich es auch in vielen Berichten und Foren und Büchern lesen kann (mit Orientierungsschwierigkeiten, Vergesslichkeit, Aggressionen, dem zunehmenden Unvermögen, das tägliche Leben und die Finanzen zu regeln etc.), aber dann nimmt ihre Erkrankung Auswüchse an, die scheinbar bei anderen Alzheimererkrankten nicht vorkommen. Oder redet/schreibt nur niemand darüber?
Natürlich wurde auch meine Mutter inkontinent, aber sie hat nicht einfach in die Hose oder ins Bett gemacht, bis man ihr dann "Windeln" angelegt hat, sondern vorher hat sie - statt die offensichtlich fremd gewordene Toilette zu nutzen - immer an ihre Stehlampe gemacht. Einmal ist sie dabei so schwer gestürzt, dass sie sich den Oberarm direkt unter der Schulter gebrochen hat. Gipsen ist an dieser Stelle nicht möglich, der Arm wurde - so gut es ging - fixiert, meine Mutter hat ihn jedoch - scheinbar schmerzfrei - weiter bewegt! Obwohl sie augenscheinlich noch gut laufen konnte, ist sie weitere zwei Male so schwer gestürzt, dass sie zwei Schädelbrüche davon getragen hat. Beim zweiten Schädelbruch kam eine Hirnblutung hinzu, die ich operieren ließ (eine Fehlentscheidung, die heute zutiefst bereue, denn mit "etwas Glück" könnte sie dank dieser Blutung vielleicht schon erlöst sein ... so habe ich sie zu weiteren sinnlosen Jahren qualvollen Dahinvegetierens verdammt). Bei einem weiteren Sturz brach sie sich das Jochbein, danach habe ich die gerichtliche Erlaubnis eingeholt, sie in einen Rollstuhl "fixieren" zu lassen. Seit dem ist sie nie wieder gelaufen. Sie lebt nun ca. 7 Jahre im Pflegeheim, mit anderen Alzheimerpatienten, aber nie habe ich andere Alzheimerpatienten mit ähnlichen schweren Brüchen gesehen.
Dann begann die Zeit des Jammerns. Ich weiß nicht, wie ich es anders nennen soll. Sie weinte einfach ständig oder wimmerte oder jammerte eben. Ihre Sprache reduzierte sich auf Kleinkindniveau. Sie fing an, ständig wild mit ihrer Zunge im Mund herumzufahren - irgendwann beschlich mich der Verdacht, dass sie vielleicht Zahnschmerzen hat. Eine normale Zahnarztuntersuchung bzw. eine zahnärztlicher Eingriff waren nicht möglich, das sie (aus Angst) ihren Mund nicht aufmachte bzw. auf die Zahnarztwerkzeuge biss. Also musste ich einen operativen Eingriff unter Vollnarkose veranlassen, bei der ihr 8 verfaulte Backenzähne entfernt wurden.
Dann begann der Tremor. Hauptsächlich ihre rechte Hand zittert in einer Tour. Vor gut 2 Jahren kam dann hinzu, dass sich ihre Hände und Finger krampfhaft zu einer permanenten Faust verschlossen haben, die sich kaum noch öffnen lässt. Außerdem kann sie mittlerweile ihre Beine nicht mehr ausstrecken. Sie liegt fast ausschließlich nur noch im Bett. Hinzu kamen Krampfanfälle, die einer Epilepsie gleichen.
Seit ein paar Monaten nun - und das ist auch der Grund, warum ich hier schreibe; ich weiß einfach nicht mehr weiter - knackst sie mit ihren verbliebenen Zähnen, dass einem das Blut in den Adern gefriert (so wie nächtliche Zähneknirscher nur viel, viel schlimmer und lauter). Irgendwann wird sie sich ihre Zähne selbst abbrechen (und verschlucken und ersticken???). Alternative: heute war der "Heimarzt" bei meiner Mutter und der meinte, es wäre sicher besser, die restlichen Zähne auch entfernen zu lassen. Ich weiß nicht, was ich tun soll, bin hin und her gerissen. Das hört sich so grauenvoll an, was ich jetzt sagen werde, aber ich liebe meine Mutter sehr. Ich wünschte, sie wäre endlich von ihren Qualen und diesem "Leben", das sie niemals für sich wollen würde, erlöst. Und so überlege ich mir, ob es vielleicht doch nicht so ein schlimmer Tod wäre, an seinem eigenen Zahn zu ersticken. So, nun ist es raus. Und wenn es doch ein schlimmer Tod ist? Aber danach wäre sie endlich erlöst. Aber was, wenn sie gar nicht an ihren Zähnen erstickt, sondern einfach nur furchtbare Schmerzen hat, nach dem sie sich ihre eigenen Zähne rausgebrochen hat? Und wenn ich sie operieren lasse? Ihr alle Zähne entfernen lasse? Wofür ein weiterer qualvoller Krankenhausaufenthalt, eine weitere Vollnarkose? Damit sie hinterher zusätzlich ohne Zähne vor sich hinvegetieren kann?
Hat irgendjemand einen Rat für mich? Hat irgendjemand schon einmal von einem ähnlichen Fall gehört oder es gar selbst erlebt, dass nicht nur die Alzheimererkrankung schlimm und grausam ist, sondern auch so viele grausame Nebenerscheinungen auftauchen können? Ich wäre für Antworten sehr dankbar.