Hallo liebe Gemeinde,
ich war vor ca. 2,5 Jahren schon mal hier, damals wegen meinem dementen Vater. Er wurde recht schnell, ca. ein halbes Jahr nach "Ausbruch" seiner Demenz, von seinen Leiden erlöst. Das war Anfang 2011.
Im Sommer 2011 bin ich zu meiner Mutter ins Haus gezogen, wo ich seitdem wohne. Das erste Jahr nach Vaters Tod war nicht einfach für uns, zumal ich selbst auch chronisch krank bin (u.a. Fibromyalgie und ME/CFS) und bei geringen Belastungen an meine Grenzen komme und geistig wie körperlich schnell überfordert bin.
Ich mache zwar alles notwendige wie Behördengeschichten, mich um die Organisation der Haushaltsführung kümmern, Arztbesuche mit meiner Mutter usw. usw. - aber schon Kleinigkeiten belasten mich enorm und ich bin danach für Tage oder Wochen völlig am Boden. Trotzdem schaffe ich es bisher immer, Kraftreserven zu mobilisieren um das zu erledigen, was getan werden muß.
Bisher war/ist meine Mutter auch noch relativ fit. Sie geht 1 bis 2 mal am Tag mit meinem Hund spazieren, ist körperlich nicht so desolat wie manch andere in dem Alter (bald 83), liest viel, und kann sich mit anderen auch noch ganz gut unterhalten.
Doch was mir zunehmend auffällt ist, daß sie in den letzten paar Monaten zunehmend abbaut, geistig. Ich habe fast den Eindruck, als würde es von Woche zu Woche schlimmer.
Wenn ich ihr etwas sage sagt sie oft nur "hmm", und oft weiß ich nicht ob sie es wirklich mitbekommen hat oder das Gesagte quasi an ihr vorbeigezogen ist. Immer wieder kommen Äußerungen wie "das wußte ich nicht!", "daran kann ich mich aber nicht erinnern", "das hast du mir aber nicht gesagt", usw.
Ich muß sagen, daß sie sich damals, kurz nach dem Tod meines Dads, sehr reingesteigert hat in diese Demenz-Phobie. Bei jedem kleinsten (nichtigen!) Anlass rief sie "da, jetzt ist es soweit, ich habe Alzheimer!". Irgendwie wußte ich aber, daß sie nicht wirklich dement ist sondern kleinste Vergesslichkeiten die jeder mal hat überbewertet, und als ich ihr das mal nachdrücklich sagte ging es plötzlich eine Zeit lang gut und sie schien förmlich aufzublühen und sie sagte das auch nur noch ganz selten.
Im Winter hatte ich dann den Eindruck, sie sei depressiv, was ich auf den nahenden Todestag meines Vaters schob. Und komischerweise wurde meine Mutter an dem Tag auch "krank", wollte nicht mit zum Friedhof, und am Abend ging es ihr wieder gut.
Dafür bekam ich dann am späten Abend eine heftige Magen-Darm-Sache und übergab mich die ganze Nacht und brauchte Tage, um wieder auf die Beine zu kommen.
Ich denke mal, daß uns beiden das sehr nahe ging und wir im Jahr davor gar keine richtige Trauerarbeit leisten konnten (es war vor allem für mich auch ein sehr turbulentes Jahr mit vielen sehr anstrengenden, belastenden Situationen).
Ab dem Frühjahr 2012 ging es dann wieder besser, meine Mutter war auch den Sommer über relativ gut drauf letztes Jahr. Und nun, seit dem späten Herbst etwa, geht es irgendwie den Bach runter.
Nun ist allerdings auch seit ca. 3 Monaten jemand aus der Familie sehr krank und wird wohl bald von uns gehen. Natürlich ist das ebenfalls sehr belastend und deprimierend, ganz klar.
Ich weiß mir im Moment irgendwie keinen Rat und grüble drüber nach, was ich tun soll. In zwei Wochen habe ich mit meiner Mutter einen Termin bei ihrer Hausärztin, wo ich das Thema mal ansprechen möchte.
Kurz bevor es losging hat sie auch neue Medikamente bekommen - vielleicht hängt es ja damit zusammen?
Was soll ich denn nun machen? Soll ich meine Mutter zum Neurologen "schleifen", obwohl sie sich eh schon immer wehrt wegen irgendwas zum Arzt zu gehen und ich immer auf sie einreden muß wie auf einen lahmen Gaul (sorry, aber ist doch so)?
Könnte man überhaupt etwas unternehmen mit Medikamenten, wenn Demenz in einem früheren Stadium erkannt wird? Oder hätte es eh keinen Zweck, weil der Abbau unaufhörlich weitergeht?
Ich hätte auch Angst davor, daß meine Mutter diese Diagnose bekommt und davon weiß - denn ich glaube, dann würde sie sich komplett aufgeben und käme aus dem Grübeln und der Depression überhaupt nicht mehr raus und würde sich total hängen lassen und gar nichts mehr tun.
Das klingt jetzt vielleicht gemein mit dem "hängen lassen", aber so ist es wirklich oft. Sie will vieles einfach nicht mehr, noch nicht mal meinen Wasserkocher benutzen wo sie nur einen Hebel umlegen muß. Nein, sie beharrt darauf, ihren ollen umständlichen Boiler weiter zu benutzen.... Ich hab immer den Eindruck sie will vieles einfach nicht mehr und klinkt sich aus, wenn ich mich z.B. in ihrer Anwesenheit mit meinen Geschwistern unterhalte.
Das ist aber vielleicht auch wegen ihrer Schwerhörigkeit - letztes Jahr habe ich mir stundenlang den Hintern platt gesessen mit ihr beim Hörgeräteakustiker und Ohrenarzt, weil sie Hörgeräte brauchte. Die trug sie nur ein paar Wochen, dann hatte sie täglich neue Ausreden parat warum sie sie nicht tragen konnte, und das war's dann. Ihr ist alles zu viel und man kann noch so sehr versuchen sie zu animieren - es prallt komplett an ihr ab, sie bleibt stur und will es absolut nicht.
Sie mag auch nichts mehr unternehmen, wenn sie mal zusagt für z.B. einen eh schon seltenen Stadtbummel, dann kann man drauf gehen, daß sie plötzlich "Herzrasen" oder "Knie" bekommt und hofft, daß man drauf eingeht und sie daheim bleiben "darf". Die Nummer hat sie jetzt auch öfter gebracht und ich habe ihr gesagt daß sie das konstruiert weil sie keine Lust hat. Wenn sie nicht möchte solle sie es sagen - aber nicht immer mit ihren Wehwehchen ankommen. Da war sie dann auch plötzlich wieder "fit" und hat sich doch drauf eingelassen und war ganz munter und froh, daß sie weg war.
Ist es denn so vermessen von mir wenn ich denke, daß vieles bei ihr am "hängen-lassen" liegt? Oder
will ich einfach nur, daß es so ist, aus Angst vor der Wahrheit?
Das frage ich mich oft, und dann fühle ich mich hundeelend. Ich fühl mich irgendwie so hilflos, überfordert, aber hab doch irgendwie Verantwortung für sie und muß mich da kümmern. Und wenn ich nicht das richtige oder genug für sie tue, dann läuft mir das ewig nach.
Es ist ein so besch***** Situation für mich ... meine Geschwister sind in ihre Arbeit eingebunden und die älteren kümmern sich außer ihren Pflichttelefonaten nicht wirklich um sie. Nur einer hilft uns hier und beschäftigt sich auch mal mit ihr. Aber was diese Themen betrifft sind alle ratlos und wollen davon eigentlich nichts hören und sich nicht damit auseinandersetzen.
Also bleibt es wieder mal an mir hängen, und obwohl ich selber viele Baustellen habe fühle ich mich da in der Pflicht. Ich könnte gar nicht so tun, als ginge es mich nichts an. Wie auch, wenn ich hier jeden Tag mit meiner Mutter zusammenlebe?
Ohwei, jetzt sülz ich Euch so viel vor.
Wollte eigentlich gar nicht sooo viel schreiben, aber es kam grad alles so raus.
Also, zur Ursprungsfrage zurück: macht es Sinn, das alles intensiv abklären zu lassen? Kann es auch "nur" eine Depression sein? Habt ihr da persönliche Erfahrungen?
Vielen Dank, wer bis hierhin gelesen hat ...