Hallo, ich weiß einfach nicht mehr weiter. Ich will mich kurz fassen. Meine 91jährige Mutter ist nach einem Oberschenkelhalsbruch und mit beginnender Demenz seit Januar in einem wirklich guten Pflegeheim untergebracht. Wir mußten sie zuvor aus ihrer häusiichen Umgebung reißen und ich habe 7 Monate versucht, sie bei uns zu pflegen. Sie hat kaum mehr was gegessen, getrunken und wurde mit einer schweren Lungenentzündung ins Krankenhaus eingewiesen. Danach hatten wir sie 3 Wochen zur Kurzzeitpflege und nun ist sie wie gesagt seit Januar in Langzeitpflege. Ich konnte nicht mehr, war mit meinen Kräften und Nerven am Ende. Ich bin 56 Jahre und führe mit meinem Mann einen kleinen Familienbetrieb und bin von morgens 5 bis 19 Uhr auf den Beinen. Meine Mutter ist im Heim gut versorgt, ich weiß es ja. Sie bekommt fast 2-3 mal die Woche Besuch und wir rufen mindestens 1 x täglich bei ihr an, um ihr das Gefühl des alleinseins zu nehmen. Seit ein paar Wochen weint sie und bettelt förmlich, daß ich sie nach Hause bringe. Ich hab mit dem Pflegepersonal und auch mit ihrem Hausarzt gesprochen, der meinte, wir sollen uns einfach mal eine Weile nicht mehr melden, damit sie sie eingewöhnt. Sie lehnt jeglichen Kontakt, außer den zu uns ab und sitzt den ganzen Tag am Fenster und wartet, daß ich sie hole. jetzt habe ich mich nach 2 Wochen gerade telefonisch bei ihr gemeldet um zu sagen, daß ich heute Abend bei ihr vorbeikomme. Sie hat bitterlich geweint und meinte, sie bringe sich um, wenn ich sie nicht mitnehmen würde, sie sei doch meine Mutter. Ich hab so ein schlechtes Gewissen, kann es aber doch nicht. ich kann mit niemandem darüber sprechen, meine ganze Familie ist schon von der Situation, vielleicht auch von mir genervt. Ich kann nachts kaum mehr schlafen, meine ganzenGedanken drehen sich nur um meine Mutter. Es ist schon so weit, daß ich mir manchmal wünsche, daß sie friedlich einschlafen würde, ich schäme mich für diese Gedanken, aber ich kann bald nicht mehr. Hab schon in Erwägung gezogen zu einem Psychotherapeuten zu gehen. Was meint ihr? Wie verhalte ich mich gegenüber meiner Mutter?

Danke, daß mir jemand zuhört. enrico

Liebe Enrico,
herzlich Willkommen bei uns im Forum. Schön, dass du zu uns gefunden hast. Und auch gerade, weil du mit deiner Familie nicht sprechen kannst. Hier sind Gleichgesinnte, die dich verstehen.

Du brauchst dich für gar keine Gedanken schämen. Gerade, weil wir unsere lieben Dementen so mögen, macht es uns alles nicht leichter.

Ich kann mir gut vorstellen, wie zerrissen du bist. Aber vielleicht ist es wirklich besser, wenn du erst mal Abstand hälst, bis sie sich dort richtig eingelebt hat. Viele hier kennen das Problem.

Vielleicht kannst du auch eine kleine Notlüge einschieben, dass du sagst, es wird zuhause renoviert und es dauert noch was. Mit dem Ziel, dass sie es darüber hinaus vergisst. Manchmal muss man auch ein wenig tricksen. Ich weiss ja nicht, ob sie dir das abkaufen würde.

Und wenn du das Bedürfnis hast, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wäre es doch einen Versuch wert. Aber auch hier findest du immer offene Ohren und Herzen. Das Schreiben hier hilft auch schon sehr.

Ich hoffe, du findest für dich eine Lösung, damit sich dein Gewissen ein bissl beruhigen kann.

LG Biggi

Hallo Enrico,

auch von mir ein :heart:liches Willkommen hier in unserer Runde!

Ich weiß aus eigener Erfahrung wie schwer es ist, wenn liebe Angehörige immer wieder davon sprechen sich umzubringen. Obwohl wir genau wissen, dass es anders nicht möglich ist, quält uns das schlechte Gewissen. Eine Lösung habe ich dafür leider auch noch nicht gefunden aber dieses Forum und die lieben Menschen hier, helfen mir damit besser umzugehen.

Ich hoffe, wir können auch dir ein wenig Stütze sein!

Hallo Enrico,

herzliche Willkommen hier bei uns .
Es tut weh, mitzuerleben, wie sich die Mutter im Heim nicht wohl fühlt. Ich habe das ein Stück weit mit meiner Schwiegermama, unserer Nonna, auch so erlebt. Nur war bei uns die Situaiton so, dass sie von der Demenz her nicht mehr so gut sprechen konnte und ihre Gefühle und Wünsche nicht mehr wirklich formulieren konnte. Ich habe es eher gefühlt, als dass sie's wirklich so deutlich ausgesprochen hat.

Lies dich hier im Forum ein, schreib was dir durch den Kopf geht - und du wirst sehen, es wird ein bisschen leichter. Beginnende Demenz, schreibst du. Bei dementen Menschen ist es manchmal so, dass sie nach Hause möchten und dabei eigentlich ihr Zuhause aus der Kindheit meinen. D.h. gibt man ihnen die Möglichkeit, wieder an dem Ort zu leben, an dem sie vor dem Eintritt ins Heim gelebt haben, kann es sein, dass sie dennoch weiter "nach Hause möchten"...

Versuche, gelassen zu bleiben, geduldig zu sein und ihr zu zeigen, dass du sie liebst und dir Zeit für sie nimmst, auch wenn sie nicht mehr bei euch leben kann. Ich schreibe jetzt nicht, dass du kein schlechtes Gewissen zu haben brauchst - das schleicht sich einfach ein, ob wir wollen oder nicht

Liebe Grüsse
Therese

Hallo Enrico,

auch von mir ein

Zu dem Thema: schlechte Gedanken.
Bitte mach dir kein schlechtes Gewissen, wenn du solche Sachen andenkst.
Ich habe meine Schwiegermutter zwei Jahre gepflegt, hatte 2 kleine Kinder, eines davon gerade geboren und war mit der Situation dermaßen überfordert, dass solche Gedanken immer öfter kamen:
Ich brauche ihr nur nichts mehr zu trinken zu geben, dann wäre es vorbei..... und schon kam der nächste Gedanke: was bist du nur für ein Mensch, dass du solche Gedanken hast.
Ich habe mich selbst dafür verachtet, aber die Gedanken kamen immer wieder.
Heute, nach fast 20 Jahren kann ich sagen, dass ich heillos überfordert war.
Und so sehe ich das auch bei dir.
Diese Gedanken erschrecken einen selbst, sind aber nicht unnormal. Es ist einfach ein Zeichen dafür, dass du dringend an dich denken musst und vielleicht eine für dich akzeptable Grenze ziehen musst.
Sie ist gut versorgt. Es wird alles für sie getan.
Tue jetzt einmal etwas für dich, wobei du vielleicht ein wenig abschalten kannst, deine Batterie wieder aufladen kannst.
Gönn dir ein warmes Bad im Kerzenlicht, lies ein schönes Buch, höre Musik oder mach etwas, was dir Spaß macht und wobei du abschalten kannst.
Ich wünsche dir einen sonnigen Tag
Birgit

Hallo zusammen, ganz, ganz lieben Dank für Eure verständnisvollen Worte. Im Grunde weiß ich das ja alles auch, nur geht es einfach nicht in meinen Kopf rein. Dies alles ist nicht spurlos an meiner ganzen Familie vorbeigegangen. Wir sind so ausgepowert, daß wir gar nicht mehr richtig miteinander sprechen können. Auch können wir gar nichts mehr genießen. Ich glaube, ich muß wirklich anfangen, mal an mich zu denken. Wenn ich so zurückdenke ist mein Leben gespickt von Sorge um alle anderen, daß es denen ja gut geht und daß ich es allen recht mache. Jetzt will und kann ich nicht mehr. Schon alleine das Schreiben hier hat mir sehr gut getan. Ich danke Euch allen und freu mich, daß es noch Menschen gibt, die sich um andere Gedanken machen. Ganz, ganz liebe Grüße und habt ein schönes, sonniges Wochenende zusammen. Enrico

Liebe Enrico,
ich musste gerade schmunzeln... Das kenne ich auch nur zu gut, hauptsache es geht allen anderen gut...

Aber ehrlich, man kann das lernen, mal an sich zu denken uns sich mal was gutes zu tun. Davon kann man dann auch wieder zehren für schlechte Tage.

Ich drück dir die Daumen, dass du mal wieder geniessen darfst.

LG Biggi

Hallo Enrico,

Die anderen haben ja schon einiges geschrieben. Ich weiß (aus eigener Erfahrung), dass es leichter ist zu sagen, denk auch einmal an dich, als es auch wirklich durchzuziehen. Trotzdem, irgendwann erreicht man seine Grenzen und oft merkt man es erst, wenn es zu spät ist.

Ich glaube, es ist gut, dass du uns gefunden hast, wir sitzen alle im selben Boot und vielen von uns geht es so, dass sie selbst ihre Gnzen nicht oder nur schlecht erkennen, da hilft es sehr, wenn andere einmal sagen: halt, stopp, siehst du nicht, dass du eigentlich nicht mehr kannst?

Bei uns im Forum wirst du immer die Glegenheit haben dich auszusprechen, das Problem, dass das bei der Familie nicht geht haben hier auch viele, wir hören dir zu und du kannst auch ruhig jammern und schimpfen, das tut gut.

Alles Liebe und ein herzliches Willkommen auch von mir

Astrid