Hallo zusammen,

meine Mutter hat ihre Strategie gewechselt, sie hat das schimpfen über andere Leute - zumindest mir gegenüber - eingestellt. Jetzt kommt sie mehrmals täglich mit irgendwelchen Wünschen oder Neuigkeiten zu mir. Ich weiß, dass viele von Euch froh wären, wenn sie nur mehrmals täglich aufgesucht werden würden, aber mir geht es langsam auf die Nerven. Sie hat eine Pflegerin, mit der sie sich anscheinend mittlerweile halbwegs versteht. Ich komme zur Zeit fast jeden Tag für 1-2 Stunden vorbei (meine Schwester ist im Urlaub); meine Tante verbringt fast jeden Tag mehrere Stunden mit ihr. 2 mal wöchentlich geht sie zur Ergo. Irgendwann ist mal gut. Vor allem wenn man bedenkt, dass sie dieses Unterhaltungsprogramm seit Jahren (auch im gesunden Zustand) einfordert.

Was ich eigentlich sagen wollte: Meine Mutter schimpft nicht mehr, will aber immer irgenedtwas. Über das Nägelschneiden, wer mit ihr zur Ergo geht. Heute: Sie will wieder selber kochen. So wie sie es verlernt hat, könne sie es wieder lernen. Ich lasse sie in dem Glauben und sage, sie könne ja mal damit anfangen ihrer Pflegerin zu helfen, um wieder in Übung zu kommen. Wir könnten ja noch jemanden einstellen, der ihr das Kochen beibringt. Ich habe dies unkommentiert gelassen. Für Mai habe ich über 2400 Euro an die Pflegeagentur überwiesen. Anscheinend zahlt die Firma ihre Leute auch besser als andere. Das hat unsere Pflegerin gesagt, die schon mit Kolleginnen von anderen Agenturen gesprochen hat. Diese werden zum Teil um ihren Lohn geprellt. Eine riesengroße Frechheit!

Ich weiß nicht, wie lange ich noch freundlich an der Tür sein kann, wenn meine Mutter so oft kommt. Entweder ich komme gerade von der Arbeit und sie steht dann da, oder am Wochenende glaubt sie jederzeit willkommen zu sein. Wie haben durch die Arbeit sowieso schon wenig Zeit als Familie. Und dann noch diese ständigen Besuche. Wie würdet Ihr reagieren?

Gruß, Ildiko

Tja, Ildiko, da weiß ich leider kaum Rat! Ich kämpfe mit einer ähnlichen Situation. Als meine Ma noch zuhause war und wir unser Büro noch übergangsweise auch, mussten wir die Treppe verbarrikadieren, damit sie nicht immer hoch kam (mein altes Kinderzimmer = mein Büro).
Das hat aber gegen das Rufen nicht geholfen. Meine Ma ist mittlerweile im Heim...

Deswegen nervt nur noch mein Vater, der eine vaskuläre Demenz hat, d.h. er kann "an und für sich" noch eine Menge seiner Bedürfnisse intellektuell steuern, wie deine Ma. Jedoch - und dieses jedoch macht mich manche Tage echt schwer, sind sein unmittelbares Erleben und seine Wünsche das, was ihn steuern. Da kann ich noch soviele Vereinbarungen mit ihm treffen, Zettel mit Zeiten hinlegen, immer wieder Bescheid geben ----- wenn er was will, i.d.R. nach meiner Mutter gefahren werden, nicht mehr allein sein wollen --- dann will er es. Da ist es wurscht, dass ich arbeite, denn er vergißt einfach, dass ich arbeiten muss und auch welche Art von Arbeit. Für ihn ist es klar, ich bin im Haus und jederzeit verfügbar. Er versteht auch nicht, dass ich oft abends oder am Wochenende arbeiten muss, um überhaupt die ganzen Verlustzeiten aufzuholen. Er war sein Lebenlang angestellt und hat sich in seiner Freizeit einen echt guten Lenz gemacht.

Gegen diese Bilder unserer Eltern kommen wir nicht an. Im Leben nicht. Denn wir werden nicht mehr erreichen, dass sie ein Verständnis für uns entwickeln und so etwas wie ein eigenes Leben haben- ganzbreitgrins - das ging ja schon ohne Demenz kaum, oder?

Wir haben unsere Fluchten entwickelt, unser Büro ausgelagert, trotzdem muss ich noch viel von Zuhause arbeiten, wenn mein Partner programmiert, kann ich nicht nebenher am Telefon quatschen usw.
Es gibt Phasen, da könnte ich echt ausflippen, weil ich endlich mal meine Ruhe haben will, mein Leben ohne Reaktion auf meinen Vater stattfinden soll... aber es geht nicht.

Du könntest höchstens deine Klingel abstellen... was anderes fällt mir echt nicht ein.
Umziehen willst du sicherlich nicht.

Ein Zettel an der Tür mit Ildiko-Sprechzeiten?

Oh Manno, tut mir echt leid - aber heute arbeitet mein Hirn auf Sparflamme.

Liebe Grüße
Jelly

Liebe Jelly,

Du hast so viele Lösungen parat gehabt, da ist es ok, wenn es diesmal nicht DIE Lösung ist.

Ich wohne (zum Glück!) nicht im selben Haus, aber am anderen Ende der Straße. Ich weiß noch, dass ich mir ernsthaft überlegt habe, dieses Haus zu kaufen, da es eben so nah ist. Aber es ist nunmal eine der begehrtesten Straßen in unserem Viertel und es ist nur unter der Hand möglich, hier etwas zu finden. Meine Mutter hat damals allen erzählt, dass ich in die Straße gezogen bin, damit sie in meiner Nähe wohnt und mir helfen kann.

Die Klingel abstellen werde ich mir überlegen. Aber so wie ich meine Mutter kenne, klopft sie dann an die Glastür. Im übrigen rennt meine 5-jährige Tochter sofort an die Tür. Bei der Kamera erkennt man auch wer davorsteht. Es ist schwierig ihr zu erklären, warum wir der Oma nicht aufmachen.

Ildiko-Sprechzeiten wären grundsätzlich toll, aber meine Mutter kann weder Buchstaben noch Zahlen lesen, ganz zu schweigen von der Uhr. Sie weiß nicht welcher Wochentag ist, welches Jahr, welcher Monat.

Gruß, Ildiko