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Rita Ist hier Zuhause
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| Thema: Demenz und Psychiatrie Do 09 Feb 2012, 20:37 © Rita | |
| Hallo ihr Lieben,
ich muss euch was fragen. Konnte meiner Kollegin leider nicht helfen. Sie hat Probleme mit dem Vater, macht sich grosse Sorgen. Wir reden viel, sind ja Leidensgenossinnen, ich nit meinen Eltern, sie mit ihrem Vater.
Er hat Frontotemporaldemenz und agressiv. Seit ca. Mai 2011 ist er im Heim. Zu Beginn ging's sehr gut, doch es ging rasch Bergab mit ihm. Später kriegte er mehr Mittel gegen die Agressivität und war nur noch wie ein nasser "Kartoffelsack", dass auf einem Stuhl und das war alles. Sie setzten dann diese Mittel ab und prompt wurde er wieder extrem agresiv. Hat sogar mit dem Gehstock eine Krankenschwester geschlagen.
Nun heute war das Entscheidende Gespräch mit dem Psychiater und dieser will den Vater in die Psychiatrie einweisen.
Meine Kollegin ist total am Boden zerstört und weint und sagt sich das ist wirklich das Ende, dann stirbt er ganz schnell. Sie ist verzweifelt und ich kann ihr leider nicht helfen, da ich damit noch keine erfahrungen habe (Psychiatrie).
Frage an Euch : was haltet ihr davon Demenz-Patienten in die Psychiatrie zu bringen? ich finde es schon etwas merkwürdig, denke doch ein Pflegeheim mit Demenz-Station müsste da doch eigentlich helfen können.
Vielen Dank. Ich vermittle ihr dann eure Antworten, vielleicht hilft's ja. Haben uns vorhin sms geschickt und beide geheult, war für beide ein harter Tag.
Rita |
| | | Ann Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Demenz und Psychiatrie Fr 10 Feb 2012, 18:25 © Ann | |
| Hallo Rita, ich kann nur ein wenig von unseren Erfahrung in den letzten 14 Monaten berichten. Mein Paps musste wegen Selbst- und Fremdgefährdung immer wieder eingewiesen werden. Auf der Station waren überwiegend Demenzpatienten, in verschiedenen Stadien der Kranheit Ich kenne den Tagesablauf auf einer Demenzstation im Heim nicht deshalb kann ich nur erzählen wie es auf der Station in der Psychatrie war. Es gab ein paar Therapieangebote wie Ergo- und Mototherapie, Basteln und Malen, Gespräche mit den Psychiatern. Meine Mutter hat sich vor ein Tagen die geschlossene Demenz Abteilung eines Heims angesehen und meinte nachher zu mir, dass sie die Abteilung sehr an die Psychiatrische erinnern würde. Ist das denn als Dauerlösung für den Vater deiner Kollegin gedacht? Oder sollen "nur" die Medikamente richtig/neu eingestellt werden? Schön dass du und deine Kollegin euch gegenseitig unterstützt. |
| | | jellyamber Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Demenz und Psychiatrie Fr 10 Feb 2012, 18:42 © jellyamber | |
| Hallo Rita, da ich einige Zeit in der Sozialpsychiatrie auch mit älteren Menschen zu tun hatte, kann ich dir vielleicht ein bisserl von der Gerontopsychiatrie in Haar bei München erzählen. (Haar ist die größte Psychiatrie in Deutschland, viele Gebäude, alte wie neue auf einem riesigen Areal mit Park). In der Gerontopsychiatrie werden in der Regel nur Aktutfälle (also auch Demenz, aber auch Psychosen, Depressionen, Manien etc.) behandelt, bis sie medikamentös eingestellt werden. Es ist keine Dauerlösung - das könnten die Kassen auf Dauer auch gar nicht leisten, da der Aufenthalt wesentlich teurer ist als im Heim. Allerdings gibt es auch psychiatrische Fälle unter älteren Menschen, die einen Heimaufenthalt nicht möglich machen, weil sie extrem aggressiv sich und anderen gegenüber sind. Gerontopsychiatrische Abteilungen sind für uns meistens echt erschreckend, weil die Menschen dort noch deutlich verwirrter, lauter, aggressiver, Türe rüttelnder sind als im Heim. Das ist klar, denn die Neuroleptika brauchen immer eine gewisse Zeit, meistens mehr als 21 Tage, bis sie ANFANGEN zu wirken. Bis der Mensch dann so richtig eingestellt ist, vergehen auch schon mal ein paar Monate. Da der Vater deiner Freundin eine Frontotemporale Demenz hat, ist vielleicht ein Heimaufenthalt für ihn auf Dauer nicht wirklich möglich. Du weißt, das bei dieser Erkrankung vor allem die Areale betroffen sind, die unsere Sozialisation betreffen. Wenn das kaputt ist, dann ist der Mensch häufig enthemmt, aggressiv, sexuell stark angetrieben und kennt keine sozialen oder moralischen Grenzen mehr. Anscheinend gibt es nicht viele Medikamente, die da Ruhe reinbringen. Ich nehme aber fast an, dass er nur eingestellt werden soll, oder? Im Heim meiner Mutter gibt es auch eine Station, die geschlossen ist - vielleicht gibt es auch so ein Heim in der Nähe deiner Freundin? Sorry, leider kann ich dir nichts Positiveres berichten. Ich fand damals die Abteilung für ältere Menschen erschreckend, heute - nach den Erfahrungen mit meinen Eltern - würde ich anders urteilen, da meine Ma wirklich gute Erfahrungen dort gemacht hat. Liebe GRüße Jelly
"Und was die Jugend dalässt, ist ein Spiegel. Da guckt man rein und sieht: Man hat keine Eierschale mehr auf dem Kopf. Man hat jetzt eine Frisur."Martina Holzapfl |
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| | | | Rita Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Demenz und Psychiatrie Sa 11 Feb 2012, 06:02 © Rita | |
| Vielen Dank für eure Hilfe, das ist viel Wert. Ihr berichtet aus euren Erfahrungen und bin mir sicher das hilft der Kollegin weiter.
Es ist so dass das Heim den Mann scheinbar los werden möchte, da es etliche Probleme gibt. Das Heim hat sich nicht gerade gut verhalten und die Kollegin und ihre Schwester mussten zu harten Mitteln greifen und der Direktion einen Bericht erstatten und drohten, würde der Vater nochmals so schlecht behandelt, sie an die Öffentlichkeit gehen. Nun ist der Vater dem Heim natürlich unbequem geworden und sie möchten ihn gerne in die Psychiatrie stecken. Dann wären sie fein raus.
Gestern hatte die Schwester der Kollegin ein Gespräch mit dem Psychiater und es stellte sich heraus, der hat entschieden dass der Vater in die Psychiatrie soll, ohne ihn auch nur untersucht zu haben! Wo gibt's denn sowas...
Die Kollegin hat Angst, wegen dem Wechsel in die Psychiatrie könnte der Vater dann endgültig durcheinander sein (das ist ja leider bei Dementen so dass sie jeden Ortswechsel nur sehr schwer verkraften, hab's bei Mama gesehen die 4 Wochen im Heim und dann wieder zurück nach Hause, war schon heftig und sie hat dann doch auch wieder einen Schub gekriegt und ist weniger selbstständig als vorher) und haben Angst dass er dadurch dann rasch stirbt.
Ihr habt aber auch sehr gute Argumente die einen psychiatrischen Aufenthalt in einem positiven Licht stehen lassen, das hilft ihr bestimmt bei der Entscheidung.
Ich werde ihr den Link zu diesem Beitrag geben. Leider spricht sie französisch, deshalb kann sie nicht selber hier rein schreiben, aber ich denke sie wird's lesen können, sonst fragt sie mich dann schon.
vielen Dank! Rita |
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| | | | jellyamber Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Demenz und Psychiatrie Sa 11 Feb 2012, 10:32 © jellyamber | |
| Liebe Rita, das geht natürlich gar nicht, dass der Psychiater ihn nicht akut untersucht hat und wahrscheinlich nur aus alten Erfahrungen und Berichten entschieden hat. Allerdings frage ich mich, ob der Vater deiner Freundin dort überhaupt noch gut aufgehoben ist, wenn er so unerwünscht erscheint. Da hätte ich ganz große Bedenken und würde dann eher nach einer anderen Unterkunft für ihn suchen - allerdings mit offenen Karten. Vielleicht kann deine Freundin mal die Gerontopsychiatrie anschauen und sich beraten lassen? Es gibt dort auch immer einen Sozialdienst, dem man mit Fragen ansprechen kann. Wie gesagt: Das Krankheitsbild des Vaters erschwert natürlich die Platzsuche - vor allem, wenn er medikamentös noch nicht ausreichend eingestellt ist. Liebe Ulli, für jeden, der das erste Mal mit Psychiatrie in Kontakt kommt, ist alles, was er dort vorfindet und erlebt - total erschreckend, ecklig, nicht zu ertragen. Für Menschen, die darauf angewiesen sind, manchmal auch, aber sie haben keine andere Wahl. Leider liegt es in der Natur der psychischen Erkrankungen, dass man nicht unbedingt ein logisches Einsehen gleich mit bekommt, wie wichtig die Einnahme von Neuroleptika ist. Das muss man genauso lernen wie Angehörige das für ihre Betroffenen lernen. Lernt man es nicht, dreht man eine Ehrenrunde und geht wieder stationär, bis man es nach und nach gelernt hat. Es gibt wirklich sehr schlimme Krankheiten, die trotz regelmäßiger Medikamenteneinnahme schwer zu steuern sind, z.B. die Manie (bipolare Störung). Menschen leiden wirklich sehr darunter, vor allem, dass ihre Umwelt sie nur als verrückt, aber nicht als Menschen wahrnehmen. Oft bleibt dann nur der Suicid... Lieber dann ein paar Medis mehr als das, oder? Ich habe die ersten Tage in der Psychiatrie beim Praktikum damals nur geheult, weil mich das Leid der Leute so mitgenommen hat. Viele waren in meinem Alter (24) und eigentlich war abzusehen, dass sie nie einen Beruf, Familie u.ä. haben werden können. Mir ist sehr schnell klar geworden, dass die Menschen, die in der Psychiatrie arbeiten, oft die einzigen sind, die sie ernst nehmen und von denen sie eine "normale" Aktzeptanz bekommen. Es sind aber die, die oft die größten Vorurteile haben, weil es ihr täglich Brot ist Liebe Grüße Jelly
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| | | soda1964 Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Demenz und Psychiatrie Sa 11 Feb 2012, 10:53 © soda1964 | |
| Liebe Rita,
unsere Nonna war nach kurzen Spitalaufenthalt 3 Monate in der Gerontopsychiatrie. Die letzten Tage zu Hause hat sie sich komplett verweigert. Sie wollte sich nicht mehr pflegen lassen, nicht essen, keine Tabletten mehr nehmen und nur noch im Bett bleiben. Sie war überzeugt, dass sie stirbt und sie war bereit dazu. Im Spital zeigte sie dieses Verhalten weiter und daher wurde ihr und uns die Einweisung in die Psychiatrie "nahe gelegt". Sie war da sicher in einer tiefen Depression ...
Der Aufenthalt in der Psychiatrie war - wie soll ich sagen - wechselhaft. Auf der einen Seite kümmerten die Pflegenden sich liebevoll und geduldig um sie, auf der anderen Seite wurde sie in einen starren, festen Tagesablauf gedrückt mit fixen Aufsteh- und Bettgehzeiten, sitzen am Tisch eine bestimmte Zeit hinter dem vollen Teller, versteckte Gabe der Medikamente im Milchkaffee (das war das Einzige, was sie am Anfang noch nahm), duschen zu zweit an festgelegten Tagen und Zeiten etc. etc. etc.
Die ersten vier Wochen hat sie kein Wort mehr gespochen, nur geweint oder geschrien. Es war, als wäre an dem Tag, wo sie dort rein kam, ein Schalter umgelegt worden. Erst in dem Moment kam auch das ganze Ausmass ihrer Demenz zum Vorschein. Es war eine grauenhalfte Zeit. Dann fingen die Medikamente langsam zu wirken an, sie öffnete sich, sprach wieder, ass wieder und alles beruhigte sich.
In der Zeit sahen wir viele andere Bewohner in der Psychiatrie kommen und gehen. Wir haben dort Geschichten erlebt, wie im Film. Wenn es nicht so tragisch wäre, könnte man einfach nur lachen. Manchmal haben wir das auch. Alles in allem war die Zeit dort schlussendlich doch "hilfreich". Wir realisierten dann aber auch schmerzlich, dass wir Nonna nicht mehr nach Hause nehmen können. Von dem Tag an, als sie in die Psychiatrie kam, ist sie keinen Schritt mehr gegangen. Seit da ist sie im Rollstuhl. Drei Tage vor dem Spitaleintritt nahm ich sie noch zu uns zum Zmittag, über zwei Treppen ... Seit dem Eintritt in die Psychiatrie ist sie auch inkontinet. In der Nacht vor dem Spitaleintritt nässte sie zum ersten Mal ihr Bett, bis da reichte es immer noch auf den Nachtstuhl...
Wenn ich so an die Zeit im Frühjahr zurück denke, frage ich mich manchmal, ob sie wohl hätte sterben können, wenn wir noch ein paar Tage "durchgehalten" und sie zu Hause behalten hätten ... Doch auf diese Frage gibt es keine Antwort. Es ist jetzt, wie es ist.
Was ich damit sagen will: ein Aufenthalt in der Psychiatrie kann durchaus Sinn machen, wenn dabei der Patient der Hauptgesichtspunkt ist ! Liebe Grüsse Therese
ThereseMan muss mit Allem rechnen - auch mit dem Guten.
Die wahre Lebenskunst besteht darin, im alltäglichen das Wunderbare zu sehen. Pearl s. Buck
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| | | Rita Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Demenz und Psychiatrie Sa 11 Feb 2012, 12:23 © Rita | |
| Danke ihr Lieben für eure Geschichten. Ich finde es immer toll wenn ihr von euren eigenen Erfahrunge berichtet, man kann so vieles daraus lernen.
Therese : ja, manchmal frage ich mich auch dass, wenn ein Mensch sterben will, ihn nicht einfach lassen sollte. Warum meinen wir immer wir müssen sie krampfhaft am Leben halten? Ich kanns' dir sagen : weil wir sie lieben und nicht hergeben wollen.
Aber ich ertappe mich öfters auch, wenn's Eltern nicht gut geht (heute hat Mama wieder einen ganz schlechten Tag), ob's nicht besser wäre sie würden einfach einschlafen können. Dann sag ich mir wieder "Mensch, so darfst du noch nicht mal Ansatzweise denken!", aber es kommt immer wieder dieser Gedanke auf. Auch meine Kollegin meinte gestern ziemlich entsetzt, ihre Schwester hätte ihr vorhin gesagt, es wäre besser wenn ihr Vater einfach einschlafen könnte. Ich hab ihr dann gesagt sie soll nicht entsetzt sein, diese Gedanken haben wir mit Sicherheit alle irgendwann einmal im Verlaufe der Krankheit unserer Lieben. Und, ehrlich gesagt, wäre es in vielen Fällen auch humaner, denn sie leiden doch auch darunter.
Auf jeden Fall vielen Dank. Ich werd der Kollegin mal fragen warum sie nicht einen Heimtausch in Aussicht stellen. Ich würde dort, ehrlich gesagt, meine Eltern auch nicht mehr lassen wollen, nicht nach all dem. Würd mich nach einem neuen Platz umsehen.
Ihr habt immer so viele tolle Ideen. Gestern hat ihre Schwester nochmals ein Gespräch gehabt, glaub's mit dem Psychiater, weiss es jetzt nicht mehr genau, auf jeden Fall ist das letzte Wort in Sachen Psychiatrie noch nicht gesprochen.
Rita |
| | | bluemche98 Neu im Forum
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| Thema: Re: Demenz und Psychiatrie So 13 Mai 2012, 13:10 © bluemche98 | |
| Hallo Rita, es kommt wirklich auf die Pychatrie an,mit Pychologischer Hilfe wird deinem Vater sicherlich geholfen,leider greifen viele auf Medikamente zurück.Ich würde eine spezieles Heim für Demenzkranke empfehlen. Liebe Grüsse |
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