Hallo,

am Frühen morgen war ich noch nie "auf der Höhe". Angefangen damit, dass Honig vom Frühstücksbrot auf unerklärliche Weise auf meinen Kopf kommt, über meine Schlüssel, die sich verstecken bis dahin, dass ich mich nicht mehr erinnern kann, ob der Herd ausgeschalten und die Haustüre versperrt ist. Bisher sagte ich zu mir: "Mein Hirn wacht eben erst nach meinen Füßen auf, so zwischen 9 und 10 vormittags."

Jetzt habe ich dieses tolle Buch gelesen: "Mein Leben ohne gestern" und jetzt versuche ich, mich auf den Gedanken einzulassen, dass es einem Demenzkranken immer so geht, wie mir in der Früh. Das Telebanken (welch dumme Idee, das in der Früh zu machen) hat sich gerade eben um 10 min verzögert, weil mir mein Passwort nicht einfallen wollte, das Duschpflaster, das ich mir auf den Finger geklebt habe, ist schön beschriftet, so dass man es in den Schritten von 1-4 ordentlich aufkleben kann. Natürlich habe ich (absichtlich!!) mit 4 begonnen und mich sauber nach 1 gearbeitet. Es klebt. Aber wie...! Erst dadurch ist mir aufgefallen, dass ich es falsch gehandhabt habe.

Diese morgentliche Verwirrung habe ich schon mein ganzes Leben. Ich glaube nicht, dass es beginnende Demenz ist. Vielleicht hilft mir diese "Gabe" sogar, die Krankheit besser zu verstehen.

Wie geht es Euch? Habt Ihr auch solche "Anwandlungen"? Wie ordnet Ihr das ein?

lg,

Gabika

Liebe Gabika

Solche Begebenheiten kennen wir wohl alle, auf die eine oder andere Art. So erschreckend solche Selbsterkenntins-Erlebnisse manchmal für uns selber auch sein können, so habe ich es gleichzeitig auch zu Schätzen gelernt. Denn unser Einfühlungsvermögen ist immer nur soweit vorhanden, wie sich unsere eigenen persönlichen Erlebnisse auf andere Situationen beziehen lassen. Darum bin ich dauernd am lernen, das dass was mich gerade an mir selber Ärgert, Traurig macht, gar Schockiert, oder mir Peinlich ist, gleichzeitig immer auch für irgendwas Nützlich sein kann. Nämlich mein Verständnis und meine Toleranz Anderen gegenüber. Solche, oder ähnliche Erlebnisse liebe Gabika, sind absolut Notwendig, damit wir überhaupt zu mitfühlenden Menschen werden können. Um Milde und Verständnisvoll anderen gegenüber zu sein, setzt immer eine eigene Ehrlichkeit voraus, also auch deren eigenen Erlebnisse/Erfahrungen dazu....Auch wenn ich gewisse Tage am liebsten aus meinem Kalender streichen würde

Liebe Gabika,

ich kenne solche neben-der-spur-sein-zustände auch während des Tages.
Ich funktioniere leider nicht 100%tig, auch wenn ich es gerne würde.
Nimmt die Verwirrung, Vergessen, Chaos zu... ist das ein Zeichen für mich,
dass gerade was nicht rund läuft in meinem Leben, und ich innehalten sollte,
um heraus zu finden, was los ist.
Oft ist es, dass ich durch besonders viel Action versuche, Gefühle weg zu drücken,
Entscheidungen, die mich belasten. Also, bei mir ist es auch eindeutig so, dass mein Hirn und Seele
langsamer sind als mein Tun. Ich komme oft nicht nach mit dem, was "man" so können und machen sollte.
Inzwischen bin ich aber ein bisserl gnädiger mit mir geworden und meine To-Do-Listen werden kürzer und auf die Woche verteilter. Nichtsdestotrotz kannst du bei mir erleben, dass ich noch drei Mal die Treppe rauflaufe, weil ich wieder mit was runtergekommen bin, aber nicht mit dem, weswegen ich rauf ging...

Manchmal habe ich auch Angst, wenn mir Namen nicht mehr einfallen und denke, uih, jetzt geht's los.
Aber mal ehrlich: soviel emotionalen und beruflichen Stress wie jetzt mit meinen Eltern & meiner Firma hatte ich noch nie
bzw. war ich da noch jünger und unbedarfter.

Ergo - ich darf mich ruhig deppert aufführen - es kommen auch wieder klarere Tage.
Ich misstraue auf jeden Fall allen total super funktionierenden, durchorganisierten Menschen...
Die verstecken was...

Honig ist übrigens super für die Haare :lachen!:

Liebe GRüße
Jelly - die ganz ganz viele Einkaufslisten in ihrer Tasche hat und trotzdem mit anderen Sachen nach Hause kommt...

Liebe Gabika,
bei euren Beiträgen musste ich sogar ein wenig schmunzeln. Gut zu lesen, dass es anderen auch so geht...

Abgesehen davon, dass ich auch ein kleiner bis mittlerer Morgenmuffel bin, passieren mir solche Sachen auch. Ist aber auf keine Tageszeit begrenzt. Ich steh auf, laufe los und weiss nicht, was ich eigendlich wollte z.B.
Wenn ich recht überlege, sind es viele Kleinigkeiten, die manchmal nicht so rund laufen. Aber mir geht es so, dass ich dann merke, dass ich eigendlich mit meinen Gedanken schon ganz woanders war, und mich nicht auf das konzentriert habe, was ich machen wollte. Sozusagen waren meine Gedanken schneller als meine Füsse...

Mein Mann sagt immer: ein bisschen blöd ist niedlich...

Alles in allem mache ich mich damit aber nicht verrückt. Nobody is perfect! Dafür sind wir Menschen und keine Maschinen. Und Menschen machen nunmal Fehler.

Daher gebe ich dir Recht, ich denke auch nicht, dass es Demenz ist. Ich nenne es mal Morgenmuffelanlaufschwierigkeiten...

LG Biggi

, Okay Mädels, das sind meine neuen Mantras ! :lachen!:


Ich misstraue auf jeden Fall allen total super funktionierenden, durchorganisierten Menschen...
Die verstecken was...

Mein Mann sagt immer: ein bisschen blöd ist niedlich...


Aber mal im Ernst, so richtig achte ich eigentlich erst, seit der Erkrankung meines Vaters auf diese "Aussetzer". Obwohl die bestimmt auch schon vorher da waren.
Ich habe meiner besseren Hälfte die Tage noch gesagt: "Wenn ich irgendwann mal zum Demenz Test muss, sag denen bloß, dass mein Orientierungssinn schon immer Sch.... war. Mich kannste nämlich 5 km von Zuhause aussetzen und ich finde nicht mehr heim.

Puh, das ist eine Erleichterung, es geht Euch auch so. Danke.

Ursula: ja stimmt, wenn man sich seiner eigenen Fehler bewusst ist, kann man sich besser in andere hineinversetzen. So haben auch Fehler etwas Gutes.

Jelly, danke für den Hinweis, mein Haar fühlt sich auch schon ganz toll an ...

Biggi, irgendwie ist es schmeichelhafter, wenn die Gedanken schneller sind als die Füße und nicht umgekehrt..

Ann, ich weiß wovon Du sprichst, ich war auch schon mit 3 kg Muscheln auf der Suche zurück zu meinem Einkaufswagen. Meinen Muscheln und ich sind schon richtig gute Freunde geworden, bis wir endlich fündig wurden... Wenn man nicht weiß, dass das normal ist, runzelt der Neurologe schon die Stirn.

Aprospos Muscheln... Da fällt mir gerade auch noch eine lustige Episode ein. Ist schon lange her. Ich war in der Metro, habe was aus einem anderen Gang geholt, und meinen Einkaufswagen auch nicht wiedergefunden. Eine geschlagene halbe Stunde habe ich gesucht.... Ich dachte echt damals, ich wäre auf "verstehen sie Spass" reingefallen...

Die Leute guckten mich auch schon ganz seltsam an...

Aber ist schon beruhigend, dass nicht nur mir das passiert...

LG Biggi

Ich habe schon mal "gefühlte" stundenlang mein Auto im Parkhaus gesucht........
Seitdem verlasse ich kein Parkhaus mehr ohne mir den Stellplatz des Auto´s zu merken.

ok, "normal" ist viel mehr als man so denken würde

...ich hab mich bekringelt vor lachen..wie erleichternd sind die Beiträge. Letzte Woche bin ich zum Spanisch Kurs gedüst. Ich dachte erst von Weitem, dass der Kurs ausgefallen sei; alles dunkel in der Schule; komisch. Langsam bin ich durch das Abenddunkel getappst, alles ganz ruhig...bis in die Schule, in der - außer meinen Schritten, nichts zu vernehmen war. Ich öffnete die Tür vom Klassenraum und vor mir starrten mich 19 Augenpaare kollosal verwundert an.

Ich war so verwirrt...und so verpeilt, denn ich war 1 Stunde zu spät eingetrudelt. Das passte überhaupt nicht in mein Selbstbild und ich war für den Rest der Stunde mit Abschreiben beschäftigt; wie in alten Zeiten.

Das ist deinen Klassenkameraden aber bestimmt spanisch vorgekommen!!

Hallo,

da passt eine Geschichte von einer alten Freundin dazu (der sind immer solche Sachen passiert). Sie war Aufräumerin an der Universität.

An einem späten Sonntagnachmittag war sie ziemlich müde und hat sich für ein Schläfchen ins Bett gelegt. Als sie aufwachte war sie völlig verschlafen, es war diesig draussen und sie schaute auf die Uhr. 6:00 - da hatte, sie doch den Abend und die ganze Nacht verschlafen. Um 7.00 war Dienstbeginn. Sie sah zu dass sie sich duschte und fertig machte, dann düste sie los in die Arbeit. Dort war noch alles still. Nur ein paar der Chemiker saßen im Sozialraum. Meine Freundin wunderte sich - dass die schon so früh da waren ? "Was machst Du denn hier Irmi ?" wurde sie erstaunt gefragt. "Warum, arbeiten, was sonst, ist eh schon spät, außerdem wird's so finster, ich glaub es kommt ein Gewitter".

"Irmi, seit wann arbeitest Du am Sonntag ? Und um die Zeit wird's ja immer schon finster...."

Richtig! Es war nicht Montag Früh, sondern Sonntag Abend. Da ist sie wieder heimgeschlichen - das war ihr vielleicht peinlich. (die Chemiker arbeiten oft am Wochenende, aber die Irmi nie).

LG

Astrid

Hi Astrid,

ja, da weißt Du nicht, ob Du Dich freuen sollst, dass Du noch eine Nacht ruhen kannst, bevor die Arbeit wieder beginnt oder ob Du Dich schämen sollst.

Solche Fehlleistungen sind offenbar ganz normal und auch jedes Mal ein kleines Geschenk, um das Mitgefühl zu trainieren, mit Menschen, für die das zum Alltag gehört.

Eine nette Geschichte aus einem Buch von Otto Schenk "Sachen zum Lachen": ein etwas älterer Schauspieler tut sich auf der Bühne sichtlich schwer damit, den Einstieg in seinen Text zu finden. Die Souffleuse versucht alles, bis der Schaupieler schließlich zu ihrem Kasten kommt und raunt: "Keine Details, welches Stück?". Das Buch ist übrigens super, es beschreibt viele solche lustigen Vorfälle aus dem Theater.


lg,

Gabika