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chiara Ist hier Zuhause
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| Thema: Verabschiedung? So 12 Apr 2009, 12:41 © chiara | |
| Guten Morgen allerseits
ich wollte heute mal einen neuen Thread aufmachen mit einem etwas anderen Thema. Bei meiner Mutter ging es ja ungewöhnlich schnell "abwärts", was ihre Demenz betraf. Ich hatte nie ein besonders liebevolles Verhältnis zu meiner Mutter, sie konnte keinerlei Liebe zeigen und ich lief - das war wenigstens immer mein Eindruck - so als "Nachzügler" und letztes von 6 Kindern (mein jüngster Bruder ist 5 Jahre älter) immer so "mit" oder "nebenher". Trotzdem liebe ich sie und habe auch oft mit ihr telefoniert oder sie (also meine Eltern) besucht.
Das aber ist gar nicht so das Thema, über das ich schreiben wollte. Mir fiel auf, dass ich in den ersten Wochen nach ihrem "Absturz" irgendwie immer funktionierte, immer zwar die GEfühle im Auge hatte, wie es JETZT ist und was weiter passieren kann, aber das, was meine Mutter WAR, völlig aus den Augen verloren hatte.
Nun ging es mir ja eine ganze Weile schlecht - und neulich stand ich gerade in der Küche, bereitete Kartoffelsalat vor....und plötzlich schoss mir durch den Kopf, dass meine beiden Kinder immer sagten, der Kartoffelsalat von ihrer Oma schmeckt ihnen am besten. Ganz spontan wollte ich dann bei Mama anrufen, um sie zu fragen, ob ich irgendwas vergessen hatte - und dann dachte ich, dass das ja nicht mehr geht.
Und seitdem kommen immer wieder solche "Gedankenflashs" - mir fällt es plötzlich wie Schuppen von den Augen, dass ich sie immer mal wieder - trotzdem ich seit über 20 Jahren kochen kann - angerufen habe, um sie mal zu einem Rezept was zu fragen, von ihr einen Tipp für irgendetwas zu holen, immer mal mit ihr in der Stadt frühstücken war, Jetzt, zu Ostern, fiel mir ein, dass sie so sehr Maiglöckchen und Flieder geliebt hat, sie hat am 8.Mai Geburtstag - und immer erhielt sie dann von eiem von uns einen großen Strauß Flieder und Maiglöckchen.
Ich hab irgendwie den Eindruck, dass ich erst jetzt beginne, mich gefühlsmäßig von ihr zu verabschieden - zumindest von der Frau, die sie war....bitte nicht falsch verstehen: Ich sehe meine Mutter nicht als tot - aber es ist doch trotzdem ein "schleichender Abschied" - und sie existiert nicht mehr so, wie wir sie gekannt haben.
Wie seid ihr mit diesem "Abschied" umgegangen? Was ging da so in Euch vor? Wann konntet Ihr den Zustand, in dem Euer Vater, Mutter, Freund ist oder war, wirklich für Euch so annehmen, dass Ihr damit zurechtgekommen seid? Und wie seid Ihr damit umgegangen?
Irgendwie ist das momentan eine schwierige Zeit.....
Anja |
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| Thema: Re: Verabschiedung? So 12 Apr 2009, 23:06 © Admin | |
| Liebe Anja
Das sind sehr gute Überlegungen und Gedanken. Finde ich super das du darüber geschrieben hast.
Dieses Abschiednehmen: Ich hatte es immer als Abschied in Raten bezeichnet. Als erstes war das (genau so wie du es auch beschreibst), das Abschiednehmen von dem Gewohnten, Geschätzten für einen ursprünglich (damals) so lieb gewordenen, was nun schrittweise schwindet. Für mich war also der Verlust der gemeinsamen, tiefen, guten und wohltuenden Gespräche entsetzlich schmerzhaft. Das gemeinsame Tragen von Eriks Hölle, wo wir anfänglich gemeinsam durchgegangen waren, ging schrittweise in ein einfaches be/schützen von Erik über. Glaube mir, als nicht Verwandte und erst noch Ausländer hat man noch gegen ganz andere Fronten als gewöhnlich zu kämpfen. Welche Reaktionen wir erleben mussten als Erik bei uns einzog - darüber alleine schon könnte ich ein Buch schreiben. Gäbe also sehr viel zu schreiben. Darum jetzt nur die kürzeste Version. Als Ursprünglich integrierte, hilfsbereite Ausländer geschätzt, wurden wir damals plötzlich des Lebens bedroht.......Nun, in der Zwischenzeit (nach Jahren) hat sich für uns alles wieder zum Guten gewendet. Manchmal kann eben nur die Zeit beweisen wer, oder was man wirklich ist.
Nun aber wieder zurück zu deinem Thema liebe Anja, wo ich als sehr wichtig und gut ansehe. Das Abschied nehmen: Auch für mich hat dies schon (wie bei dir auch) wärend des Krankheitsverlaufes angefangen und jedes bisschen mehr Abschied hatte auch mich eine unglaubliche Menge an Tränen gekostet. Abschied hat leider immer mit Schmerzen zu tun. Im Gegensatz zu anderen Krankheiten, wie z.B Krebs, verläuft dies bei Demenz auch ganz anders. Einfach weil es bei Demenz, hauptsächlich um das schrittweise Ausfallen des logischen Denkens, des Vergessens und des verschwindens der für uns so wichtigen Komunikation geht. Ich persönlich glaube, das es wichtig ist, das wir dementsprechend auch schrittweise schon im vorfeld Abschied nehmen. Genauso wie du es liebe Anja auch tust. Erstens weil ich glaube, das wir nur durch das Abschied nehmen von dem was war, uns auch wirklich auf das, wo noch vorhanden ist einstellen können. Würden wir nicht schrittweise, dem Krankheitsverlauf entsprechend Abschied nehmen, so würden wir immer krampfhaft versuchen etwas zurückzuholen was nicht mehr da ist. Dies gäbe dem Demenzkranken ein dauerndes Gefühl des nicht Genügen zu können (Erwartungsstress) und uns selber eine nicht Reale und ungesunde Fixierung, die nie erfüllt werden könnte und somit zu dauerndem Frust führen würde.
Kurz gesagt: Nur wenn wir uns von dem was einmal war auch Verabschieden können (durch Trauer), können wir auch auf das offen werden wo noch vorhanden ist, um dort von neuem eine Gemeinsamkeit zu er/leben. Z.B mehr Körperkontakt statt Worte, mehr ausgeprägte Mimik in gleicher Augenhöhe = gezeigte Emotionen statt gesprochene. Auch mal gemeinsam weinen, lachen oder auch mal wütend sein, zeigt ebenfalls tiefe Gemeinschaft ohne das es grosser Erklärungen bedarf.
Ich glaube auch, dass nur weil ich im Vorfeld schon mit dem Verabschieden angefangen hatte, Erik schlussentlich auch gehen lassen konnte als es dann soweit war.
Dieses Abschied nehmen ist furchtbar schmerzlich, man wird in verschiedenster Form hin und her gezwirbelt. Man will es ja nicht - man muss. Aber genauso wie es schmerzlich ist und viele Tränen kostet, so ist es auch das was uns schlussentlich erst zu wirklich mitfühlenden, offenen Menschen anderen gegenüber machen kann. Wie sonst könnten wir den Schmerz verstehen, wenn wir ihn nicht selber erlebt hätten? So gesehen kostet dieses Lernen zwar einen hohen Preis, aber ohne diesen würden wir auch nicht das Schöne und Wertvolle in diesem Leben wirklich zu schätzen wissen. Ich weiss, im Moment wird dir dies vermutlich kaum helfen. Dennoch ändert es nichts an der Tatsache, das nur wer die Tiefen des Lebens durchschreitet, auch die Höhen wirklich wahr nehmen kann.
Du bist auf einem guten Weg, auch wenn dieser zur Zeit viel Schmerz,Trauer und Vermissen bedeutet. Bleib weiter so dran und es wird die Zeit kommen wo du zurückschauend sagen kannst "es war ein Kampf aber es hat sich gelohnt". Ich wünsche es dir aus ganzem Herzen.
Fühle dich an dieser Stelle einfach mal lieb Umarmt. Viele liebe Mitfühlende Gedanken
Ursula |
| | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Verabschiedung? Mo 13 Apr 2009, 09:39 © sylvia | |
| Moin Anja, gutes Thema, denke jeder hat dazu andere Erfahrungen. Bei mir ist es noch etwas anderst, da ich meinen Vater über 10 Jahre durch den Verbot meiner Mutter nicht sehen durfte. Als ich dann März 2007 von ihrem Tod telefonisch erfuhr, rief ich meinen Papa gleich an. Für ihn war es, als ob ich nie weg war und er fragte gleich am Telefon, wann ich komme. Ich setzte mich mit meinem Sohn ins Auto und fuhr los. Ich sah einen dünnen Mann, aber das leuchten in seinen blauen Augen und das Lächeln machte uns Beide glücklich. Wir redeten nicht über meine Mutter, seine Frau. Ich merkte schon eine gewisse Veränderung. Aber der Hausarzt erklärte mir am gleichen Tag, es wäre eine Verwirrtheit durch einen Schlaganfall. Erst man Hausarzt sagte mir etwas von Demenz, mit der ich mich im Internet auseinandersetzte, zu den Gesprächen vom Doc. Es ist nicht einfach, sowas zu erfahren, über viele Dinge nicht mehr reden zu können. Aber er war glücklich, das sah und merkte ich. Die Nachbarn sagten mir alle, wie er mich vermißt habe und ich denke, das war nicht gut für ihn. Bin ein Wunschkind und einziges. Wir hatten soviel Spass zusammen. Er nannte mich seine Zuckerpuppe. Wir konnten gemeinsam lachen. Nun hab ich eine andere Zeit mit meinem Papa genießen können. Wir fuhren spazieren, gingen frühstücken. Ich machte die Arztbesuche, wie Zahnarzt, was lang nicht mehr gemacht wurde. Mir versetzte es einen Stich ins Herz zu erfahren, das meine Mutter zu den Nachbarn sagte, der ist zu nix mehr nütze, der kann weg. Ich kann es bis heute nicht verarbeiten und habe Alpträume. Dazu fehlt mir mein Mann als Gesprächspartner. Ich habe in den 16 Monaten viele Höhen und Tiefen mit meinem Papa durchlebt. Er gab nie auf, auch wenn er mal krank war. Aber es kam dann der Zeitpunkt, da war eine höhere Macht stärker und er kämpfte 5 Tage und wollte nicht gehen. Bis ich ihm sagte: ich hab Dich lieb, Du kannst gehen, da schlief er am 3. Aug. 17 Uhr ein. Ich muß sagen, ich konnte ganz gut mit der Krankheit Demenz umgehen. Es waren wohl auch nicht die schweren Stadien, wie einnässen, gewaltätig usw.. Aber ich kann an bestimmten Tagen, wie Ostern oder Weihnachten noch schwerer damit umgehen. Doch ich weiß, er ist dort oben auf seiner Wolke und schaut auf mich herunter. Am Grab rede ich mit ihm. Denke oft an die schöne Zeit, hab sein Lächeln und sein großer Enkel, hat seinen Schalk geerbt. Sein kleiner Enkel die blonden Haare. So sehe ich etwas von meinem Papa in ihnen und mir. Hab auch Fotos hingestellt. Eins ist über dem Fernseher und ich kann immer drauf schauen - es tut gut. So nun will ich enden muß schon wieder heulen:schreiweinend: Ich wünsche Dir viel Kraft In der Galerie kannst meinen Papa und mich sehen
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
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| | | Babs2105 Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Verabschiedung? Mo 13 Apr 2009, 13:28 © Babs2105 | |
| Liebe Anja. Mein Eltern sind früh und ganz plötzlich verstorben, so daß ich kein Abschied nehmen konnte. Mein S. Mutter hat mich damals aufgefangen und mir sehr bei meiner Trauerarbeit geholfen. Nun liegt sie nur noch da und schreit nach Hilfe und nennt ganz viele Namen, die ihr gerade so durch den Kopf schiessen. Sie ist inkontinent, sie hat einen Blasenkatheter und kotet sich ein. Wenn ich so zurückdenke und sie früher sehe ... sie war immer eine perfekt gekleidete Frau, ihre Haare mussten immer gut liegen, selbst als sie mal im KH lag, mußte ich ihr die Haare "eiigermassen vernünftig " machen. Und heute ??? Als es mit der Demnz vor 4 Jahren anfing fiel es mir schon auf, daß sie ihre Kleidung gar nicht mehr so gewissenhaft aussuchte. Sie wusch sich die Haare nur dann, wenn ich sie daruf ansprach. Später lag sie nur noch auf dem Sofa und Hygiene war ihr egal. Nun liegt sie da, ist ist doch nicht mehr da ! Sie hat sich aus unsrem Leben zurückgezogen und "lebt" (exiestiert) nur noch in ihrer eigenen Welt, wenn man es so nennen kann. Ich nehme täglich Abschied von ihr, mein Mann selbst hat ihr schon oft den Tod gewünscht, weil er ihr Leiden so nicht mehr ertragen kann. S.Mutter lebt jetzt in meiner Wohnung, weil S.Vater damit gar nicht mehr umgehen kann. Und ist er mal bei uns (uns trennt nur ein Flur) guckt er nur noch bei ihr rein und geht. Wenn sie seinen NAmen schreit, schimpf er sie nur noch aus, daß er ihr nicht helfen könne. Ich glaube, er hat seinen Abschied schon genommen, als ich sie vor 3 Wochen zu mir nahm. Es ist nicht mehr die Frau, die er liebte. Ich hab nur noch Wut im BAuch über seine Ignoranz. Aber dann habe ich auch Verständnis für seine Gefühle. Aber statt sich damit auseinander zusetzen, mit mir oder meinem MAnn zu sprechen, flüchtet er sich hinter seiner eigenen Krankheit. Über meinen Jüngsten (noch 14 Jahre) staune ich allerdings, wenn ich denn mal mutlos oder entnervt über ihre Schreierei mich etwas zurückziehe, übernimmt er seine Oma. Er gibt ihr was zu trinken, deckt sie zu oder spricht mit ihr, auch wenn sie ihm nicht zuhört. SO nimmt er jeden TAg ein bißchen Abschied, sagt er. Und wenn sie mal morgens tot im Bett liegt, kann er immer sagen "ich habe meiner Oma etwas helfen können" sagt er. HAbe ich nicht einen SUPER SOHN !?!?!?
_________________________________________________ " Für die Menschen, die regelmäßig ein Gebet sprechen, ist es das beste und einfachste aller Beruhigungsmittel " _________________
" Die wahre Lebensweisheit besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen "
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| | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Verabschiedung? Mo 13 Apr 2009, 17:30 © sylvia | |
| Liebe Anja, wir haben doch alle super Kinder und sehr einfühlsam sind meine Söhne nun fast 27 und 29 Jahre jung. Kids gehen mit der Krankheit anderst um. Ich schrieb es hier mal, als ich von unseren Bekannten berichtete. Das nahm ich mir zu Herzen, als es dann bei meinem Papa soweit war. Ohne das ich wußte, das es mal auf mich zukam. Ich redete bis zu seinem Tod ganz normal mit ihm. Oft wiederholte ich auch einiges. Sprach von seinen Enkeln. Der Natur, den Blumen und Tieren. Mein Papa war auch immer schick gekleidet, was durch die Krankheit nicht vernachlässigt wurde, von mir und den Schwestern. Auch mit dem Zähne putzen hatte er es nicht mehr so, dann ließ ich mir seine Protese geben und reinigte sie. Die unteren eigenen Beißerchen putze er dann am Waschbecken. Es war immer lustig, wie er mit dem Wasser gurgelte. Habt einen schönen Abend. Denkt immer dran, wir leisten viel und gehen oft bis an unsere Kräfte. Dann brauchen wir eine Auszeit und müssen an uns denken.
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
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