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| Wie wissen nicht mehr weiter | |
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Waldi Gast
| Thema: Wie wissen nicht mehr weiter Sa 19 März 2011, 21:42 © Waldi | |
| Hallo, meine Mutter ist 82 Jahre und war 2008 teilstationär in einer Geriartrie mit Gedächtnisklinik. Dort wurde sie gründlich untersucht. Diagnose: Gemischte kortiale und subkortikale vaskuläre Demenz sowie arterielle Hypertonie. Seitdem wurde sie nicht wieder diesbezüglich untersucht. Sie wurde und wird auch nicht medikamentös behandelt. Beides primär deswegen, weil sie sich strikt weigert diese Diagnosen anzuerkennen. Jeden Arzt, der etwas ähnliches äußert, lehnt sie sofort ab. Deswegen will sie - wenn überhaupt - immer zu einem neuen Arzt gehen. Eigentlich würde ihr nichts fehlen. Es wäre vielmehr mein Vater, der ins Altersheim gehöre, weil er nach einer Reanimation wg. Herz- und Atemstillstand (was auch wirklich im Jahr 2008 stattfand) nicht mehr richtig im Kopf wäre. Dabei ist er geistig wohl auf. Nach Ihrer Selbsteinschätzung wäre sie nicht dement, nur manchmal etwas vergesslich, weil sie mal eine leichte Gehirnerschütterung gehabt hätte. Sie würde sich halt nur die wichtigen Dinge merken und nicht mehr allen Kram (O-Ton meine Mutter). In Wirklichkeit hat sie ganz starke Orientierungsprobleme in Zeit und Raum, erzählt sehr viel aus ihrer Vergangenheit (Flucht, 2. Weltkrieg, Vertreibung, Kindheit), kann keine Hausarbeiten mehr verrichten (meint aber noch alles machen zu können, aber nicht mehr machen zu müssen). Sie lebt zusammen mit meinem Vater (80) in einer Seniorenwohnung (noch) ohne Betreuung. Diese lehnt sie auch strikt ab. Sieht den Betreuungsbedarf nur bei meinem Vater, den sie am liebsten ins Altenheim schicken will, um alleine ohne diesen "wirren Mann" in Ruhe leben zu können. Er hätte sie die ganze Zeit nur betrogen, ein uneheliches Kind gezeugt und ich (der Sohn) hätte auch ein uneheliches Kind (was beides nicht stimmt). Ja und sie selbst würde von meiner Schwiegermutter auch bezichtigt werden, dass sie ein uneheliches Kind hätte. Wenn man Ihr versucht klar zu machen, dass das nicht so sei, wird sie agressiv und kann auch schon mal handgreiflich werden. Deswegen versuchen wir ihr schon gar nicht mehr zu widersprechen und sie auf ein anderes Thema zu bringen, wenn sie wieder davon anfangen will zu erzählen. Das merkt sie dann aber und wird wiederum agressiv. Stimmen wir zu allem was sie sagt zu, ist es auch nicht recht, weil die Situation ja so schlimm sei. Sie fühlt sich von Allen betrogen. Wir wissen deswegen irgendwie nicht mehr weiter. Egal was wir sagen oder tun, wir kommen zu keiner Lösung, die die Lage entschärfen oder verbessern kann. Hinzu kommt, das ihr Zustand von Stunde zu Stunde unterschiedlich sein kann. Fremde, die sie nicht näher kennen und sich nur kurz mit Ihr unterhalten, können sich nicht vorstellen, wie sie ist und sein kann. Es kommt mir vor als würde in meiner Mutter in solchen Situationen eine sehr begabte Schauspielerin stecken, die ihre Krankheit sehr geschickt überspielen kann. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir hier über diesen Weg Tipps bekommen könnten, was man in einer solchen Situation am besten tun kann. |
| | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Wie wissen nicht mehr weiter So 20 März 2011, 08:57 © sylvia | |
| Liebe Waldi, das Langzeitgedächnis arbeitet am längsten, da erzählt sie viel davon. Stimmungsschwankungen sind ganz normal, es ist die Krankheit, die einen lieben Menschen so verändert - leider. Wir müssen lernen damit zu leben und umzugehen. Guter Schritt hier mal reinzuschauen, wir haben viel Info über die Krankheit und Du kannst uns auch immer alles fragen. Diskutieren bringt gar nichts. Versuche es einfach zu überhören, was sie "schlechtes" erzählt. Alles Gute. LG Sylvia
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
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| | | Biggi Moderator
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| Thema: Re: Wie wissen nicht mehr weiter So 20 März 2011, 12:54 © Biggi | |
| Lieber Waldi, ich kann nachvollziehen, was du durchmachst. Dieses Problem kennen ganz viele hier. Ich möchte es mal so formulieren, dass ich es als Art Selbstschutz deiner Mutter sehe. Wenn Demente merken, dass nach und nach ihre Fähigkeiten schwinden, möchten sie das natürlich nach aussen verbergen, weil sie keine Schwächen zeigen möchten.
Macht man sie darauf aufmerksam, reagieren sie ganz oft aggressiv und schieben den schwarzen Peter auf andere. Wenn man versucht, sich in die Lage zu versetzen, würden wir wahrscheinlich genauso reagieren. Es ist ein schwieriger Grad damit umzugehen.
Auch diese teilweise stündlichen Schwankungen sind bei der Krankheit typisch. Dass ihr nicht widersprecht oder belehrt, sondern vom Thema ablenkt ist in so Situationen genau richtig.
Ebenfalls typisch ist das Zusammenreissen gegenüber Fremden. Die merken oft wirklich nichts und können sich vorstellen, dass wirklich eine Krankheit vorliegt.
Versucht in Ruhe auf sie einzugehen und sie zu fördern, wenn es um was Positives geht. Und immer loben, wenn sie was richtig macht, damit sie Erfolgserlebnisse hat. Das ist ganz wichtig. Hat sie eine schlechte Phase, versucht es zu überspielen oder das Thema zu wechseln. Ich weiss, dass es nicht immer leicht ist.
Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen. Wenn du noch Fragen hast, melde dich einfach. Hier wird einem immer zugehört und wenn es geht, auch geholfen.
Alles Gute und viel Kraft wünscht Biggi
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| | | Elli Gast
| Thema: Re: Wie wissen nicht mehr weiter Mo 18 Apr 2011, 16:48 © Elli | |
| Habe schon viel in diesem Forum erfahren und kann so viele Gedanken nachvollziehen. Meine Mutter ist auch demenzkrank seit 2007. Da im Januar mein Vater verstorben ist, versuchen wir, meine Mutter noch so lange wie möglich in Ihrem Haus zu belassen. Es ist schwierig für alle, mit dieser Krankheit umzugehen. Ich bin völlig fertig, leide an Depressionen und habe auch ständig ein "schlechtes Gewissen", dass ich mich nicht genügend um meine Mutter kümmer. Aber ich muss schließlich nun mal arbeiten (mein Mann ist z.Zt. arbeitssuchend, Haus muss weiter abbezahlt werden, und und und...) Für meine Mutter habe ich jetzt eine Pflegekraft - die sie natürlich nicht um sich haben will. Ich weiß dass ich da stark bleiben muss und ich kämpfe jeden Tag wieder neu! Doch meine eigentliche Frage: Wie mache ich meiner Mutter klar, dass sie mal zum Arzt gehen muss, sich regelmäßig baden und waschen muss - ich kämpfe da gegen eine Wand - ... und ich kann sie doch nicht zwingen zu duschen oder zu baden. Hat jemand einen Tipp? Mit gutem Zureden geht da gar nichts mehr! Selbst die Pflege weiß nicht mehr weiter ... Lieben Gruß Elli |
| | | Biggi Moderator
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| Thema: Re: Wie wissen nicht mehr weiter Mo 18 Apr 2011, 17:18 © Biggi | |
| Liebe Elli, das ist leider ein Problem mit dem viele zu kämpfen haben. Ich weiss, es ist sehr schwierig.
Vielleicht kann der Arzt einen Hausbesuch machen. Ich weiss ja jetzt nicht, warum sie hin soll und ob dazu ein Hausbesuch reicht.
Wenn beim Waschen kein gutes Zureden reicht, je nachdem wie weit die Demenz fortgeschritten ist, muss man auch schon mal etwas energischer werden. Es ist ja zum Schutz unserer Lieben. Denn wenn sich ein Infekt oder ähnliches durch vernachlässigte Körperpflege bildet, ist das sehr unangenehm.
Was macht sie, wenn du ihr vorschlägst, dass du sie wäscht und nicht die Pflegerin?
Und ein schlechtes Gewissen musst du bestimmt nicht haben. Du hast auch noch ein eigenes Leben und tust das, was in deiner Macht steht. Mehr geht nicht. Wenn du selber krank dabei wirst, hilft es deiner Mutter noch weniger.
LG Biggi
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| | | sylvia Ist hier Zuhause
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| Thema: Re: Wie wissen nicht mehr weiter Mo 18 Apr 2011, 17:22 © sylvia | |
| Liebe Elli, denke bitte immer daran Dich selber nicht zu vergessen, ganz wichtig. Du mußt kein schlechtes Gewissen haben. Mit der Hygiene wird schwierig, sie haben nicht mehr so das Bedürfnis. Versuch es spielerisch. Denke die anderen haben auch noch Ideen. LG Sylvia |
| | | Elli Gast
| Thema: Re: Wie wissen nicht mehr weiter Mo 18 Apr 2011, 19:07 © Elli | |
| Ich danke euch- ich glaube man klammert sich an jeden Zuspruch wie an einen Strohhalm. Da meine Mutter mich zeitweise nicht erkennt oder als, wie soll ich sagen, "Eindringling, böse, ja als Fremde" sieht, werde ich kaum eine Chance haben, dass sie sich von mir helfen läßt. Aber eine gute Phase abwarten - das dauert. Den einzigen, den sie noch einigermaßen vertraut und erkennt, ist mein Bruder - aber der wird das wohl kaum tun - irgendwie auch verständlich. Aber er hat eine eher "robustere Art" mit ihr umzugehen. Das ist sie gewohnt, von ihrem Mann her. Aber ich kann das nicht! Vielleicht hat jemand noch weitere gute Tipps. Ich werde alles ausprobieren. Lg Elli |
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